Hintergrund

Die Nagel-Alchimistin

Vanessa Kim
20.4.2020
Bilder: Thomas Kunz

Bei unserem Treffen in Paris verrät mir Nail Artist Alex Falba, dass nachhaltige Nagellacke reines Marketing sind und wie wir regelmässige Nagelstudiobesuche vermeiden können.

Paris meint es nicht gut mit uns. Als wir Nail Artist Alex Falba zum Interview treffen, schüttet es aus Kübeln. Die Rahmenbedingungen könnten für Fotograf Thomas Kunz und mich nicht schlechter sein: Ein Shooting im Freien ist aufgrund des Regens keine Option. Ein ruhiges Plätzchen für unser Gespräch ist ebenfalls Fehlanzeige. Neben dem Hotel, in dem wir Alexandra treffen, befindet sich eine Baustelle, auf der ein Presslufthammer in Endlosschleife hämmert. Davon lassen wir uns aber nicht die Stimmung vermiesen. Im Gegenteil: Die gute Laune der quirligen Französin ist ansteckend. Kein Wunder, wer sich seine Jobs als Freelancer in Paris wie Rosinen herauspicken kann, hat es auf dem harten Pflaster geschafft. Dieser Erfolg kommt aber nicht von ungefähr. Die kurzhaarige Brünette betont in unserem Gespräch immer wieder, dass sie in der Vergangenheit immer wieder die Extrameile gegangen ist. Dieses Extra unterscheidet sie von anderen Maniküristen.

Warum bezeichnest du dich als «The Nail Alchemist»?
Alexa Falba, Nail Artist: Weil ich eigentlich eine Ingenieurin bin. Ich habe mich erst nach meinem Studium und einem Job als Konsultant bei einem Weinhändler weitergebildet. Mein Wissen gibt mir einen anderen Blickpunkt auf die Beautybranche. Bei mir geht es nicht bloss um das Verschönern von Nägeln, sondern auch um die Inhaltsstoffe. Darum wähle ich die Kosmetikprodukte, die ich verwende, mit Bedacht aus.

Gab es einen Schlüsselmoment für diesen Richtungswechsel?
Ja, ich war wütend (lacht). Sehr wütend. Mein Job als Beraterin machte mich nicht glücklich. Darum belohnte ich mich mit regelmässigen Nagelstudiobesuchen. Das Resultat war nur mässig zufriedenstellend. Aus Mangel an Alternativen – damals lebte ich noch nicht in Paris, sondern in einem französischen Kaff –, musste eine Lösung her. Ich wollte dem Nail Salon keinen weiteren Cent in den Rachen werfen. Darum recherchierte ich kurzerhand nach Ausbildungsorten. Leider gab es keine Schule in Frankreich, die sich auf Nail Art beschränkte. Im Gegenteil: Es gab nur Kosmetikschulen, bei denen Nail Art ein Teil der Ausbildung war. Wenn’s hoch kam, beschäftigen sich die Studenten dort vier Schulstunden damit. Kein Wunder, dass die Maniküristin so schlecht war. Sie hatte keine Chance.

Bevor sie ihr Nail Studio eröffnete, durfte sich Alex Falba probeweise sechs Monate in einem Friseursalon einmieten.
Bevor sie ihr Nail Studio eröffnete, durfte sich Alex Falba probeweise sechs Monate in einem Friseursalon einmieten.

Wie ging es weiter?
Von da an übte ich im Selbststudium konstant an meinen Skills. Es kam öfters vor, dass mich mein damaliger Freund um drei Uhr in der Früh im Wohnzimmer vorfand, wo ich mir die Nägel lackierte. Mein Glück war, dass vor 15 Jahren Chats aufgekommen sind. Dort konnte ich mich mit Gleichgesinnten austauschen. Zusätzlich ging ich ins Ausland, um professionellen Nail Artists über die Schulter zu schauen. Als ich nach etwa einem Jahr harter Arbeit die ersten Komplimente für meine Hände bekam, wagte ich den Sprung ins kalte Wasser und eröffnete ein Nagelstudio.

Gibt es diesen Salon noch?
Nein, nach drei Jahren war Schluss. Ich wollte nach Paris. Ich verkaufte meinen Laden und machte mich ohne Plan auf den Weg. Per Zufall traf ich in der Modemetropole auf den französischen Distributor von OPI. Er bot mir eine Stelle als Sales Agent mit Ausblick auf einen Education-Manager-Posten an. Ich willigte sofort ein. Da ich noch nie im Modebusiness tätig war, machte ich mich sechs Jahre später selbständig und begann einen Job als Session-Maniküristin für Kampagnen, Mode- und Beautystrecken sowie Fashion Shows für Marken wie unter anderem Hermès.

Auch auf Instagram aktiv: Alex Falba arbeitet nicht nur für Kampagnen und Fotostrecken,...
Auch auf Instagram aktiv: Alex Falba arbeitet nicht nur für Kampagnen und Fotostrecken,...
...sondern auch backstage an der Fashion Week. Bilder: Instagram-Account @alexfalba
...sondern auch backstage an der Fashion Week. Bilder: Instagram-Account @alexfalba

Du bist ein Tausendsassa – gibt es etwas, dass du noch nicht gemacht hast?
Ja, eine eigene Nagellacklinie. Diese habe ich bisher nur für andere Marken entwickelt. Wenn ein Brand von meinem Know-how profitieren will, gleise ich für ihn alles von A bis Z auf.

Träumst du denn davon?
Nein, das wäre fatal. Zu Beginn musst du viel investieren. Danach sitzt du auf deinen Produkten und musst sie wieder loswerden. Hinzu kommen ein Lager und viele Mitarbeiter, die du bezahlen musst. Für mein Ego benötige ich zum Glück keine eigene Linie. Im Gegenteil: Ich bin lieber kreativ tätig und tue das, was ich gerne mache.

Wie schwer ist es, schöne Hände zu finden?
Es ist eine Krux: In Paris gibt es so viele schöne Menschen und Models. Die wenigsten haben aber schöne Hände. Meine Definition von schön sind endlos lange Finger, bei denen die Proportionen stimmen. Ein Mensch unter 1000 hat solche Hände. Eine Fotografie verzeiht keinen Makel. Auch wenn er noch so klein ist. Selbst eine winzige Narbe oder Falten stechen auf einer Grossaufnahme sofort ins Auge. Ausserdem sind schöne Hände relativ. Für eine HP-Drucker-Kampagne brauche ich nicht dieselben Hände, wie für ein Beauty- oder Schmuck-Shooting.

Hast du einen Beauty-Tipp, den du mit unserer Community teilen willst?
Creme deine Hände so oft es geht ein. Dieser Tipp ist nicht neu, aber effektiv. Achte darauf, dass du eine Feuchtigkeitscreme ohne Silikon verwendest. Silikon fühlt sich zwar gut auf der Haut an, hat aber keinerlei pflegende Benefits. Vernachlässige ausserdem deine Nagelhaut nicht: Hierfür empfehle ich dir die nährende Abricot-Linie von Dior. Eine reichhaltige Nagelcreme nützt wahre Wunder. Wenn du sie jeden Abend vor dem Schlafengehen aufträgst, sparst du dir den regelmässigen Gang ins Nagelstudio.

«Models gibt's in Paris wie Sand am Meer. Schöne Hände haben aber die wenigsten.»
«Models gibt's in Paris wie Sand am Meer. Schöne Hände haben aber die wenigsten.»

Gibt es ein No-Go?
Mir fällt immer wieder auf, dass Frauen ihre Nägel mit einer falschen Feile formen. Viele benutzen ein Modell mit einer starken Körnung. Je höher ihr Wert, desto niedriger ist die Schleifwirkung. Eine grobe Metallfeile macht deine Nägel langfristig brüchig. Mit einem «feinen Modell» à 600 Körnung machst du hingegen alles richtig. Dann spielt es auch keine Rolle, in welche Richtung du deine Nägel feilst.

Einen Beauty-Lifehack, den du verbieten würdest?
Ich höre immer wieder, dass ein ausgetrockneter Nagellack, der mit einem Nagellackentferner verdünnt wird, wieder geschmeidig wird. Das ist lächerlich, da ein Nagellackentferner einen Lack zerstört. Warum solltest du ihn damit mischen (lacht). Als SOS-Tipp mag das vielleicht funktionieren, danach ist das Produkt aber futsch und reif für die Tonne. Dafür gibt es spezielle Verdünner.
Oh, da fällt mir ein weiterer Beauty-Tipp ein: Frauen tendieren dazu, nach dem Entfernen von Nagellack direkt eine neue Schicht Lack aufzutragen. Weil im Nagellackentferner aber pflegende Öle enthalten sind, die dafür sorgen, dass deine Nägel nicht austrocknen, musst du deine Hände erst gut abwaschen, bevor du eine neue Schicht aufträgst. Auf diese Weise hält der Lack länger.

«Einen nachhaltigen Nagellack gibt es nicht. Wenn du deinen Händen etwas Gutes respektive Grünes tun willst, musst du ganz darauf verzichten.»

Was sind die aktuellen Nageltrends?
Die Nail Art ist zurück. Während der Trend vor vier Jahren entweder geliebt oder gehasst wurde, kommt er diese Saison in der Light-Version zurück. Statt auf lange Krallen setzen wir nun auf kurz gefeilte Nägel und dezente Farbkontraste. Darum ist der Look nun sogar alltagstauglich.
Ein weiterer Trend geht in Richtung Nachhaltigkeit. Kosmetikprodukte werden hinterfragt und dürfen der Umwelt nicht schaden. Die Farbe ist fast schon zur Nebensache geworden.

Kannst du einen Brand oder ein Produkt empfehlen?
Ja, mein Favorit kommt aus Japan. «P-Shine» ist ein «Buffing-Produkt, das deine Nägel pflegt. Es besteht aus einer Tonerde- und einer Bienenwachs-Paste, die deine Nägel polieren und nähren. Dieses Produkt wird in Japan für Maniküren benutzt.
Mich ärgert es, wenn Marken so tun, als ob sie grün wären. Das sind sie nicht! Heute ist fast alles natürlich oder bio. Ich arbeite in der Branche und weiss, wann mir etwas vormacht gibt. Es gibt keinen «grünen Nagellack». Wenn du deinen Händen etwas Gutes respektive Grünes tun willst, musst du ganz darauf verzichten.

Wenn jemand dennoch nicht auf Farbe verzichten möchte, gibt es eine universelle Nuance, die alle tragen können?
Viele behaupte, dass das Rot sei. Das stimmt aber nicht. Für diese Farbe benötigst du makellose Hände, da sie nichts verzeiht. Schwarz ist hingegen universell. Die Nichtfarbe steht jedem Hautton und kann gleichermassen romantisch und rockig aussehen. Wenn dir Schwarz zu dunkel ist, trägst du alternativ ein etwas helleres Schwarzblau auf. Trau dich.

Das Interview fand vor den Zeiten des Social Distancing statt.

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Wenn ich mal nicht als Open-Water-Diver unter Wasser bin, dann tauche ich in die Welt der Fashion ein. Auf den Strassen von Paris, Mailand und New York halte ich nach den neuesten Trends Ausschau und zeige dir, wie du sie fernab vom Modezirkus alltagstauglich umsetzt. 


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