

Etwas zum Valentinstag – mit Produktempfehlungen

Ich muss einen Artikel zum Valentinstag schreiben. Mir fällt aber nichts ein. Also schreibe ich darüber, wie mir nichts einfällt – und packe liebevoll ausgewählte Produkte in den Text.
Manchmal ist es bei uns in der Redaktion wie in mittelalterlichen Schlachten. Da kann der General nicht in Sicherheit vom Hügel aus schauen, ob der Schlachtplan aufgeht. Von Zeit zu Zeit muss er auch an vorderster Front ran. So geht es mir gerade.
Schon seit Tagen liegt Nebel über meinem Gehirn. Mir fällt keine passende Taktik ein, wie einem übermächtigen «Feind» beizukommen ist. In einem Moment der Schwäche habe ich mich in Verhandlungen mit anderen Abteilungen bereit erklärt, einen Artikel zu schreiben. Anlass: der Valentinstag. Dazu musst du wissen, dass Anlass-bezogenes Marketing ein grosses Ding ist für Firmen, die dir etwas verkaufen wollen. Sie gehen nämlich davon aus, dass du sonst nicht weisst, dass du einen Bedarf an ihren tollen Produkten hast.
Muttertag? Die Blumenbranche reibt sich die Hände. Vatertag? Die Rasierapparat-Hersteller machen Kasse. Ostern? Der grosse Tag für Hersteller von Eierfärbemitteln. Black Friday? Okay … du hast das Prinzip verstanden.
Der Valentinstag gehört auch zu den Tagen, die Verkäufer-Reflexe auslösen. In einer Sitzung mit eben diesen haben sie mir wohlfeile Ratschläge gegeben: «Die Breite des Sortiments zeigen», «gute Tipps für Geschenke geben», «ja nicht zu billig und werberisch sein». Kurz habe ich überlegt, mich zu drücken – nein zu sagen oder den Auftrag an einen armen Tropf im Team weiterzureichen. Ich habe es nicht getan, ging davon aus, dass mir schon etwas einfällt.
Tut. Es. Nicht.
Auf meiner Suche nach Inspiration bin ich zunächst auf einer Wikipedia-Seite über einen Valentin hängengeblieben. Ja, Wikipedia ist eh nicht die Quelle schlechthin – doch was tun, wenn du mit einem Bein im Januarloch steckst? Jedenfalls war Valentin von Rätien im fünften Jahrhundert wohl ein Wanderprediger und gilt in der katholischen Lehre als Helfer gegen Epilepsie, Krämpfe, Gicht und Viehseuchen. Wie romantisch.
Doch eigentlich tut das nichts zur Sache, da ein anderer Valentin mit dem Tag verbunden ist, den wir heute feiern: Valentin von Terni, einer Stadt im heutigen Umbrien – die bei Google am besten bewertete Kirche ist mit 4,7 Sternen übrigens die Chiesa di San Salvatore. Sie liegt schräg gegenüber eines Fachgeschäfts für E-Zigaretten. Das Schicksal Valentins von Terni – Enthauptung im Jahr 269 – ist nicht weniger romantisch als das des anderen Valentin. Aber immerhin soll er zu Lebzeiten als frühchristlicher Priester Liebespaare getraut haben. Das aber war in der Zeit der römischen Reichskrise sicher nicht die schlaueste Idee. Denn da gab es heute mal jenen und morgen diesen Kaiser. Der eine fand Christen irgendwie okay und erfrischend, der andere liess sie verfolgen und töten.
Valentins Todesdatum soll der 14. Februar 269 sein. Von Generation zu Generation wird erzählt, dass der gute Valentin seinen Job ziemlich ernst genommen hat. Bis zu seinem gewaltsamen Ableben eben. Den frisch Vermählten habe er auch immer Blumen aus seinem Garten geschenkt. Ein Typ mit grünem Daumen, wie es scheint. Oder mit Verbindungen zum Floristen in Terni.
Und die von ihm geschlossenen Ehen sollen unter einem guten Stern gestanden haben. Ich zitiere hier übrigens noch immer aus Wikipedia. Andere Quellen zu diesen Überlieferungen sind ein rares Gut. Oder ich habe sie mangels Zeit und ausreichender Motivation nicht gefunden.
Zwischen Wikipedia und dem Alten Testament stecke ich in der Sackgasse. Ein Pop-Up von Outlook verspricht einen Ausweg. Betreff: «Valentine's Day Sale – Live now!», Absender: HP Online Store. Drucker?! Als Valentinstagsgeschenk? Der Marketing-Verantwortliche von Hewlett-Packard muss in einer sehr gefestigten Beziehung sein. Wenn ich meiner Frau zum Valentinstag einen neuen Office Jet überreichen würde, könnte ich meine amourösen Ambitionen auch gleich in den Schredder schieben.
Ha, wieder eine passende Gelegenheit, Produkte zu verlinken. Bitte sehr.
In meinem Mail-Ordner sammeln sich interessanterweise inzwischen sehr viele Valentinstags-Nachrichten. Ein Fotobuch-Service empfiehlt mir, Kaffeebecher mit einem romantischen Foto bedrucken zu lassen. Eine Online-Apotheke findet, Trinkampullen für elastischere Haut wären eine gute Idee. Und Apple glaubt, man könnte Airpods verschenken und das Ladecase mit einer Gravur personalisieren. Kurz überprüft: «Falls Du mich mal noisecanceln willst … Kisses» ist als Text zu lang.
In meiner wachsenden Verzweiflung frage ich Alexa um Rat. Sonst taugt das Ding ja gerade mal, um die Einkaufsliste zu bestücken oder einen Timer für die Frühstückseier zu stellen. Ich erwarte nicht viel, als ich sie frage «Alexa, was schenkt man zum Valentinstag?». Sie weiss es nicht. Natürlich. Stattdessen schlägt sie mir vor, ich solle etwas anderes fragen: «Wie lange ist es noch bis zum Valentinstag?». Okay, also «Alexa, wie lange ist es noch bis zum Valentinstag?». Und Alexa antwortet:
In zehn Tagen ist Valentinstag. Und ich übe schon mal das Komplimentemachen. Aufgepasst. Deine Stimme ist so samtig wie das Fell einer frisch gebürsteten Angora-Ziege. Naja, ok, das Komplimentemachen übe ich noch. Frag mich doch morgen wieder.
Sicher nicht, Alexa.
Die Lage ist zunehmend aussichtslos. Das wird nichts mehr mit einem sinnvollen Artikel, der Kaufstimmung zum Valentinstag verbreitet. Den Dolchstoss versetzt mir Instagram. Im Feed wird mir als Geschenk für meine Liebste eine innen wattierte Leggins vorgeschlagen. Sind die denn des Wahnsinns bei Meta? Kein Wunder, stürzt die Aktie des Zuckerberg-Konzerns gerade ab.
Es ist Zeit, die Kapitulation vorzubereiten. Man kann eine Schlacht verlieren und am Ende doch den Krieg gewinnen. Dieses Mal gebe ich mich geschlagen. Die unterhalb des Artikels verlinkten Valentinstag-Tipps beweisen, dass textende Soldatinnen und Soldaten in den vergangenen Jahren bis zum letzten Tropfen Tinte gekämpft haben – sie haben sich die Seele bis zur letzten hohlen Phrase aus dem Leib getippt. Und wofür? Für nichts. Nein, in diesem Jahr ist Schluss damit. Es wird niemand mehr geopfert.
Deshalb abschliessend nur noch eine allerletzte Auswahl an Produkten.
Das Titelfoto zeigt ein plastisches Modell des Kopfes von Valentin, erstellt 2017 auf der Basis der Kopfreliquie in der Kirche San Giorgio in Monselice.

Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln.