Hintergrund

Heute ist alles besser! 7 Gründe, warum Familienferien mit dem Auto immer angenehmer werden

Tausende Kilometer liegen hinter mir. Was vom Sommer bleibt, ist eine Portion Demut: Auf Autoreisen mit Kindern ist die Moderne ein Segen. Eine Erinnerung.

Mein Gedächtnis ist ein Sieb. Zum Glück. Es filtert die öden Stunden raus, hängen bleibt pures Erinnerungsgold. Denke ich an die endlosen Ferienfahrten meiner Kindheit, fühle ich Aufbruch und Abenteuer. Los ging es meist mitten in der Nacht. Die ersten Stunden im Auto, ein verschwommener Traum aus tanzenden Rücklichtern, Bodenwellen und vorbeifliegenden Strassenschildern, auf denen Brescia oder Darmstadt stand.

Knapp 40 Jahre später ...

Wie stressig der Roadtrip in die Sommerferien für Eltern sein kann, weiss ich inzwischen auch. Ich fuhr alleine mit zwei Kleinkindern nach Spanien, zu viert mit etwas grösseren Kindern nach Frankreich und Italien, kassierte wütende Tritte in die Rückenlehne und verzweifelte an Streitereien. Das volle Programm bis hin zum Wunsch, ganz fest ins Lenkrad zu beissen. Trotzdem will ich nicht anders reisen. Gut, vielleicht in einem anderen Auto, aber mit denselben Menschen. Und zwar nur mit ihnen. Obwohl ich Kollege Balissats Faible für Zugfahrten als Individualtourist verstehen kann – als Familie kommt nichts an die eigenen vier Räder ran.

  • Meinung

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Das fängt schon beim Preis an, wenn sich die laufenden Kosten einer Familienkutsche übers Jahr rentieren sollen. Doch es hört beim Komfort nicht auf. Bei Zugreisen kommt zu häufig der Moment, in dem der Zug nicht kommt. Oder der Mittelgang zur Knautschzone für überzählige Passagiere wird, denen die Kinder maximal bis zur Achselhöhle reichen. Und zu selten der Tag, an dem die Dynamic-Pricing-Angebote für vier oder mehr Personen attraktiv werden. Gleiches gilt fürs Fliegen, diese nicht enden wollende Geduldsprobe.

Während ich meinen ersten Flug mit wenig anstehen, ziemlich viel (Bein-)Freiheit und einem Besuch im Cockpit verbinde, heisst es heute: Gürtel raus! Hände hoch! Wasser weg! Check, check, check. Und dann eingekeilt und abgefüttert auf die Ankunft warten – um dort auf das Gepäck und den Mietwagen zu warten, bei dem sich der Anbieter Kindersitze in Gold aufwiegen lässt. Statt selbstbestimmt fühlt sich das Reisen ausgeliefert an.

Selbsterfahrung im Mikrokosmos

Im Auto ist das anders, keine zwei Tankfüllungen führen ans Meer. Und nirgends ist so viel Wir auf so wenig Raum. Ein familiärer Mikrokosmos, der nur sich selbst und keinem ganzen Grossraumabteil auf die Nerven geht. In dem Gefühle schnell hochkochen und Wut ganz langsam wieder verrauchen kann. Kein Entkommen für niemanden. Nur in Gedanken. Das alles kann anstrengend sein. Genau wie die Baustellen, die Staus, die Mautstationen.

Aber ich habe mich diesen Sommer nach ein paar tausend Kilometern auf Europas Autobahnen für den optimistischen Blick entschieden. Und das, obwohl mir die Aussicht auf stundenlange Fahrten vor ein paar Wochen noch Bauchschmerzen bereitet hat. Zwischen Zürich und Atlantik, auf Strassen in Frankreich, Deutschland und Holland hatte ich viel Zeit, meine Meinung zu ändern. Familienferien mit dem Auto sind mehr als gut. Sie sind mit der Zeit sogar noch besser geworden. Und das liegt nicht nur am Alter der Kinder. Keine andere Reiseart hat durch den Fortschritt so viel an Komfort gewonnen.

  • Hintergrund

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1. Die Antwort auf die Frage aller Fragen

Das fängt bei der grossen Frage nach der Ankunftszeit an. Reisen heisst unterwegs zu sein, aber je jünger die Besatzung ist, desto wichtiger wird ein absehbares Ende. Es steigt die Sehnsucht nach dem Ankommen. «Wann sind wir endlich da???» war die Standard-Nervfrage von Generationen von Kindern – und früher mussten wir noch mit der genervten Standard-Elternantwort «bald!» auskommen. Sie hat ausgedient, seit an der Mittelkonsole ein Navi thront, das unbestechlich die voraussichtliche Ankunftszeit berechnet.

Das Zeitalter der stimmungsaufhellenden Notlügen ist damit zu Ende. Besonders dann, wenn die berechnete Ankunftszeit unvermittelt von 17:54 Uhr auf 18:48 Uhr springt, brauchst du schon viel Zuversicht und schauspielerisches Talent, um glaubhaft etwas von «anderer Route» oder «Stau kann sich auflösen» zu murmeln. Die Kinder wissen ab dem Schulalter ziemlich schnell selbst, was sie in so einem Fall erwartet. Und das ist gut so.

Damit müssen wir jetzt klarkommen.
Damit müssen wir jetzt klarkommen.

Kaum jemand fährt noch absolut ahnungslos in einen Monsterstau, kein Hörspiel wird mehr alle 20 Minuten von viel zu lauten Verkehrsmeldungen und einem väterlichen «Pssssst!» unterbrochen. Heute haben wir meist vorab die Wahl, welcher Qual wir uns aussetzen wollen. Und können auf Veränderungen reagieren. Pause machen? Umwege fahren? Seufzen und auf der Route bleiben? In der Regel nehmen wir den Stau schicksalsergeben hin, wenn das Navi keine schnellere Strecke kennt. So viel Gewissheit gab es früher nur im Flug und im Zug. Diese Info ist Gold wert. Deshalb nutzen wir sie so gut wie alle, trotz ein paar kleiner Nachteile.

  • Hintergrund

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Das Wissen darum, dass sich die Situation nicht verbessern lässt, entspannt ungemein. Genau wie ein angenehmes Klima.

2. Nicht mehr im Umluftofen schmoren

«Stellt euch nicht so an», sage ich besonders gerne, wenn die Kinder mal wieder über die Temperatur im Auto stöhnen. Ja, die Klimaanlage braucht eine Weile, bis es im Auto angenehm ist. Aber immerhin gibt es eine – und selbst das einfachste Modell macht den Innenraum nach wenigen Minuten annehmbar kühl.

Früher wurde das Auto an heissen Tagen zum Umluftofen. Nach zehn Stunden Niedergaren zerfloss auch der kühlste Kopf zu einem Gedankenbrei, in dem Neid auf Flugreisende aufblubbern konnte. Der Jet Set schwebte gut gekühlt auf Wolke Sieben exotischen Zielen entgegen. Das fahrende Ferienvolk brutzelte auf dem Brenner oder schaute vor dem Gotthard in die Röhre.

Inzwischen werden Turbulenzen in der Luft immer häufiger und das Wort «Reisewetter» ist praktisch ausgestorben. Es wird höchstens noch auf die Lage am Ankunftsort bezogen. Früher dachten wir dabei an den Tag der Fahrt – und hofften auf maximal 24 Grad und wolkenverhangenen Himmel. Denn bei sengender Sonne half auch kein Handventilator, dessen Batterie zuverlässig dann leer war, wenn er wirklich gebraucht wurde.

Schade ist höchstens, dass die Vollklimatisierung dem Stau den Eventcharakter genommen hat. Vorher gingen Fenster runter und flogen Türen auf, man unterhielt sich, tauschte ein paar aufmunternde Worte aus. Heute leidet jede Crew für sich alleine. Reisetipp: Wer noch echten Hitzestau erleben will, stellt sich am besten stundenlang in die Warteschlange vor einer Fähre.

Vor der Fähre staut es sich noch fast wie früher.
Vor der Fähre staut es sich noch fast wie früher.

3. Fast grenzenlose Freiheit unter den Wolken

Während du am Airport oft schon im Terminal deine Fingerabdrücke, Erklärungen zu nicht vorhandenen Präsidentenmordplänen und deine Würde abgibst, sind die Grenzkontrollen am Boden in Europa heute eher Schreckgespenst als real existierende Ärgernisse. Kommt eine Landesgrenze in Sicht, drehe ich trotzdem das Radio leiser und nehme Haltung an. Das bringe ich irgendwie nicht aus dem System, weil’s früher mal ein spannungsgeladener Moment war.

Für die Erwachsenen bedeutete er: Pässe rauskramen, einen treudoofen Blick aufsetzen und auf das Beste hoffen. Für die Kinder: zumindest benehmen, am besten gut. Einfach das machen, was Eltern «zusammenreissen» nennen. Mit der Zusatzaufgabe, sich abends oder morgens am besten schlafend zu stellen und so mitleiderregend zu sabbern, dass kein noch so harter Grenzer diesen Tiefschlaf stören wollte.

Auch wenn der Trend inzwischen wieder zu mehr Kontrollen geht: Heute hält kaum ein Zollposten die Fahrt noch stundenlang auf, weil gestrenge Beamte nicht nur den Pass sehen, sondern auch noch die letzte Badehose aus dem Koffer ziehen wollen. Und diese Freiheit weiss ich immer wieder aufs Neue zu schätzen, wenn Frankreich unkompliziert zu Spanien oder Österreich zu Italien wird. Mit der Möglichkeit, auf Landstrassen abzubiegen, im nächsten Dorf Kaffee zu trinken oder im erstbesten Supermarkt die Vorräte aufzufüllen. Ein kleiner Umweg bringt Abwechslung – und niemanden mehr ins Schwitzen.

4. Als Beifahrerin oder Beifahrer kannst du entspannen

Auf dem Platz vorne rechts sitzt traditionell die Entertainmentchefin oder der Entertainmentchef. Zuständig für kleine Spiele mit kleinen Kindern, konsensfähige Beschallung, Getränke und Snacks. Kramen, krümeln, Krach machen. Also all das, was im Zug oder Flug die Mitreisenden an Familien nervt – und im Auto ungeniert ausgelebt und ausdiskutiert werden kann. Ganz ohne Ablenkung. Denn früher war die «Beifahrerin» oder der «Beifahrer» auch noch das Navi – und selten wurde die Anweisung, in fünfhundert Metern rechts abzubiegen, so souverän und schnell serviert wie das belegte Brötchen.

Kleine Zeitreise: Wo geht es hier ans Meer?
Kleine Zeitreise: Wo geht es hier ans Meer?

Stattdessen lag ein dicker Stapel Strassenkarten im Handschuhfach, auf denen die angepeilte Route eingetragen war. An Autobahnkreuzen oder auf französischen Landstrassen sollen sich an kleinen Fehlern im Massstab 1:800 000 schon grosse Ehestreitigkeiten entzündet haben – und wer den Druck nicht kennt, mit der Karte auf den Knien unaufhaltsam einer Entscheidung entgegen zu rasen, die über die Laune der nächsten Stunden bestimmt, der oder die hat nie in der digitalen Steinzeit gelebt.

Frankreich, Strassenkarte 1:800.000, freytag & berndt
Landkarte
CHF12.70

Frankreich, Strassenkarte 1:800.000, freytag & berndt

Klar, das kann man auch vermissen. Reisen war Teamwork, sorgte regelmässig für spannende Momente und liess Kinder ihre sonst so souveränen Eltern mal von einer anderen Seite erleben. Aber die meisten dürften es schätzen, keinen Plan und mehr Zeit für Entspannung zu haben. Wenn alles schläft und einer wacht, dann hast du etwas richtig gemacht.

5. What happens in the car stays in the car

Als Fahrer liebe ich das Gefühl, wenn alle schlafen. Mein Blick geht immer wieder in den Innenspiegel, sobald hinter mir verdächtige Ruhe herrscht. Meistens kann ich spüren, wann es soweit ist und niemand mehr liest, wann die Rücklichter für die anderen zu tanzen beginnen und die Lider langsam nach unten sinken. Es ist ein kleiner Vertrauensbeweis, der eine ganz spezielle Atmosphäre schafft, die so nur im Auto entstehen kann. Eine gute Energie, die mich gleichzeitig wach hält, ermahnt und entspannt. Seit ich hinten seitliche Kopfstützen montiert habe, kann ich sogar halbwegs aufrechte Köpfe statt zusammengeklappter Kinder im Spiegel sehen. Das entspannt mich noch ein wenig mehr.

Nichts übertrumpft ein Bett, aber klimatisiert und bei sonoren Geräuschen ins Land der Träume zu reisen, ist auch ganz nett. Ich bewundere Menschen, die in aller Öffentlichkeit jederzeit einschlafen können. Kann ich nicht. Und will ich auch gar nicht. Auf dem Mittelsitz im Flugzeug an die Schulter des Sitznachbarn zu kippen oder im Zug mit einem dreifach geröchelten Grunzschnarcher hochschrecken – nein danke. Im dümmsten Fall ist dann nicht nur das Selbstwertgefühl, sondern auch noch das Gepäck weg. Wenn schon schlafend unterwegs sein, dann im Familienauto. Gekühlt, gestützt und geschützt. Auch wach gibt es kaum noch was, das man vermissen könnte.

6. On-Board-Entertainment für alle

Mal ehrlich, als Kind war Fliegen nach der Startphase vor allem deshalb toll, weil es einen Bildschirm und nichts Besseres zu tun gab, als ausdauernd zu glotzen. Erst alle zusammen dasselbe auf Röhrenmonitoren, dann mit beträchtlicher Auswahl auf dem eigenen Display im Sitz. Inzwischen ist das Auto die grösste Multimediazentrale. Während sich auf manchen Zugstrecken ein kleiner Download wie der alte Kaugummi hinzieht, in den du versehentlich unter deinem Klapptisch packst, flutscht es auf der Autobahn mit den Daten in der Regel. Hörspiele, Musik, Serien und Filme für alle Fälle sind immer dabei.

Dass ich den Satz «Ich weiss nicht, was ich hören soll» im Jahr 2025 immer noch zu Ohren bekomme, bringt mich regelmässig zum Lachen. Klar, eine neue Folge des Lieblingshörspiels gibt es nicht jede Woche – dafür noch Tausende andere, die entdeckt werden können. Früher, erzähle ich dann, enthielt ein kleines Köfferchen all unsere Audio-Schätze. Ab und zu wurde eine Kassette eingelegt und gespult, bis zum Leidwesen der Eltern ein lautes «Törööööö» das Radioprogramm auf unbestimmte Zeit unterbrach. Erst als der Walkman aufkam, hatte Benjamin Blümchens Rüssel die direkte Verbindung zu meinem Gehörgang.

  • Hintergrund

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Ich gebe zu, dass ich heute manchmal ganz froh bin, wenn alle ihr eigenes Programm auf den Ohren oder vor Augen haben. Diese Pausen tun gut, wenn man zehn Stunden oder länger beisammen sitzt. Noch schöner ist’s aber, gemeinsam interessante Inhalte zu entdecken und sich anschliessend darüber zu unterhalten. Zum Beispiel bei SRF Kids Reporter:in oder CheckPod. Die Mischung macht’s – und wenn die Kinder in ihrer Welt sind, können auch die Eltern tief in Hörbücher oder stundenlange Podcasts eintauchen, die die Zeit wie im Flug vergehen lassen.

Autoferien oder ein Blick zurück ins Glück.
Autoferien oder ein Blick zurück ins Glück.

7. Ankommen heisst ankommen

Dass die Zeit verfliegt, wird mir wie den meisten Eltern besonders in den Ferien bewusst. Weil nicht nur die Sonne auf den Wellen reflektiert, sondern auch das Gehirn die Ereignisse der vergangenen Monate. Es realisiert, was sich innerhalb der Familie alles getan, wer was erreicht und es im Alltag vielleicht auch gar nicht immer so leicht hat. Der Blick wird milder, Frust schmilzt und Freude überlagert finstere Gedanken.

Mit dem Auto anzukommen bedeutet, auch wirklich angekommen zu sein. Gang raus, Motor aus, der Urlaub fängt an. Eine Familie, alleine auf vier Quadratmetern, gemeinsam am Ziel. Dieser Moment ist so gut, dass er über die Jahre nicht besser werden konnte. Dafür wertvoller, weil immer mehr geteilte Lebenszeit im Gepäck steckt.

Frische Eindrücke mischen sich mit alten Geschichten, während die Strapazen der Fahrt langsam verblassen. Was sofort aufkommt, ist Erleichterung und eine Portion Demut, dass mal wieder alles gutgegangen ist. Weil die geplatzten Reifen, Rettungswagen und Warnblinker auf Warnstreifen mal wieder nur andere betrafen. Heute ist alles besser, denn gestern lag die Fahrt noch vor uns. Den Rest wird die Zeit in Erinnerungsgold verwandeln.

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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