Hintergrund

Unterhosen in Hundemägen und Hüftprothesen für Katzen: zu Besuch im Tierspital

Darina Schweizer
5.6.2024
Bilder: Christian Walker

Das Tierspital Zürich behandelt jährlich über 28 000 Tiere. Bei meinem Besuch staunte ich über massgeschneiderte Prothesen, Kot-Transplantationen und darüber, was alles in Hundemägen landet.

Ein Neufundländer hockt mit tropfender Zunge unter dem Empfangstresen. Hinter ihm hinkt ein Husky durch die Schiebetür. Und aus einer Transportbox im Wartebereich jammert eine Kartäuserkatze. Es ist «Full House» am Dienstagmorgen im Universitären Tierspital Zürich.

Während ich das tierische Treiben beobachte, geht die Fantasie mit mir durch. Ob als nächstes ein Elefant den Rüssel durch den Eingang streckt? Immerhin behandelt das Tierspital auch Zootiere. Ich frage gleich den ärztlichen Direktor Jean-Michel Hatt, als er mich für eine Tour durchs Spital begrüsst. Er meint lachend:

«Tatsächlich wurde schon ein Elefant aus Frankreich mit einem Sattelschlepper zu uns chauffiert. Doch meistens fahren unsere Tierärztinnen und Tierärzte in den Zoo.»

Elefanten, Löwen, Pferde, Kühe, Schweine, Hunde, Katzen, Erdmännchen, Degus, Zebrafinken: Das Tierspital kümmert sich um alle möglichen Patienten von fünf Gramm bis fünf Tonnen Körpergewicht. Ich bin für die «Knirpse» da: die Kleintiere. Ihnen gehört die grösste Abteilung im Spital. Rund 14 000 Hunde und 6000 Katzen gehen in der Kleintierklinik jährlich ein und aus.

«Bei den Hunden haben wir vor allem Bandscheibenvorfälle bei Französischen Bulldoggen und Ellbogendysplasien bei Labradoodlen. Bei den Katzen sind es Hüft- und Kniescheibenprobleme bei British Shorthair und Maine Coon.»

Zugenommen haben laut Sebastian Knell vor allem Sportverletzungen, zum Beispiel durch die Hundesportart Agility. «Border Collies verletzen sich beim Slalomlaufen oft an der Schulter», so der Oberarzt. Eine Erholungstherapie, zum Beispiel in der klinikinternen Physiotherapie, sei in solchen Fällen besonders wichtig. Aber:

«Oft muss ich Haustierbesitzerinnen und -besitzer zu einer Reha überreden. Viele sind nicht versichert und wollen auf die Nachsorge verzichten. Das ist aber am falschen Ort gespart.»

Für Spezialbehandlungen greifen Haustierbesitzende oft tief in die Tasche. Als wir an der Onkologie vorbeigehen, verrät Sebastian Knell, dass Rekonstruktionen bei Krebserkrankungen zu den komplexesten Eingriffen gehören. «Wenn wir bei einer Katze ein Titanbrustbein einsetzen, sind wir höchst gefordert.»

Eine Behandlung erschweren können auch die Charaktereigenschaften bestimmter Rassen. Dass eine lebhafte Bengalkatze ihr Knie nach einer Operation schont, ist fast unmöglich. Und auch Border Collies können kaum still sitzen und müssen mit Kopfarbeit abgelenkt werden. «Einfacher ist der Labrador. Der hat weit weniger Bewegungsdrang und frisst am liebsten», sagt Sebastian Knell und lacht.

Mägen voller Gifte und Grillspiesse

Oft ist es genau der unersättliche Appetit, der die Vierbeiner ins Tierspital bringt. Auch wenn immer weniger Tiere bei Eingriffen sterben: Vergiftungen sind die Beschwerden, die am häufigsten tödlich enden. Laut Sebastian Knell wird vielfach unterschätzt, wie gefährlich scheinbar harmlose Lebensmittel sein können.

«Viele Leute wissen, dass Schokolade für Hunde giftig ist. Das gilt aber auch für Zwiebeln, Trauben und Medikamente wie Aspirin. Ausserdem sind für Katzen Frostschutzmittel wegen ihrer Süsse verlockend.»

Sebastian Knell und sein Team haben schon alles Mögliche aus Tiermägen herausgeholt: Sägespäne, Grillspiesse, Enthaarungswachs, Migros-Sammelfiguren. Und sogar schon eine unbekannte Damenunterhose, die einen Ehemann in Erklärungsnot brachte. Da hatte der Hund wohl Beweismaterial vernichten wollen.

«Wir vermuten unter anderem, dass Antibiotikabehandlungen bei jungen Hunden später zu einer chronischen Darmerkrankung führen können.»

Die Forschung feiert Erfolge

50 Hunde sind bislang beim «Growing Dog Project» dabei. Eine davon ist die Maltipoo-Dame Joy. Ihre Besitzerin Sarah Frutiger kommt an diesem Vormittag mit der Hündin für einen Kontrolltermin bei Stefan Unterer vorbei. «Meine Hundetrainerin hat mir davon erzählt. Ich hielt es für sinnvoll, der Forschung zu helfen», erzählt sie.

Eine Ernährungsberatung hat Joy schon hinter sich. Und worauf gilt es zu achten? Die Ernährungsberaterin und Tierärztin Freya Moscoso, die bei der Untersuchung anwesend ist, sagt:

«Ein guter Futterhersteller ist wichtig. Das sind meist grössere Firmen, die auch Geld in eigene Forschung stecken. Bei speziellen Fütterungsarten wie dem Barfen sollte man die Rationen von Profis berechnen lassen.»

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Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.


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