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Hintergrund

Wie mich Haferflocken und der «Glukose-Trick» im Stich gelassen haben

Knapp ein Jahr lang litt ich unter wiederkehrenden Bauchbeschwerden, die mich nachts wach hielten und in den Wahnsinn trieben. Erst als ich erkannte, dass Stress der Auslöser war, verschwanden die Symptome.

Nach einer Reihe von wilden Schoggi-Eskapaden nahm ich mir zum Jahresbeginn zum Vorsatz, einen gesünderen Lebensstil einzuschlagen. Weniger Fast-Food und Heisshungerattacken, dafür mehr Gemüse und Selbstgemachtes. Dass ich mich dabei selbst in einen Teufelskreis von Diäten und daraus erfolgten Beschwerden begeben hatte, merkte ich erst später.

Diät #1: Der Glukosetrick

«Der Glukosetrick» sollte mir dabei helfen, meine ambitionierten Ziele zu erreichen. Meine Hoffnungen waren gross, denn die eigens entwickelte Diät der Autorin Jessie Inchauspé hatte ihr zufolge schon vielen Personen mit den gleichen Neujahrsvorsätzen helfen können. Und wenn das nicht schon genug wäre, berichteten die meisten sogar von einer Gewichtsabnahme. Ein Versuch kann nicht schaden, dachte ich mir nichtsahnend.

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Also befolgte ich mehr oder weniger strikt die Zehn Gebote, die Inchauspé in ihrem Buch predigt: Ich ass die Lebensmittel auf meinem Teller in einer bestimmten Reihenfolge - zuerst Ballaststoffe (Gemüse), dann Proteine und gesunde Fette, und zuletzt Kohlenhydrate – und schluckte Apfelessig, bevor ich mir etwas Süsses gönnte. Letzteres brachte ich allerdings nur zwei Mal über mich. Nach drei Wochen musste ich mir jedoch eingestehen, dass sich weder an meinem Heisshunger noch an der Nachmittagsmüdigkeit etwas verändert hatte. Stattdessen schlichen sich wiederkehrende Bauchbeschwerden in meinen Alltag ein. Immer kurz vor dem Zubettgehen. Wie konnte das sein? Gerade jetzt, wo ich endlich gesund ass!

Diät #2: Der Ballaststoff-Overkill

«Du willst Darmbeschwerden loswerden? Dann verbanne Kohlenhydrate für immer und iss Ballaststoffe, Ballaststoffe und nochmals Ballaststoffe.» Nach all den Ratgebern war ich mir sicher, dass Ballaststoffe die Lösung für den Weltfrieden sein müssen. So, wie sie überall beworben werden. Also stopfte ich mich von da an mit Haferflocken, Linsen, Salaten und noch mehr Gemüse voll.

Meinem Bauch gefiel das allerdings gar nicht. Er rebellierte inzwischen täglich, und ich hatte vergessen, wie es war, ohne Bettflasche einzuschlafen. Meine Internetrecherche zu diesem Zeitpunkt ergab, dass ich an etwas Ernstem erkrankt sein musste. Zwar war es kein Bauchspeicheldrüsenkrebs, aber eine Dünndarmfehlbesiedlung oder das Reizdarmsyndrom bestimmt. Alle Symptome deuteten darauf hin.

Diät #3: FODMAP

Die Ärztin verschrieb mir eine Ernährungsberatung, als ich ihr meine Selbstdiagnose entgegen schmetterte. «Wenn’s nicht funktioniert, schauen wir weiter.» – Na gut. Also erarbeitete ich mit dem Ernährungsberater einen Plan, um mich auf die von ihm empfohlene FODMAP-Diät vorzubereiten.

Ab da drehte sich mein Leben ums Essen. Ich plante feste Mahlzeiten, achtete darauf, dass keine Festessen oder Restaurantbesuche dazwischen kamen und dass mich keine Heisshungerattacken aus dem Konzept bringen konnten. Eine grosse Umstellung, die ich für meine Gesundheit in Kauf nahm und eine erhoffte Besserung, die jedoch ausblieb.

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Die Erlösung: Keine Diät ist die beste Diät

In der ersten Woche der FODMAP-armen Diät hätte sich eine Besserung meiner Symptome einstellen sollen – schliesslich mied ich konsequent alle potenziellen Auslöser von Lebensmittelunverträglichkeiten. Doch es tat sich nichts. Im Gegenteil: Die Beschwerden wurden stärker als je zuvor. Ich war mit meiner Geduld am Ende.

«Das hat nichts Schlechtes zu bedeuten», meinte der Ernährungsberater, «mit diesem Resultat können wir eine Unverträglichkeit ausschliessen.» Okay, diese Nachricht war eigentlich schon mal gut – aber die Probleme waren noch da.

«Ich habe eine Idee und einen möglichen neuen Ansatz. Aber nicht alle meiner Klientinnen und Klienten sind offen für den Versuch.» Her damit, dachte ich mir. Mir war alles recht. Seine Theorie war, dass mein Körper wegen der drastischen Glukosetrick-Diät überfordert war und in eine Art Stresssituation geraten ist. Mein Körper reagierte von da an auf gewöhnliche Verdauungsvorgänge, wie leichte Blähungen oder Völlegefühl nach dem Essen, mit übermässigem Stress, was sich wiederum negativ auf die Verdauung auswirkt. Ein endloser Teufelskreis. Ob es wirklich das war, bleibt offen, aber für mich klang dieser Ansatz ziemlich schlüssig.

Gesunder Schlaf und weniger Stress

«Das passiert schnell, wenn Menschen ihre Ernährung schlagartig verändern. Aber solche Vorgänge sind auch wieder umkehrbar», beruhigte er mich und schlug mir vor, mich täglich zu bewegen und meine Schlafhygiene zu verbessern. Dazu gehörten ein zehnminütiger Spaziergang, weniger Bildschirmzeit am Abend oder erst ins Bett gehen, wenn ich wirklich müde war. Beim Essen sollte ich nur darauf achten, keine blähende Rohkost am Abend zu essen. Ansonsten sollte ich die ausgewogene Ernährung beibehalten.

Und tatsächlich: Von Tag zu Tag verschwanden die Beschwerden wie von selbst. Endlich konnte ich wieder durchschlafen und bald konnte ich mich von meiner Bettflasche verabschieden und wieder normal und vor allem symptomfrei essen.

Pychosomatische Beschwerden: Ein Blick darauf kann sich lohnen

Bei chronischen Beschwerden kann es sich lohnen, auch die psychische Ebene mit einzubeziehen. Für Betroffene sind diese lang anhaltenden Symptome oft sehr belastend – besonders dann, wenn medizinische Untersuchungen keine klare Ursache finden. Wie in meinem Fall muss der Auslöser dabei nicht zwingend emotional sein; manchmal entstehen die psychischen Belastungen erst durch die Beschwerden selbst und führen zu einem sich selbst verstärkenden Stress. Die Forschung geht heute davon aus, dass sich körperliche und psychische Symptome gegenseitig beeinflussen – und dass es daher sinnvoll ist, beide Ebenen in die Behandlung einzubeziehen.

Hast du auch schon einmal unter Beschwerden gelitten, die sich als psychosomatisch herausgestellt haben? Wurde diese Ursache von deiner Ärztin oder deinem Arzt in Betracht gezogen? Schreib es in die Kommentare.

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Die Wände kurz vor der Wohnungsübergabe streichen? Kimchi selber machen? Einen kaputten Raclette-Ofen löten? Geht nicht – gibts nicht. Also manchmal schon. Aber ich probiere es auf jeden Fall aus.


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