Hintergrund

Die Polizei hat die besten Koksnasen

Darina Schweizer
6.3.2024
Bilder: Christian Walker

Ecstasy, Meth und Koks erschnüffeln, Geld und vermisste Personen aufspüren: Die Diensthündinnen Anora und Diara der Kantonspolizei Zürich zeigen, wie sie alles und jeden finden.

Es ist still. Nur ein abwechselndes «Zip Zäh!» einer Kohlmeise schallt aus dem Wald oberhalb des Diensthundezentrums Dübendorf. Kaum zu glauben, dass auf dem fast zwei Fussballfelder grossen Areal ein Sechstel aller 610 Schweizer Polizeihunde ausgebildet werden. 33 waren es letztes Jahr. Und die geben keinen Mucks von sich?

«Die meisten sind im Einsatz, beim Training oder zu Hause. Sie sind ja auch Familienhunde», meint Jörg Guggisberg, der mich begrüsst. Der 52-jährige Chef des Diensthundewesens der Kantonspolizei Zürich hat seine eigenen Hündinnen dabei: die Drogen-, Geldspür- sowie Kriminalistische Ermittlungshündin Anora und die Personenspürhündin Diara. Mit den beiden haben wir Grosses vor: Sie sollen Drogen, Geldnoten und eine vermisste Person erschnüffeln.

Let the dogs out

Langsam nähern wir uns einem weissen Kastenwagen, in dem die Hündinnen warten. Wie auf Kommando setzt ein lautes Gebell ein. Ich rechne schon mit einem imposanten Dobermann, als Guggisberg die Hintertür und die Hundebox öffnet. Doch wer mir entgegenspringt, löst eher einen Jö-Effekt aus. Ein zotteliger Grosser Münsterländer begrüsst mich freudig schwänzelnd: die vierjährige Anora.

Die Suche beginnt erneut. Schnell tastet sich Anora mit ihrer Nase zum Fussraum des Fahrzeugs vor. Wieder hält sie inne: Hier liegt das Crystal Meth versteckt.

Nach einer Belohnung geht es weiter. Diesmal mit der kontrollierten Suche. Guggisberg zückt einen Stab mit einem kleinen, farbigen Knubbel am Ende. Mit ihm zeigt er an, wo die Hündin suchen soll: unter der geöffneten Motorhaube. Als er darauf tippt, springt Anora auf den Motor.

Nicht ganz einfach, sich darauf zu halten. Mit den Pfoten gleicht die Hündin die Balance immer wieder aus. «Das hat sie auf dem Trainingsgelände gelernt», erklärt ihr Besitzer und zeigt auf eine grosse Wiese hinter sich. Dort überqueren die Diensthunde in der Ausbildung Hindernisse wie durchsichtige Gitter oder wackelige Untergründe. Auf der Leiter eines Holzhäuschens gewöhnen sie sich daran, getragen oder in ein Fenster gehievt zu werden.

Ausbildung mit klaren Signalen

Anora ist mittlerweile fündig geworden: Eingeklemmt zwischen Batterie und Bremsflüssigkeit, zeigt sie das Kokain an. Zeit für eine Pause. Schliesslich war das aus Sicht der Hündin keine Übung. Es war ein richtiger Einsatz. Der klimatisierte Kastenwagen wartet bereits auf sie.

Als wir davor stehen, weist Jörg Guggisberg Anora nur mit dem Finger an, sich hinzusetzen. Ich bin erstaunt über die ruhige und reduzierte Kommunikation. «Ein harter Ton ist nicht nötig. Wichtig sind klare Kommandos. Wer uneindeutige und inkonsequente Signale gibt und die ganze Zeit plappert, dem hört der Hund bald nicht mehr zu», sagt er und ergänzt schmunzelnd: «Mir geht's ja ähnlich.»

Mich nimmt wunder, ob gewisse Hunde die Ausbildung auch abbrechen müssen oder suspendiert werden. Das komme ganz selten vor, sagt Guggisberg. «Wir bewegen uns pro Jahr im tiefen einstelligen Prozentbereich.» Meist sei der Grund der Mensch. Zum Beispiel, weil ein Familienmitglied eine Hundeallergie bekomme oder der Polizist oder die Polizistin überlastet sei. Dass der Hund die Leistung nicht bringe, sei so gut wie nie der Fall. Dafür sorgen auch jährliche Prüfungen.

Auf der Spur des Geldes

Zehn Minuten später. Anora hat eine Gassirunde hinter sich und steht in der Kommandozentrale bereit für den nächsten Einsatz. Hier hat Guggisberg Geldnoten versteckt. In der Realität geht es dabei meist um Wirtschaftsdelikte. «Such!», schickt er Anora los.

Nach wenigen Sekunden steuert die Hündin einen kleinen Schrank an. Er ist verschlossen, aber irgendetwas scheint sie gewittert zu haben. Guggisberg zieht die Schiebetür auf. Anora schnüffelt weiter. Bei einer kleineren Kartonschachtel ganz zuhinterst zeigt sie einen Fund an. Ich spüre der Hündin förmlich an, dass sie den Behälter am liebsten sofort aufreissen würde. Doch sie verharrt.

Guggisberg zieht die Schachtel hervor, öffnet sie, klappt sie auseinander, dann erneut und nochmals und zieht zwischen zwei Kartonschichten das Geld hervor. Unglaublich, wie gut die Spürhundenase funktioniert. «Etwa tausendmal besser als unsere», meint der Hundeführer und lobt Anora. Nun darf sie in die wohlverdiente Mittagspause.

Jörg Guggisberg öffnet den Beutel mit der Mütze und zieht ihn über Diaras Schnauze. Ihre Augen weiten sich, die Nasenflügel flattern. Ein paar Sekunden bleiben die beiden so stehen. «Die Personensuche ist die schwierigste aller Aufgaben von Suchhunden. Wir können sie ja nicht auf einen spezifischen Geruch konditionieren, weil die vermisste Person immer eine andere ist. Da hilft nur üben, üben, üben.»

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Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.


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