
Ratgeber
Campieren mit der Familie: Mit dieser Ausrüstung schläfst Du selbst bei Regen ruhig
von Martin Rupf
Ein aufblasbares Zelt, zwei Kinder, ein Hund – und wir Eltern: erstmals zusammen auf Campingkurs am Murtensee. Was kann da schon schiefgehen?
Die zwei, die keinerlei Zweifel haben, ob das mit dem Zelten eine gute Idee ist, sind die Kinder. Am Tag der Abreise sitzen sie schon längst vor der ersten Tasche im Auto. «Wollt ihr nicht noch mal aussteigen?», frage ich. «Nein!», rufen sie im Chor zurück.
Mein Partner und ich rennen gestresst umher. «Das passt nicht mehr rein!» – «Das können wir noch zwischen die Sitze stopfen.» – «Was lassen wir hier?» Sogar mit Dachbox ist der Kombi zu klein – oder wir haben zu viel gepackt für die paar Tage, verdammt! Wieder ausgepackt werden der vorsorgliche Kotzeimer, der Kinderschemel und der zweite Sandbagger, was später zum Geschwisterstreit führen wird. Dafür lassen sich die Türen jetzt schliessen. Passt.
Unsere Camping-erfahrene Nachbarin lehnt sich zum Abschied ans Autofenster: «Nehmt’s entspannt, auch wenn mal was nicht wie geplant läuft!»
Dann fahren wir los, raus aus unserem Dorf und alle Anspannung fällt von mir ab. Die Kinder plappern, wir Eltern grinsen wieder, der Hund hat sich im Kofferraum auf seiner orthopädischen Matte zusammengerollt. So fängt unser Campingtrip an.
Bis zu unserem Ziel Salavaux fahren wir anderthalb Stunden, zeigt das Navi an. Stau haben wir keinen, da wir völlig willkürlich an einem Dienstag kurz vor Mittag losfahren. Nicht weil wir das so geplant hätten, sondern weil wir nicht früher loskamen (Magen-Darm, Packmarathon, Dauerregen). Über die Autobahnbrücke laufen Kühe, wir fahren an Asphaltfertigern vorbei, die Kinder sind begeistert. Und dann, nach 15 Minuten, die unweigerliche Frage vom Rücksitz: «Wann sind wir da?», dicht gefolgt von: «Dürfen wir was gucken?». «Du hast gesagt, wir dürfen später und jetzt ist später!» Nach 30 Minuten gebe ich nach für eine Folge Peppa Wutz.
Schon fahren wir an Bern-Bethlehem vorbei. Nur noch 32 Minuten bis zum Ziel. Die Schilder werden zu Teilen Französisch: Neuchâtel, Lausanne, Genève. Feriengefühl kommt auf. Und dann heisst es: «Lac de Morat! Bienvenue / Willkommen! Murten / Morat!» Wir fahren über die unsichtbare Linie des Röstigrabens in den Kanton Waadt, lachend und glücklich.
«Oh wie schön die Häuser hier aussehen», sagen wir. «Schaut mal, die Dächer sind hier anders gebaut!» Oh, wie schön ist die Westschweiz. «Vielleicht sollten wir herziehen», sage ich und mein Mann brummt. Das sage ich auch jedes Mal, wenn wir durchs Tessin fahren.
An der Rezeption bekommen wir einen Campingplan mit Platznummer. «Lass uns bitte gleich wieder umkehren», flüstere ich, als wir unsere Parzelle auf dem Campingplatz finden. Um uns herum lauter Menschen vor Zelten, die uns beäugen. «Das ist mir zu eng.» Aber die Kinder hüpfen schon begeistert auf unserem quadratischen Plätzchen herum, das grössenteils aus brauner Matscherde besteht. Dort, wo wohl das Vorgänger-Zelt stand. Rundherum spriessen grüne Grashalme und ein paar Blümchen.
Also los, Zelt ausladen, Hund am Baum auf der Reisedecke anbinden. Die Kinder sind euphorisch: «Wir haben das grösste Zelt aller Zeiten!», rufen sie und: «Andere haben auch ein cooles Zelt. Aber wir haben das coolste Zelt!»
Vom Zeltplatz schräg gegenüber ruft ein Mann seiner Frau zu: «Du hast ernsthaft nur ein Kinderbuch eingepackt? Nur ein einziges? Das glaube ich jetzt nicht!» Dass andere Menschen auch Probleme haben, kriegt man auf einem Campingplatz gut mit. Die Zeltwände sind dünn und die Nachbarn nah.
Ich stelle den Timer – gespannt, wie schnell wir unser aufblasbares Zelt namens «Air Seconds» wohl aufstellen werden! Anderthalb Stunden später schalte ich den Timer entnervt ab. Nichts mit Sekundenschnelle. Irgendwie kommt aber auch immer was dazwischen, jemand muss auf Toilette, die Schlappen werden im Gepäck nicht gefunden und so weiter.
«Komm, wir lassen das jetzt so», seufze ich, und wir laufen los zum Seestrand. Der Hund zieht, weil es überall so gut nach anderen Hunden riecht, und die Kinder beginnen sofort mit Sandburgen bauen, so wie es sich gehört. Zufrieden setze ich mich auf das Strandtuch und gucke auf den See. Ich stecke meine Füsse in den Sand, direkt neben den Pfoten meines Hundes. 20 Grad sind nicht gerade sommerlich, aber für den Hund gerade recht. Auch der Sechsjährige rennt glücklich ins kalte Wasser – und kurz darauf zähneklappernd schnell zurück zum Zelt.
In unserer ersten Nacht auf dem Campingplatz liege ich trotz Oropax wach. «Einmal campen, nie mehr campen!», denke ich. Als ich im Morgengrauen endlich wegdöse, muss ein Kind auf Toilette – «dringend!». Beim Anblick meines müden Mannes übernehme ich grossmütig. Wir laufen als fast einzige über den Campingplatz. Der anbrechende Morgen ist irgendwie magisch, die WCs sind leer und ein bisschen besser geputzt als gestern Abend. Als sich mein Sohn zurück ins Zelt kuschelt, drehe ich eine Morgenrunde mit dem aufgeregten Hund. Bis zum Strand, wo gerade die Sonne über dem noch blassblauen Murtensee aufgeht, und mich befällt ein Gefühl von Naturverbundenheit.
Am Frühstücksklapptisch verteilt der Sechsjährige eine Runde Komplimente. «Ich könnte keinen netteren Bruder finden als dich!» und «Ihr seid die besten Eltern der Welt, ich würde keine anderen finden wollen!» Worauf der Dreijährige einwirft: «Ich schon! Ich suche mir andere Eltern.» Wir müssen alle laut lachen, die letzte Müdigkeit fällt von uns ab. Schön haben wir es zusammen.
Um 14 Uhr geraten wir in Betriebsamkeit: Schnell alles einräumen, am Himmel ziehen dunkle Wolken auf und die Wetter-App warnt vor starkem Regen. Die Kinder spielen mit den Nachbarskindern und lachen laut über Peppa-Wutz-Witze. Wir warten auf den Regen – aber er kommt nicht. Verwirrt stellen wir fest, dass auch die App keinen Regen mehr anzeigt. Später tröpfelt es nur kurz. Beim Campen erlebt man unmittelbar, wie das Wetter kommt und geht. Wie so vieles im Leben. Alles halb so wild.
«Weisst du, was ich genial finde?», frage ich später meinen Mann. Die Kinder hören ein Hörspiel im Zelt, der Hund schläft neben ihnen. Wir Erwachsenen hocken in unseren türkisenen Klappstühlen mit der Aufschrift «Relax» und trinken alkoholfreien Most aus dem Zeltplatz-Lädeli. «Man hat hier alles.» Ich mache eine kreisende Bewegung mit dem Zeigefinger. «Man kann überall hinlaufen und muss sich nicht mal die Mühe machen, sich richtig anzuziehen.» «Ja», stimmt er zu und lacht mit Blick auf seine Jogginghose. «Zu der Einsicht kommt man wohl nach zwei Tagen Campen – und behält sie für den Rest seines Lebens.»
Abends laufe ich mit den Kindern Richtung sanitäre Anlagen, mit Kulturbeutel und Handtuch. Vorbei an den grossen Waschbecken, wo die Campinggäste dicht an dicht den Abwasch erledigen, gefühlt rund um die Uhr. Unter ihnen mein Mann, als Einziger ohne Abwaschschüssel. Dass diese beim nächsten Mal mit muss, darauf weist auch Kollege Martin in seinen Camping-Tipps hin:
Als wir den Damen-Waschraum betreten, sind wir nicht die Einzigen. Punkt 19 Uhr knien Mütter und auch Väter neben ihren Sprösslingen und putzen Zähne. Meine Kinder staunen und machen mit Engelsgeduld mit. Anders als zuhause, wo die Wichtigkeit der abendlichen Zahnreinigung regelmässig zu Diskussionen führt. Mir wird bewusst, wie viele andere Eltern auf der Welt zur exakt gleichen Zeit die exakt gleichen Themen haben. Und so fühle ich mich in diesem vollen Bad plötzlich wie ein Teil einer grösseren Gemeinschaft, von der ich bis anhin gar nicht wusste, dass sie existiert.
In der zweiten Nacht schlafe ich erstaunlich gut. Ich bin so müde von der durchwachten ersten Nacht, dass ich die Autos, die hinter der Hecke selten, dafür direkt neben unseren Köpfen vorbeifahren, fast nicht mehr höre. Schnarchen scheint in Hörweite erstaunlicherweise niemand, nicht mal unser Hund. Ich habe mich auch schon fast daran gewöhnt, nachts durchs taufeuchte Gras zum WC zu tigern.
«Vielleicht wird das ja doch was mit diesem Campen», denke ich und drehe mich auf die weniger schmerzende Schulter. Diese selbst aufblasbare, teure Matratze mit Schaumstoff ist erstaunlich unbequem. Trotzdem falle ich in einen tiefen Schlaf. Bis ich morgens aufwache, noch vor den anderen, mit Kopfschmerzen und Fieber. Das wars dann auch schon mit unserem Camping-Abenteuer. Wir wären heute zwar eh aufgebrochen, aber zu einem anderen Reisestopp, nicht heim. «Och nö, wieso fahren wir denn schon heim?», fragen die Kinder empört. «Schade!»
Zum Glück ist mein Partner da, der den ganzen Vormittag zusammenpackt. Ich liege nutzlos und leidend eingerollt mit dem Hund auf der Hundedecke. Die Kinder graben neben mir ein tiefes Loch. «Das wird vor der Abfahrt wieder gefüllt», mahne ich. «Jaja», sagen sie und schaufeln ein bisschen Erde mit ihrem Bagger zurück. Ich fülle es dann noch ein bisschen mehr mit der Schaufel. «Wow Mama, du kannst das ja gut!», staunen sie.
Ihr Vater stöhnt, weil das Zelt nicht mehr ins Auto passt. Wir hatten es entgegen aller Tipps nicht schon probehalber im Garten aufgebaut, sondern erstmals hier auf dem Campingplatz. Dass das Zelt sich nicht mehr so klein machen lassen würde wie neu verpackt, daran hatten wir nicht gedacht, als wir vor zwei Tagen alles, was ging, ins Auto stopften.
Ein Campingnachbar kommt vorbei: «Diese aufblasbaren Zelte sieht man ja immer häufiger! Würdet ihr so eins empfehlen?» Er zeigt auf seins schräg gegenüber: ähnlich gross wie unseres, aber mit Stangen aufgebaut. Würden wir? Unsers ist schwer und sperrig. Der Abbau ging schneller als der Aufbau, mit mehr Übung sicher noch schneller, vermuten wir.
Und dann kriegen wir das Auto mit Gewalt doch noch zu. Wir fahren heim. Mit Ibuprofen, Stau und mehr Bildschirmzeit diesmal, und seufzen: «Heute wären wir eigentlich richtig angekommen.» Sogar die Sonne kommt heraus. Nächstes Mal bleiben wir länger und hoffentlich gesund. Trotz aller Aber: Das Abenteuer Zelten wollen wir wieder wagen. Wahrscheinlich.
Wie erlebst du das Campen mit Kind und Kegel? Erzähl mir gern davon in den Kommentaren.
Eigentlich bin ich Journalistin, in den letzten Jahren aber auch vermehrt als Sandkuchenbäckerin, Familienhund-Trainerin und Bagger-Expertin tätig. Mir geht das Herz auf, wenn meine Kinder vor Freude Tränen lachen und abends selig nebeneinander einschlafen. Dank ihnen finde ich täglich Inspiration zum Schreiben – und kenne nun auch den Unterschied zwischen Radlader, Asphaltfertiger und Planierraupe.