

«Wäh, da isch ja mega grusig!»

Wie riecht ein neugeborenes Baby aus der Flasche? Oder schon mal an Feenstaub geschnuppert? Meine Redaktions-Kollegen auch nicht. Bis jetzt. Willkommen in der Duftbibliothek.
Düfte sind so eine Sache: sehr subjektiv und für meinen Geschmack eine häufig zu derbe Angelegenheit. Da ich aber praktisch geruchsblind bin und lediglich zwischen «mag ich» und «würg» unterscheiden kann, liess ich meine Arbeitskollegen an ein paar aussergewöhnlichen Parfüms von The Library of Fragrance schnuppern. Ob sie im Blindtest erraten konnten, welche einzelne Duftnote dem jeweiligen Flakon innewohnt?
Der Club der toughen Nasen
Im Rahmen dieses kleinen Versuchs konnte ich folgende selbstlosen Testpersonen rekrutieren:
- Mariya Alipieva, selbsternannte Duft-Expertin, wobei ihr dieser Titel im Verlauf des Nachmittags wieder aberkannt wurde und zwar von
- Pia Seidel, ausgezeichnete Nicht-Erkennerin von einzelnen Duftnoten: Sie switcht das Jahr hindruch grazil zwischen Sommer- und Winterdüften hin und her
- Carolin Teufelberger), Parfüm-Monogamistin aus Überzeugung. Ihr Motto: 1 Leben, 1 Duft.
- Ramon Schneider, im Besitz eines Nivea-Deo-Rollers – aber keines Parfüms
Paperback: das Eau de Bücherwurm
Die erste Runde wurde sogleich mit einem herzlichen «Wäh, da isch ja mega grusig!» seitens Mariya eröffnet. Das fängt ja gut an. Süss und zugleich rauchig, so ihr Fazit. Als ich sie frage, welchen Namen sie dem Duft geben würde, kann sie sich kaum zwischen «Kaufs nicht» und «Alte Zeitungen» entscheiden. Carolin tippt auf den Titel «Druckerschwärze». Auch auf sie wirkt der Duft schwer. Beide gefährlich nah dran. Ramon's Nase hingegen tendiert in Richtung süss-vanillig. Dennoch würde er den Flakon mit dem Schriftzug «Mottenschrank» versehen. Pia versetzt das Ganze in ihre Kindheit zurück. Besser gesagt in den Friseursalon ihrer Oma, wo sie immer mit hin musste. Ihre Namensgebung: «Trockenhaube» – aber wie sie betont, nicht in einem negativen Sinne.

Kitten Fur: Ein bisschen Miau Miau schadet nicht, oder doch?
Mit dem Duft «Kitten Fur» halte ich meinen wahr gewordenen Alptraum in den Händen, denn: Nicht genug, dass ich mit den meisten Parfüms auf Kriegsfuss stehe. Jetzt gibt’s scheinbar auch noch einen Duft von dem Tier, von dem ich behaupte, dass es einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat. Aber gut, ich muss es ja nicht tragen. Meine nichts ahnenden Kollegen schnuppern am Teststreifen. Ramon spürt sogleich Lush-Vibes und verweist auf die (bei ihm nicht so beliebten) Badebomben aus dem Seifen-Shop. «Badeplausch» lautet sein Namens-Tipp. Auch Caro zieht es in die Seifen Ecke. Für sie riecht das ganze verdächtig nach «Soapy Satisfaction» und im Abgang nach Baby-Tüchern. Pia erinnert das Parfüm ebenfalls an eine Seife, aber an eine, die man in einem Nicht-Hipster-Restaurant vorfinden würde. Du weisst schon, weil Hipster-Restis zu Soeder oder Aesop greifen würden. «Milli Vanilli», so ihr Résumé.
Cannabis Flower: nicht gerade das höchste der Gefühle
Während Caro ganz klar Himbeeren riecht und somit sicher ist, dass das Parfüm nach dem gleichnamigen Dessert «Heisse Liebe» benannt ist, tippt Ramon eher auf «Self-distilled», da ihm ein verdächtig starker Alkohol-Duft in die Nase dringt. Auch Mariya setzt auf Spirituosen – «Vodka pur», gefolgt von ihrer Expertenmeinung: «Also irgendwie riecht das echt scheisse!» In Pias Riechorgan geht es etwas gesitteter zu, sie nimmt lediglich etwas Bonbon-artiges wahr, das sie an «Eisbären» denken lässt. Zumindest sind sich alle einig, dass dieses Eau de Gras nichts mit Cannabis am Hut hat.
Pixie Dust: Zuckerschock im Nimmerland
Für Mariya duftet die Angelegenheit eindeutig nach Zuckerwatte. Caro hingegen sieht vor ihrem geistigen Auge eine Kinder-Erdbeer-Zahnpasta und betitelt das Werk sogleich mit «Chilbi-Besuch». Ramon zieht es in eine ähnliche Richtung. Hardcore Chrömle in der Badi, Hubba Bubba und so. Er vermutet auf dem Flakon ein Etikett mit der Aufschrift «Candy Shop». Da passt Pias Referenz zu den alten Center-Shock-Kaugummis prima dazu.
New Baby: auf der Suche nach dem Kind
«Ich schmöck gar nünt!», ruft Caro und tendiert somit gleich zu «Leitungswasser». Ramon beschreibt das Gerochene als Handdesinfektionsmittel trifft auf Fensterputzmittel. Er spekuliert somit auf den Namen «The Cleaner». Mariya zieht die Referenz zu Pias Restaurant-Seifen-Theorie von weiter oben. Und Pia selbst? Sie ist sich sicher, das erste Parfüm, das sie je besessen hat, in ihren Händen zu halten und entschuldigt sich mental bei ihrem Grossmami, dass sie sich jenes damals von ihr gewünscht hat. Und wo ist jetzt das «New Baby»? Zeit für eine Vermisstenanzeige...
Chocolate Chip Cookie: Kalorien zum Sprühen
Wir beenden das Experiment mit etwas Süssem zum Schluss. «Hat Martin heute nicht Muffins mitgebracht, die genau so riechen?», fragt Pia entusiastisch in die Runde. Alle sind sich ziemlich schnell einig, dass hier einiges an Schokolade mit reinspielt. Mit einem Hauch von Karamell, fügt Ramon noch hinzu. Caro hat da schon viel genauere Vorstellungen, von dem, was sie gerade riecht: Ein Schokokuchen, der gerade so lange im Ofen ist, dass er schön krustig angebräunt ist, gefährlich nahe an der Grenze zum Verbrannten. Zur Auswahl stehen «Willy Wonka» und «Chocolate Muffin».
Fassen wir mal zusammen
Chocolate Chip Cookie ist der einzige Duft, der seiner Namensgebung gerecht wird. Bei allen anderen kommt eher das Gefühl auf, dass ein Zufallsgenerator seine Finger im Spiel hatte. Vielleicht duften sie im sogenannten Fragrance-Layering, was so viel bedeutet wie verschiedenen Düfte miteinander zu kombinieren, besser. Dazu sind sie nämlich auch konzipiert. Wie wärs also mit «Baby Dust» oder einem «Cannabis Cookie»? Wir sind uns auf jeden Fall sicher: Wir hätten das mit der Namensgebung bestimmt besser hinbekommen.


Als Disney-Fan trage ich nonstop die rosarote Brille, verehre Serien aus den 90ern und zähle Meerjungfrauen zu meiner Religion. Wenn ich mal nicht gerade im Glitzerregen tanze, findet man mich auf Pyjama-Partys oder an meinem Schminktisch. PS: Mit Speck fängt man nicht nur Mäuse, sondern auch mich.