
Hintergrund
Zu Besuch beim Hersteller der Digitec-Charger
von Simon Balissat
Ich war einkaufen: Einmal habe ich Produkte bei einer chinesischen Plattform bestellt, einmal bei Galaxus. Die Teile sehen sich teils verblüffend ähnlich. Findet Redaktor und China-Ware-Experte Simon trotzdem Unterschiede?
Durch das Video alleine wird sich niemand überzeugen lassen, weniger bei Temu und Co. einzukaufen. Ich will niemanden erziehen. Aber auf- und erklären. Wie unterscheiden sich die Produkte, die Händler über Temu und Co. verkaufen, von denen, die du bei Galaxus bekommst? Unterscheiden sie sich überhaupt? Warum sehen die Produkte oft sehr ähnlich aus? Wie wählt Galaxus Händler aus?
Es gibt über acht Millionen Produkte bei Galaxus, Tendenz steigend. Andere Plattformen, zum Beispiel solche aus dem Fernen Osten, haben eine noch grössere Auswahl. Wer sich nur etwas Mühe gibt, findet schnell vermeintliche Produktzwillinge. Also etwas, was bei Galaxus im Shop genauso aussieht wie zum Beispiel bei Temu, zumindest auf den Produktfotos.
Auch die Community schaut immer wieder genau hin. Kürzlich hat Editor Luca eine Schutzfolie für sein Smartphone getestet. In den Kommentaren unter dem Beitrag waren sich manche Usern schnell einig: Der Hersteller verlangt für sein Produkt zu viel Geld.
Gibt's auf den chinesischen Plattformen schon lange zu einem Bruchteil des Preises.
Das ist zumindest eine klare Meinung. Aber stimmt die Aussage auch? Sind die Produkte, die es bei Galaxus gibt, die gleichen, die man sich direkt aus China bestellen kann?
Um das herauszufinden, habe ich mich durch unseren Shop geklickt und acht Produkte für den Haushalt bestellt. Es sind Artikel, die vergleichsweise günstig sind und häufig gekauft werden. Auf einer China-Plattform habe ich die Produkte gesucht, die auf den ersten Blick, gemäss Produktfotos und -beschreibung oder Abmessungen gleich oder zumindest sehr ähnlich scheinen.
Simon ist in der Redaktion derjenige, der sich zum einen mit Dingen des praktischen Alltags sehr gut auskennt. Zum anderen war er vor ein paar Monaten Teil einer Galaxus-Delegation, die sich in China mit potenziellen und tatsächlichen Herstellern von Eigenmarken-Produkten ausgetauscht hat.
Genügt seine Expertise, um im Blindtest zu erkennen, welche Produkte direkt aus China importiert sind und welche ich bei Galaxus im Shop gefunden habe? Simon bekommt die Augen nicht verbunden. Er darf die Produkte befühlen, an ihnen riechen und sie genau inspizieren.
Wie du im Video siehst, ist Simons Trefferquote ordentlich, jedoch nicht überragend. Zweimal hat er sich in die Irre führen lassen. Meistens aber hat der Qualitätsunterschied das billige Produkt enttarnt, zum Beispiel durch dünneres Material oder schlechtere Verarbeitung.
Manche Produkte wie zum Beispiel das Katzenspielzeug sind trotzdem kaum zu unterscheiden. Hier könnte es gut sein, dass das Produkt bei Galaxus im Shop – zum Preis von 15 Franken – aus der gleichen Fabrik kommt wie jenes, das ein Händler auf Temu anbietet. Für einen Bruchteil des Preises.
Es gibt wahrscheinlich Firmen, die bei einem Hersteller in China ein Produkt aus dessen Katalog für Businesskunden bestellen, es nach Europa importieren und als ihr eigenes verkaufen – in eigener Verpackung. Denn die für China-Produkte typischen raschelnden Plastiktütchen stehen nicht unbedingt für Qualität. Viel wichtiger ist aber, dass die Firma überprüft, ob die in der EU und der Schweiz gültigen Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Wenn sie diese Prüfung machen, rettet dich das im Zweifel davor, dass dir wegen eines durchgebrannten Ladesteckers das Haus abbrennt. Und du hast den Vorteil, dass in der Schweiz eingelagerte Produkte schneller bei dir sind, und dass der Transport ökologischer ist.
Diesen Weg gehen tendenziell eher kleinere Firmen. Sie suchen sich also einen sogenannten Original Equipment Manufacturer (OEM), der das Produkt herstellt, und verkaufen es dann unter ihrem Namen weiter.
Etablierte Marken kümmern sich häufig stärker um Exklusivität. Sie wollen verhindern, dass es ihr Produkt als vermeintliche 1:1-Kopie viel günstiger gibt und regeln mit den Fabrikanten in China vertraglich, dass Design, Material und Funktion geschützt sind. So soll verhindert werden, dass die Fabrik das Produkt auch für einen Konkurrenten vom Band laufen lässt. Je grösser die Mengen sind, die eine Marke produzieren lässt, desto mehr Verhandlungsmacht hat sie.
Bei Galaxus findest du keine Anbieter, die günstig hergestellte Kopien von bekannten Produkten direkt ab Fabrik verkaufen. Gegen das sogenannte Dropshipping gibt es eine Reihe von Sicherheitsmassnahmen. Vor allem aber ist es eine Grundsatzentscheidung, die Galaxus getroffen hat: Anders als andere Shops und Plattformen bieten wir einen «selektiven Marktplatz». Was das bedeutet, erklärt Claudio Mohr, der als Head of Portfolio Development Platform für das Thema zuständig ist.
Bei uns kann nicht jeder einfach eigenständig seine Produkte erfassen und über unseren Onlineshop verkaufen. Jeder neue Partner wird von einem Portfolio Manager, einem echten Menschen, geprüft.
Erst nach mehreren persönlichen Gesprächen und einer Überprüfung des Sortiments des potenziellen neuen Partners gibt es grünes Licht. Überprüft wird zudem die logistische Fähigkeit des Partners, also die Verfügbarkeit der Ware ab einem Lager in Europa. Erst dann gibt es die Unterschrift unter eine Vereinbarung und Zugang zu Galaxus.
Weil das aufwändig ist, ist die Zahl der Partner auf Galaxus auch deutlich tiefer als auf grossen europäischen Plattformen, die Anbieter automatisiert und weniger streng oder auch gar nicht überprüfen. Dort sind teils Zehntausende Partner aktiv, bei den Big Playern sogar noch mehr.
Eine deutlich kleinere Zahl von Partnern hat Vorteile. So ist es möglich, dass diese nach dem Livegang betreut und auch kontrolliert werden können. «Die ganz grosse Mehrheit der Firmen, die an einer Zusammenarbeit interessiert sind und sich proaktiv bei uns melden, lehnen wir ab, oft aufgrund von qualitativen Bedenken», erklärt Claudio.
Und falls trotz Kuratierung doch mal qualitativ minderwertige Ware den Weg in unseren Shop findet? Dann könnte es theoretisch passieren, dass du etwas kaufst, was dich enttäuscht. Klar, dass wir als Galaxus das nicht wollen.
Du sollst als Kundin oder als Kunde möglichst schnell die Information haben, die dich vor einem Fehlkauf bewahrt. Hier spielen diverse Transparenz-Features ihre Stärken aus: Rückgabe- und Garantiefallquoten und Kundenbewertungen. Basierend auf solchen Datenpunkten sucht auch das zuständige Galaxus-Team dann das Gespräch mit dem Partner. Ziel sei es, dass er seine Sortimentsgestaltung optimiert. Es passiere auch, dass Produkte oder Partner vollständig offline genommen werden.
Die Herausforderung für Claudio und sein Team ist, Lücken im Sortiment zu schliessen und die Qualität der angebotenen Produkte sicherzustellen. Im tiefpreisigen Sortiment vergleichen manche Kundinnen und Kunden die Preise womöglich mit denen von Temu und ähnlichen Shops.
Dass diese bei Galaxus tendenziell teurer sind, ist nachvollziehbar, sagt Claudio. Qualitätskontrollen, Lager in der Schweiz und in Deutschland, Arbeiterinnen und Arbeiter, die das zu fairen Löhnen verpacken – all das kostet Geld. Wer will, kann auf China-Plattformen auch Waren direkt einkaufen. Dann, so erklärt Claudio, ist man aber quasi als Privatperson, die dort bestellt, selbst Importeur und für die Qualitätskontrolle und Konformität der Produkte verantwortlich, trägt also jedes Risiko alleine.
Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln.
Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.
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