
Produkttest
Meine Sport-Kopfhörer – die Attraktion im OP-Saal
von Patrick Bardelli
Muskelschwund nach einer Sportverletzung ist zum Kotzen. Da hast du dich monatelang im Gym gequält und in wenigen Wochen ist alles weg. Was denkt sich der Körper nur dabei?
Dein Körper ist eine gut funktionierende Maschine. Wird ein Teil nicht gebraucht, fährt er dort die Energie auf ein Minimum zurück. Und zwar ruckzuck. Notstromversorgung sozusagen. Mein linker Arm kann ein Lied davon singen. Warum tut mir mein Körper das an? «Weil er clever ist», lautet die Antwort des Ergotherapeuten. Ich bin in Behandlung, nachdem ich mir beim Skifahren den linken Mittelhandknochen gebrochen habe, mit anschliessender Operation:
Die OP liegt nun gut einen Monat zurück. Seither konnte ich nicht mehr richtig trainieren. Und wenn ich heute in den Spiegel schaue, bekomme ich Schreikrämpfe. Die Muskelatrophie schlägt zu. Darunter ist die von blossem Auge sichtbare Umfangsabnahme eines Skelettmuskels zu verstehen. Ich sitze beim Ergotherapeuten und jammere ihm die Ohren voll. Er hört sich mein Wehklagen über den Muskelschwund an und fragt: «Hast du gewusst, dass der Muskelverlust rund sechsmal schneller vonstatten geht als der Muskelaufbau?» Nein, das habe ich nicht gewusst. Bis heute.
Und warum zur Hölle ist es nicht umgekehrt? «Tja, schön wärs. Und dennoch ist es sehr clever, was dein Körper da gerade macht», fährt Michael, der Ergotherapeut, fort. Ich bin überrascht und will mehr wissen. «Warum soll dein Organismus Energie für ein Körperteil aufwenden, das aktuell nur sehr reduziert in Gebrauch ist? Das wäre eine Verschwendung der Ressourcen. Darum wird die Energiezufuhr auf ein Minimum zurückgefahren.» Ja, das macht Sinn. Ich drehe die Heizung im Gästezimmer schliesslich nur auf, wenn Besuch da ist. Ansonsten läuft sie auf Sparflamme. Und das Licht bleibt aus.
Wir haben die Körper von Jägern und Sammlern. Die Steinzeit steckt uns quasi in den Knochen. Ich stelle mir vor, wie unsere Vorfahren vor 100 000 Jahren durch die Pampa ziehen. Nahrung ist Mangelware und muss entweder gejagt oder gesammelt werden. Jeden Tag aufs Neue. Ressourcenverschwendung? Eine ganz schlechte Idee: Jede Kalorie will optimal genutzt sein, sonst machst du es in der Wildnis nicht lange. Jetzt verstehe ich, was sich mein Körper dabei denkt. In der Steinzeit ist diese «Sparmassnahme» überlebenswichtig. Aber heute? Die Evolution hält nicht mit der Zivilisation Schritt.
Warum tut mir mein Körper das an und lässt die Muskeln schwinden? Weil er noch nicht im Jahr 2019 angekommen ist. Sein Ressourcen-Management war vor 100 000 Jahren sehr clever und hat zum Überleben in der Wildnis beigetragen. Heute macht es meinen Arm dünn und meinen Bauch dick. Umgekehrt wäre besser.
Die Zeit des Wehklagens ist vorbei, genug geredet. Ab jetzt wird wieder trainiert, gebrochene Hand hin oder her. Schmerz ist schliesslich nur Schwäche, die den Körper verlässt. Bleiweste an und ab ins Gym. Folge mir hier und du bist hautnah dabei.
Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.