
Feuerküche
Deutsch, Monika Di Muro, Chris Bay, Monika Flückiger, 2018
«Archaisches Feuerkochen» heisst der Kurs, bei dem ich mich angemeldet habe. Ich befürchtete zunächst, dass es sich um ein schamanisches Spiritualitätsseminar handelt. Zum Glück lag ich damit sowas von falsch.
«Tschou i bi dr Nino», sagt der junge Mann in Outdoorausrüstung bei der Bergstation Felsenegg. Er trägt weder ein Batikshirt, noch eine Halskette aus Energiesteinen. Das beruhigt mich. Ich habe Schlimmeres erwartet. Wir wandern zunächst eine gute Stunde zu einem Bauernhof, bei dem wir das Feuer machen und diverse Gerichte mit einfachsten Mitteln kochen. Unter den Kursteilnehmern sind Geschäftsleiter eines Architekturbüros, ein interessiertes Paar und ein Justizvollzugsbeamter. Es haben sich vorwiegend Männer angemeldet.
Den Kurs ins Leben gerufen haben Monika di Muro und Chris Bay. Sie haben ein Manifest mit Grundsätzen fürs Feuerkochen zusammengestellt. Das ist nicht einfach grillieren, was wir an diesem Frühlingsabend machen. Einen Grill gibt es nämlich nicht. Zwei Töpfe und eine Gusseisenpfanne hat Nino mitgebracht. Wichtig sind vor allem die Geräte um das Feuer umzuwälzen: Zangen und Metallstöcke. Gekocht wird auf der Glut und im Feuer. Jetzt leuchtet mir auch ein, dass archaisch nicht gleich esoterisch ist.
archaisch
Adjektiv
der Vor-, Frühzeit angehörend oder aus ihr überkommen
Jeder fasst zunächst seine Aufgabe. Ich bin in der Brotgruppe und zunächst enttäuscht, dass ich kein Fleisch zubereiten darf. «Der Brotposten ist fast der Anspruchsvollste», beruhigt mich Nino. Er sollte recht behalten. Die Hefeteigstücke forme ich zu Fladenbroten, die direkt in die heisse Glut kommen. Die Schwierigkeit besteht darin, die Brote genug lange in der Glut liegen zu lassen, dass sie auch durchgebacken sind. Das ist kurz bevor sie schwarz sind. Zum Glück gehören ein paar Feuerfeste Handschuhe auch zur Ausrüstung, so verbrenne ich mir die Finger nicht.
Ein paar Brote sind mir trotzdem in der heissen Glut verbrannt. Ich liess mich auch ablenken, durch die anderen Gruppen. Die haben Hähnchen mit Draht ans Holz gebunden, Kräuter gesammelt oder eine ganze Lachsseite mit Butter eingestrichen. Zubereitet haben wir:
Es braucht Mut, Auberginen und Kohl direkt ins Feuer zu legen. Die längs aufgeschnittenen Rinderknochen fürs Markbein landen ebenfalls direkt in der Glut. Ein mit Öl gefüllter
Gamellendeckel stellt Nino dazu. «Diese Idee ist mir gekommen, als ich einen solchen Deckel auf einer Wanderung am Strassenrand gefunden habe. Wir haben ihn direkt zur Fritteuse umfunktioniert.» Darin brutzeln wir einen klein geschnittenen Hasen. Auch darum geht’s beim archaischen Feuerkochen: Dinge zweckentfremden. Die Lachsseite nageln wir an ein Brett aus Tannenholz. Die Mistkratzerli befestigen wir mit Draht am Ast eines Haselstrauchs. Wie Jesus am Kreuz hängen die Vögel dann am Feuer.
In archaischer Manier bereiten wir auch die Suppe zu. Ein Dutzend Steine liegen für eine Stunde mitten im Feuer. Die glühend heissen Steine haben wir danach ins Suppenwasser gegeben. So beginnt sie nach kurzer Zeit zu kochen.
Apropos Suppe: Eine fixe Reihenfolge gibt es nicht. Es ist ein anarchisch-archaischer Feuerkochkurs. Markbein, Brot, Hühnerherzen und dann Auberginen. Teller gibt’s auch keine, jeder hat einen Löffel, sonstiges Besteck oder gar Teller gibt’s nicht. Beim «Gebrannten Haselnussrahm» zum Dessert strecken alle ihren Löffel in den Topf. Das ist dann auch der einzige, leicht esoterische Moment eines gelungenen Abends.
Das ganze Kursangebot von Chillfood findest du auf der Webseite. Wenn du mehr von mir zu esoterischen oder kulinarischen Themen lesen willst, kannst du unten meinem Autorenprofil folgen, dann kriegst du ein Mail mit meinen neuen Texten. Rezepte und weitere leckere Ideen gibt’s im Kochbuch von Monika und Chris.
Feuerküche
Deutsch, Monika Di Muro, Chris Bay, Monika Flückiger, 2018
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.