Hintergrund

Superorgan Darm: Wie das Mikrobiom deine Gesundheit beeinflusst

In deinem Darm wohnen nicht nur Billionen von Bakterien, die deine Verdauung und dein Immunsystem regeln. In deinen Eingeweiden steckt auch Hoffnung: Denn das Mikrobiom hat das Potenzial, Krankheiten zu heilen – von Depressionen bis Krebs. Mikrobiom-Selbsttests für den Darm sind allerdings (noch) nicht die Lösung.

Dein Darm, ein Superorgan: Per «Schnellstraße» mit dem Hirn verbunden

Auf diese Weise beeinflussen die Darmbewohner unseren ganzen Stoffwechsel, unsere Organe und sogar unser Gehirn. Diese Verbindung bezeichnet die Wissenschaft auch als Darm-Hirn-Achse. Auf dieser Schnellstraße, die die beiden Organe vernetzt, kommunizieren Darm und Hirn mithilfe verschiedener Botenstoffe.

Unter anderem gelangen von den Bakterien produzierte Substanzen über die Darmwand in den Blutkreislauf. Darunter auch solche, die zur Produktion von neurologisch aktiven Substanzen wie den Nervenbotenstoffen Serotonin und Dopamin beitragen. Kein Wunder also, dass das Mikrobiom auch «Superorgan» genannt wird, wenn es sogar Denken, Verhalten und Gemütslage beeinflussen kann.

Darmflora: Gesunde Vielfalt, gesunder Mensch

Betroffene mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, bei denen die Vielfalt der mikrobiellen Mitbewohner eingeschränkt ist, wissen das aus leidvoller Erfahrung. Aber auch alle, die nach der Einnahme von Antibiotika schon einmal Durchfall hatten, haben es schon am eigenen Leib gespürt. Da meist sogenannte Breitbandantibiotika eingesetzt werden, die bei Darmbakterien keinen Unterschied zwischen Freund und Feind machen,.

Tipp von Prof. Scharl: Lass dir das nächste Mal zum Antibiotikum auch ein Probiotikum verschreiben, wie zum Beispiel Saccharomyces Boulardii. Es stabilisiert das Mikrobiom und unterstützt die Regeneration der Darmflora.

Futter für den Darm

Doch nicht nur Medikamente machen deinem Mikrobiom zu schaffen. «Es gibt zum Beispiel auch Hinweise, dass unsere westliche Ernährungsweise – wenig Ballaststoffe, viel tierisches Fett und Zucker – in Verbindung mit Stress und Bewegungsmangel die Vielfalt der Darmkeime verringert», sagt Scharl. Blähungen, Verdauungsprobleme und Co. sind dann noch ein vergleichsweise kleines Übel.

Denn gleichzeitig vermehren sich Bakterien, die Trimethylamin herstellen, einen Stoff, der im Verdacht steht, das Risiko für Arteriosklerose und damit für Herzinfarkt und Schlaganfall zu erhöhen. Du solltest also deinem Mikrobiom zuliebe auf eine ausgewogene, ballastoff- und fasereiche Ernährung mit viel frischem Obst und Gemüse achten und einen gesunden, entspannten Lifestyle pflegen.

Verändertes Darm-Mikrobiom: Ursache oder Folge vieler Krankheiten?

Jedoch es ist längst nicht klar, ob Veränderungen des Mikrobioms diese Krankheiten auslösen oder doch eher eine Folge davon sind, rsp. es kann schlicht beides der Fall sein. «Außerdem sind auch nicht alle Menschen, bei denen sich bestimmte Abweichungen zeigen, an den damit assoziierten Leiden erkrankt oder werden daran erkranken», betont Scharl.

Noch gesund oder doch schon krank?

Mikrobiom im Darm: Hoffnung für die Medizin der Zukunft

Für die Zukunft glaubt er: Die Forschungen rund ums Mikrobiom können viele weitere Möglichkeiten für noch weit gezieltere therapeutische Eingriffe liefern. Er traut den Mikroorganismen im Verdauungstrakt künftig eine große Rolle in der Medizin zu: als Therapeutikum.

Krankheiten, so Scharls Hoffnung, sollen sich heilen lassen, indem man die Zusammensetzung der Darmflora verändert, beziehungsweise die beim Krankheitsbild reduzierten Bakterien ersetzt. «Die ideale Therapie wäre dann erreicht, wenn den Patientinnen und Patienten nur noch individuell abgestimmte Bakteriencocktails oder isolierte Stoffwechselprodukte per Pille verabreicht werden müssten.»

Im Bereich Dickdarmkrebs könnte es in zwei bis drei Jahren soweit sein. In Versuchen mit krebskranken Mäusen konnten jene T-Zellen aktiviert werden, die den Tumor abtöten, indem man ihnen jene Bakterien oral verabreichte, die im Darm von Krebspatientinnen und -patienten reduziert sind.

Titelbild: shutterstock

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Daniela Schuster
Autorin von customize mediahouse
oliver.fischer@digitecgalaxus.ch

Gäbe es meinen Job nicht, würde ich ihn erfinden wollen. Schreiben ist die Möglichkeit, ein paar Leben parallel zu führen. Heute stehe ich mit einer Wissenschaftlerin im Labor, morgen gehe ich mit einem Forscher auf Südpolexpedition. Täglich entdecke ich die Welt, erfahre Neues und treffe spannende Menschen. Aber nur kein Neid: Das Gleiche gilt fürs Lesen!

Customize mediahouse hinterfragt den Sinn und Nutzen für den Kunden: Wir inspirieren Menschen mit emotionalem Content, der es wert ist, konsumiert und geteilt zu werden.
 


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