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Das Leben des Rywan

Vor mir liegen 2 857 143 Schritte, die ich nicht gehen werde. Die Geschichte einer Socke, eines Lochs und einer Pistole.

2000 Kilometer oder 2 857 143 Schritte. Das entspricht in etwa dem Jakobsweg, wenn ich aus Zürich lospilgere. Einmal vom Grossmünster bis nach Santiago de Compostela, dann wäre ich fast am Ziel. Ich wüsste, ob diese Socke hält, was sie verspricht.

Wer bist du, Rywan?

Die Inschrift auf der Verpackung des «No Limit» will mich mit dem ersten Gebot des Marketing bekehren, das da lautet: «Du sollst den Kunden mit Schlagworten und Grafiken erschlagen.»

Mein Blick aber bleibt nur an einem Aufdruck hängen: Der 2000-Kilometer-Garantie. Liebe Franzosen, die ihr diese Socken erdacht, liebe Italiener, die ihr sie gemacht habt: Hä? Ich habe Fragen.

Meint ihr das ernst?

Wie soll das funktionieren? Muss ich jede Wanderung tracken und eine Excel-Liste führen? Die Laufleistung notieren und beim Wiederverkauf* angeben? Muss ich Schuhe tragen oder darf ich ihn zwischendurch auf Kieswegen steinigen?

Rywan hat es in meinen Kopf geschafft. Während ich erfolglos versuche, ein Loch in die Socken zu wandern, kann ich nur feststellen, dass sie bequem sind. An neuralgischen Stellen verstärkt, ansonsten sehr luftig. Sie passen prima zu meinen sehr luftigen Wanderschuhen.

Ist das ein Zeichen?

Ich reibe mich auf, Rywan zeigt keine Aneichen von Materialermüdung. Keine Scheuerstelle. Nichts. Gerne würde ich weiter, immer weiter laufen. Eins werden mit den Socken und davon erzählen. Was könnte ich unterwegs nicht alles lernen.

Vielleicht, dass das Wort «Socke» vom lateinischen «soccus» stammt und einen Schlupfschuh bezeichnete, den Schauspieler der Komödie zur Hausbekleidung trugen. Vielleicht, dass der kleinste Kirchsprengel in Schweden und Finnland Socken heisst. Komödie, Schauspieler, Kirche – kann das Zufall sein? Oder ist es ein Zeichen, Rywan?

Ein Zeichen sendet mir Rywan sehr deutlich: Die Zeit, mir das Loch im Socken ehrlich zu verdienen, habe ich nicht. Auf den Prüfstand mit dem «No Limit». Ich will herausfinden, zu welchen Wundern diese Fussbekleidung wirklich fähig ist. Rettung verspricht – wie in jeder guten Geschichte – eine Massagepistole.

Warum hat der «No Limit» ein Limit?

Während der Schuh unter meinem Tisch losrattert, bestätige ich, dass ich kein Roboter bin, denn ich will den Kundendienst von Rywan fragen, wie das mit der Garantie gehandhabt wird. Muss ich beweisen, was mit meinen Socken passiert ist? Ausserdem frage ich mich, warum die Socke «No Limit» heisst, wenn die Garantie auf 2000 Kilometer oder zwei Jahre limitiert ist. Aber das frage ich Rywan nicht, das wäre kleinlich.

Exakt eine Stunde, neun Minuten und vierzig Sekunden später bin ich auch nicht schlauer. Es herrscht Ruhe, der Akku der Backgym ist leer. Und die Socke ist heiss gelaufen. Nach gerade einmal 236 844 simulierten Schritten finde ich zwei Löcher darin.

Entweder belastet ein Backgym-Schlag das Material mindestens zwölfmal stärker als ein normaler Schritt, was ich durchaus für möglich halte. Oder es handelt sich doch nur um normalsterbliche Socken. Es bleibt eine Glaubensfrage. Wobei die Antwort schlussendlich egal ist, denn wenig später habe ich eine schöne Nachricht von Rywan in der Mailbox.

Regarding the 2000 km / 2 years warranty, you have nothing to prove, we will trust you if a hole occurs in the heel or the toe.
Rywan Kundenservice
*Schöner «No Limit» in staubgrau mit leichten Gebrauchsspuren günstig abzugeben. Nur 58 Kilometer gelaufen. Bei Interesse in meinem Profil auf «Autor folgen» klicken.

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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