Hightech aus der Schweiz oder wie aus Schweisshelmen Sportbrillen wurden
Hintergrund

Hightech aus der Schweiz oder wie aus Schweisshelmen Sportbrillen wurden

In Wattwil entstehen Hightech-Sportbrillen «Made in Switzerland». In den Produkten von React stecken jede Menge Handarbeit und fast 40 Jahre Know-how aus der Schweissindustrie.

Kaiserwetter unweit der Churfirsten. Die Sonne strahlt mit sich selbst um die Wette. Perfekte Bedingungen für meinen Besuch bei der Optrel Sports AG. Unter dem Markennamen «React» produziert das Unternehmen in Wattwil Sportbrillen für Sommer und Winter. Von den Vorzügen des Modells «Optray» durfte ich mich bereits überzeugen, nun ist es Zeit für einen Besuch in der Ostschweiz.

  • Produkttest

    Ziemlich teuer und (leider) ziemlich gut: die Sportbrillen von React

    von Patrick Bardelli

Fast 40 Jahre Erfahrung in der Industrie

Mitte der 1980er-Jahre entwickelte Optrel, die Muttergesellschaft von React, einen automatisch abdunkelnden Schweisshelm auf der Grundlage der Flüssigkristalltechnologie. Inzwischen ist das Unternehmen ein führender Anbieter von Sicherheitsprodukten für Gesichts-, Kopf- und Atemschutz. Am Hauptsitz in Wattwil beschäftigt Optrel rund 80 Mitarbeitende. Zwei davon sind Geschäftsführer Marco Koch und Chief Sales Officer Konstantin Roth, die mir die Produktion ihrer Sportbrillen zeigen.

Marco Koch links und Konstantin Roth rechts führen mich durch den Betrieb in Wattwil.
Marco Koch links und Konstantin Roth rechts führen mich durch den Betrieb in Wattwil.
Quelle: Christian Walker

Liquid Crystal Displays (LCD) im Schweisshelm

Hatten die ersten Modelle noch ein kleines Sichtfenster, durch das der Schweisser einen Tunnelblick auf seine Arbeit hatte, entwickelte Optrel als nächsten Evolutionsschritt einen Helm mit einem Ausschnitt für die Nase. Gemäss Marco Koch brauchte es einiges an Überzeugungsarbeit bei den Partnerfirmen, um diesen Nasenausschnitt und das damit einhergehende grössere Sichtfeld möglich zu machen. «Geht nicht, gibt's nicht bei uns. Das ist quasi unsere Unternehmens-DNA», meint Konstantin Roth mit einem Lächeln.

Anschliessend wollten die Ostschweizer ein gebogenes Display für Schweisshelme auf den Markt bringen. Die Königsklasse sozusagen. Vor rund zehn Jahren wurde in Japan schliesslich auch ein Partner gefunden. Gemeinsam entwickelten sie den Prototypen eines gebogenen Kunststoff-Displays. Allerdings müsste ein solches Display bis auf Schutzstufe 13 abdunkeln, da der Schweissbogen extrem hell ist. Zum Vergleich: Die Optray-Modelle von React gehen bis zur Schutzstufe vier. Damit sind sie auch für den Einsatz auf Gletschern und im Hochgebirge geeignet.

Der Tunnelblick durch einen der ersten Optrel Schweisshelme mit Flüssigkristalldisplay.
Der Tunnelblick durch einen der ersten Optrel Schweisshelme mit Flüssigkristalldisplay.
Quelle: Christian Walker

Liquid Crystal Displays in der Sportbrille

Was tun mit einer Technologie, die den höchsten Anforderungen an einen Schweisshelm nicht ganz genügt, aber das Potenzial hat, den Sportbereich aufzumischen? Eben genau das. «Blendschutz ist unsere Kernkompetenz», sagt Marco Koch dazu. Also lag es auf der Hand, die Pläne für das gebogene Display nicht einfach in der Schublade verschwinden zu lassen, sondern in einer Sportbrille für Sommer und Winter einzusetzen. Gesagt, getan.

Und natürlich ist die Idee vom gebogenen, leichten Display für den Schweisshelm, das sich auf Schutzstufe 13 abdunkeln lässt, noch lange nicht vom Tisch. Marco Koch und Konstantin Roth erhoffen sich von der Weiterentwicklung dieser Technologie im Consumer-Bereich wichtige Inputs für den Industrie-Sektor, sodass die «Königsklasse» doch eines Tages Realität wird. Denn: Geht nicht, gibt's nicht bei Optrel. Das ist aber noch Zukunftsmusik, im Hier und Jetzt besichtige ich die Produktion der Sportbrillen.

Auf geht's in den staubfreien Produktionsbereich.
Auf geht's in den staubfreien Produktionsbereich.
Quelle: Christian Walker

Hochkonzentrierte Handarbeit für eine React Optray

In einem ersten Schritt verbindet eine Mitarbeiterin die von einem Optrel-Partner vorgefertigte Polycarbonatscheibe mit dem Flüssigkristalldisplay. Dies erfolgt unter 130 Hpa Absolutdruck, was einer Höhe von knapp 15 000 Metern über dem Meer entspricht. Man könnte mit dieser Brille also theoretisch knapp zweimal die Höhe des Mount Everest besteigen. Anschliessend folgt die Sicherheitsprüfung der Verbindung auf Verunreinigungen, Staubeinschlüsse und ähnliche Mängel.

Von Wattwil auf den Mount Everest? Mit Optray von React ist das kein Problem.
Von Wattwil auf den Mount Everest? Mit Optray von React ist das kein Problem.
Quelle: Christian Walker
Der erste Arbeitsschritt ist getan.
Der erste Arbeitsschritt ist getan.
Quelle: Christian Walker

In einem nächsten Schritt gleicht ein Mitarbeiter die Elektronikbauteile der Brille mit dem LCD ab. Dabei kommt eine künstliche Sonne zum Einsatz, unter der er die Elektronik auf die richtige Helligkeit prüft. Danach werden beide Bauteile, die Elektronik und das LCD miteinander verbunden.

Der linke Zeigefinger deckt die künstliche Sonne ab.
Der linke Zeigefinger deckt die künstliche Sonne ab.
Quelle: Christian Walker

Nun wird die Elektronik wasserdicht vergossen und unter UV-Licht ausgehärtet, ehe die Brille auch noch eine Lasergravierung mit der individuellen Seriennummer bekommt. Über diese lässt sich der gesamte Produktionsablauf nachträglich zurückverfolgen.

Zum Schluss fehlt nur noch die Endprüfung sämtlicher Funktionen sowie die Verpackung und Einlagerung, bevor die Optray in den Versand geht.

In der Endkontrolle prüft ein Mitarbeiter die Optray nochmals auf Herz und Nieren.
In der Endkontrolle prüft ein Mitarbeiter die Optray nochmals auf Herz und Nieren.
Quelle: Christian Walker

Jetzt im Frühling/Frühsommer werden in Wattwil die diversen Optray-Modelle für den Sommer produziert. Im Herbst sind dann die Goggles aus der Sight-2.0-Serie für den Wintersport an der Reihe. Aktuell beträgt der Anteil der React Sportbrillen laut Konstantin Roth am gesamten Konzernumsatz rund 10 Prozent. Bis Ende Jahr will das Unternehmen diesen Wert auf zirka 20 Prozent steigern. Und danach den Fokus neben den Sport- zusätzlich auf Alltagsbrillen legen.

Aber auch die bestehenden Modelle werden stetig weiterentwickelt. Dazu arbeitet ein 18-köpfiges Team aus Ingenieuren in der hauseigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung an der nächsten Generation Hightech-Sportbrillen «Made in Switzerland». Rosige Aussichten, nicht zuletzt für den Produktionsstandort in der Ostschweiz.

Foto: Christian Walker
Foto: Christian Walker
Titelfoto: Christian Walker

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Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.


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