
Hintergrund
Warum du bald mehr Produkte von Galaxus im Shop findest
von Martin Jungfer
Auf sechs Stockwerken gibt es bei der Mu Group im chinesischen Ningbo alles, was das Herz begehrt. Kaufen kann ich hier als «normaler» Kunde aber nichts. Der Showroom ist nur für potentielle Händler und Businesspartner.
Bruce Guo passt so gar nicht ins Bild der Chefs, die wir bisher auf unserer Chinareise getroffen haben. Das waren Chinesen im Anzug, die uns in ihren Büros an tiefen Tischen aus dunklem Holz zu Tee und Früchten empfangen haben. Meistens stand ein schwerer Aschenbecher bereit, und uns wurden Zigaretten aus edlen, rot-goldenen Packungen angeboten. Wir, das ist ein Team von Galaxus, das in China nach möglichen Partnerschaften sucht.
Bruce dagegen empfängt uns in einem Meeting Room, wie er bei jedem Startup in Berlin, Zürich oder im Silicon Valley stehen könnte. Knallige Farben, ein schlichter Tisch. Statt Tee und Aschenbecher stehen hier Wasserflaschen und Kaffee von Starbucks bereit. Der Chef trägt ein Polo mit dem eingestickten Logo seiner Firma.
Und er kommt schnell auf den Punkt: «Wir können euch alles liefern. Die Frage ist, ob wir die gleiche Strategie verfolgen …». In perfektem Englisch spricht er von Lieferketten, Mindestbestellmengen und Vertriebspartnern. Er klickt im Schnelldurchlauf durch eine Powerpoint-Präsentation. Fast zwei Milliarden Dollar Umsatz. 10 000 Lieferanten. 3 700 Mitarbeitende. Aber was genau macht denn MU Group?
Die Firma von Bruce Guo vermittelt zwischen Marken und Fabriken. Interessierte Firmen können ihre Waren über die MU Group Kunden auf der ganzen Welt anbieten. Nicht direkt, wie das beim Dropshipping der Fall wäre, sondern in grösseren Mengen. Das können einerseits Firmenkunden sein, wie wir das sind. Wenn wir zum Beispiel eine Galaxus-Vierkantreibe anbieten wollen, hat Bruce dafür bestimmt ein Dutzend Lieferanten, die ein solches Produkt im Portfolio haben. Auf der anderen Seite vertreibt die Mu Group auch direkt Produkte auf Plattformen wie Amazon. Wir sprechen hier von hunderttausenden möglichen Produkten zwischen Yogamatte, Bastkorb, WC-Bürste, Schneidebrett oder Gartenschlauch.
Und hier kommt die grosse Diskrepanz: Wir wollen als Digitec Galaxus mit Produkten, die unsere Marke tragen dürfen, so viel wie möglich selbst entscheiden. Das würde bei einer Vierkantreibe heissen: eigene Verpackung, von uns definierte Qualität, eigenes Design mit Galaxus-Aufschrift. Und dann wollen wir auch noch eine kleine Mindestmenge von ein paar hundert Stück, damit wir im Zweifelsfall nicht darauf sitzen bleiben.
Die Mu Group dagegen denkt grösser, will möglichst viele Waren verkaufen. Wir müssten auf eigenes Risiko containerweise Produkte an Lager nehmen. Hätten wir uns in Zürich getäuscht, den Nerv der Kundschaft nicht getroffen, dann verkaufen sie sich nicht – und wir bleiben auf einem Berg unverkäuflicher Ware sitzen.
Bruco Guo will trotzdem mit uns ins Geschäft kommen. Wir erklären das Marktplatz-Programm, das es Firmen unter gewissen Bedingungen ermöglicht, direkt am Shop angebunden zu sein. Eine der Bedingungen ist schnelle Lieferung aus einem Lager in Europa. «Wir planen aktuell keine Expansion mit eigenen Lagern in Europa», gibt uns Bruce zu verstehen. Subtext: Wir sind nicht auf euch angewiesen. Galaxus ist ein zu kleiner Fisch.
Alles klar. No Deal.
Wir bekommen zum Abschied ein Geschenk in die Hand gedrückt, einen Tischaufsteller anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Firma und werden von einer freundlichen Dame aus dem gewaltigen Gebäude begleitet.
Eigentlich wollten wir in einem der mehrstöckigen Showrooms eine Videoreportage dazu machen, wie wir das nächste Eigenmarkenprodukt finden. Entstanden ist stattdessen diese weniger seriöse Reportage.
Es kann übrigens gut sein, dass du ein Produkt aus dem Video (oder zumindest ein sehr ähnliches) auch bei uns im Shop findest. Denn viele Marken kaufen in solchen Showrooms ein, holen sich die Ware nach Europa und bieten sie dann auf eigene Rechnung an. Wir haben im Showroom teilweise Waren entdeckt, die schon mit dem Etikett eines grossen schwedischen Möbelhauses oder einer grossen Japanischen Kette beschriftet waren.
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.