
Ratgeber
Mikroplastik: So reduzierst du den «unsichtbaren» Feind
von Vanessa Kim
Die Textilbranche ist dreckig. Pro Jahr verunreinigen Kleiderfabriken mehrere Millionen Liter Wasser mit Chemikalien. Mit einem nachhaltigen Einkaufsverhalten leistest du einen wichtigen Beitrag gegen diese Verschmutzung.
Dass ich während des Zähneputzens den Wasserhahn zudrehe, versteht sich von selbst. Auch, dass ich meine morgendliche Dusche nicht künstlich in die Länge ziehe. Wasser ist ein kostbares Gut, das nicht überall selbstverständlich ist. Nur, weil du hierzulande in der komfortablen Lage bist, jederzeit darauf zurückgreifen zu können, heisst das noch lange nicht, dass du musst. Oft sind es die kleinen Dinge, die den Unterschied machen – jedoch nicht immer die offensichtlichen. Hast du schon mal daran gedacht, auch beim Kleiderkauf deinen Wasserverbrauch im Blick zu haben?
Die indirekte Wassernutzung wird als virtuelles Wasser bezeichnet. Damit ist die Wassermenge gemeint, die für die Herstellung eines Produkts nötig ist. Rechnest du die direkte und indirekte Wassernutzung zusammen, kommt die Schweiz auf 4000 Liter pro Kopf und Tag. Als Fashion Editor mit einer Schwäche für schöne Klamotten muss ich mich selbst an der Nase nehmen. Doch ich stehe nicht alleine da.
Schweizer*innen besitzen im Schnitt 118 Kleidungsstücke. Während pro Jahr rund 60 neue Sachen dazukommen, werden circa 6,3 Kilogramm Textilien entsorgt. Kein Wunder, denn Kleidungsstücke kosten heute kaum noch was. Dass für die Produktion eines simplen Baumwollshirts rund 2500 Liter Wasser draufgegangen sind, ist scheinbar bedeutungslos. Bei einer Jeanshose sind es gar 8000 Liter.
Zugegeben, du bist nur indirekt dafür verantwortlich, dass die Textilindustrie pro Jahr rund 1,9 Milliarden Liter Trinkwasser schluckt. Als Konsument*in ist es jedoch deine Pflicht, zu handeln. Denn nur mit einem nachhaltigen Kaufverhalten kannst du deinen virtuellen Wasserfussabdruck reduzieren.
Obwohl herkömmliche Baumwolle zu 100 Prozent biologisch abbaubar ist, ist sie aufgrund ihres hohen Wasserverbrauchs in Verruf geraten: Pro Kilogramm werden 11 000 Liter benötigt. Hinzu kommt der Einsatz von Pestiziden, um die Pflanze beim Anbau vor allfälligem Schädlingsbefall zu schützen.
Die teurere Alternative ist die Bio-Variante, für die unbehandeltes Saatgut zum Einsatz kommt. Ausserdem wird sie auf einer dickeren Humusschicht angesät, die Wasser besser speichert. Auf diese Weise sollen beim Anbau rund 40 Prozent eingespart werden. Um die Pflanze möglichst schädlingsresistent zu machen, wird sie in Mischkulturen angebaut. So können die Bauern beim Anbau auf den Einsatz von Chemikalien verzichten, die das Grundwasser verschmutzen würden.
Bei meiner Kleiderwahl mache ich einen grossen Bogen um Polyester. Nicht nur, weil die Kunstfaser in den vergangenen Jahren zum Symbol für Fast Fashion geworden ist, sondern auch, weil ich darin tierisch schwitze. Das verwundert nicht, da Kunstfasern kaum Wasser aufnehmen. Wo wir schon beim dritten Problem wären: Nach einmal Tragen landet das verschwitzte Teil bereits in der Wäsche. Dort setzt es Unmengen an Mikroplastik frei. Gemäss WWF kommen pro Waschgang à sechs Kilogramm rund 700 000 Mikropartikel zusammen, die ins Abwasser gespült werden.
Doch nicht nur beim Waschen selbst, sondern auch bei der Herstellung von Polyester – der übrigens aus Erdöl gewonnen wird –, gelangen giftige Chemikalien in die Umwelt.
Nebst Jeanshosen, die in der Modebranche echte Schwerenöter sind, schneidet auch Leder schlecht ab. Ein Paar Lederschuhe benötigen etwa gleich viel Wasser wie eine Denim. Pro Kilogramm kommen rund 16 6000 Liter zusammen. Die hohe Menge ist auf die Haltung von Rindern und Co. zurückzuführen.
Hinzu kommt die Tatsache, dass die toten Tierhäute bei der Weiterverarbeitung in der Gerberei mit Chemikalien wie Chromsalze haltbar und widerstandsfähig gemacht werden. Überlege dir also gut, wenn du dir das nächste Mal ein zweites Paar schwarze Stiefel oder eine Lederjacke kaufst. Tut es nicht auch ein Modell aus Kunstleder? Klar, Lederimitate werden aus Erdöl gewonnen. Der Wasserverbrauch ist jedoch deutlich geringer. In deinen Augen dennoch ein No-Go? Dann probiere diese nachhaltigen Alternativen aus:
Nein, bei dieser Jeans handelt es sich nicht um das neueste Trendmodell, sondern um eine nachhaltige Technologie, bei der der Wasserverbrauch stark reduziert wird. Im Fall der Marke Levi’s ist das eine Alternative zum herkömmlichen Veredelungsprozess einer Denim. Hierfür werden nicht nur Unmengen an Wasser benötigt, sondern auch verschmutzt. Damit der Jeansstoff seiner «Waterless Jeans» weich wird, verwendet der Brand nicht Wasser und Weichspüler, sondern Golfbälle und Kronkorken. Falls das Ganze für deinen Geschmack zu sehr nach Greenwashing klingt, rate ich dir direkt zu einer Öko-Jeans von zertifizierten Marken wie Nudie Jeans oder Mud Jeans.
Memo an mich: Spontaneinkäufe kommen mir nicht mehr in die Tüte. Ich werde mir künftig zweimal überlegen, ob ich wirklich ein drittes Paar Lederstiefel benötige und das Etikett genau studieren, bevor ich mir ein neues Shirt zulege. Ich will meinen Verstand ab sofort nicht nur beim Zähneputzen und Duschen, sondern auch beim Einkaufen, einschalten.
Wenn ich mal nicht als Open-Water-Diver unter Wasser bin, dann tauche ich in die Welt der Fashion ein. Auf den Strassen von Paris, Mailand und New York halte ich nach den neuesten Trends Ausschau und zeige dir, wie du sie fernab vom Modezirkus alltagstauglich umsetzt.