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Unilever verbannt das Wort «normal» aus Produktnamen

Unilever verzichtet ab sofort auf das Wort «normal» in Produktbeschreibungen. Grund dafür ist, dass der Konzern die Gefühle seiner Kundschaft schützen will. Denn das Wort «normal» habe keinen Platz in einem inklusiven Beauty-Vokabular.

In deinem Bad steht eine Flasche Axe-Duschgel, in deinem Schrank eine Dose Rexona und danach cremst du dich mit einer Bodylotion von Dove ein. Alle diese Marken gehören zum Mutterkonzern Unilever. Deshalb ist es gut möglich, dass du bei diesen Marken in Zukunft eine etwas abgeänderte Produktbeschreibung vorfinden wirst.

Denn das britische Unternehmen mit Hauptsitz in London hat letzte Woche in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, dass alle Kosmetik- und Körperpflegemarken des Mutterkonzerns in Zukunft auf das Wort «normal» in ihren Produktbeschreibungen verzichten werden. Die neue sprachliche Richtlinie soll weltweit durchgesetzt werden.

Dies, weil der Konzern die Gefühle der Kundinnen und Kunden schonen möchte, die sich vom Wort negativ angesprochen fühlen.

Studie gab Anstoss

Bei der Entscheidung soll auch eine internationale Studie des Konzerns ausschlaggebend gewesen sein. Darin sollen sieben von zehn Personen bestätigt haben, dass das Wort «normal» auf Kosmetikverpackungen negative Gefühle weckt – und solche wären im Beauty-Kontext fehl am Platz.

Denn ganze 74% waren zusätzlich der Meinung, dass sich die Kosmetik- und Körperpflegeindustrie nicht nur darauf konzentrieren sollte, dass Menschen besser aussehen sondern dass sie sich auch besser fühlen.

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Wo liegt das Problem?

In der Branche ist üblicherweise von vier Hauttypen die Rede. Dabei wird zwischen normaler, trockener, fettiger und Mischhaut unterschieden. Letztere drei beschreiben einen tatsächlich möglichen Zustand der Epidermis. «Normal» hingegen fliesst übers Beschreiben ins Wertende hinein.

Gemäss Duden bedeutet das Adjektiv nämlich «der Norm entsprechend, vorschriftsmässig» oder «so beschaffen/geartet, wie es sich die allgemeine Meinung als das Übliche, Richtige vorstellt».

Interessant ist hier jedoch: Der «normale» Hauttyp – perfekt rosig und ausgeglichen – ist bei Weitem nicht der übliche. Praktisch in jeder Beschreibung wird betont, dass es sich bei «normal» um einen seltenen (Neutrogena) und äusserst beneidenswerten (Nivea) Hauttyp handelt, der nur von einem auserwählten Kreis (Lavera) als eigenen bezeichnet werden kann und den viele Menschen gerne hätten (L’Oréal).

Andere Adjektive müssen her

Im Rahmen seiner neuen Strategie für «Positive Beauty» will Unilever solche Wertungen umgehen und dazu beitragen, die «Diskriminierung in der Schönheitsindustrie zu beenden».
Denn das neue Beauty-Zeitalter soll laut dem britischen Verbrauchsgüterkonzern «inklusiv, gerecht und nachhaltig» sein.

Das passt zum Zeitgeist. Denn Individualität wird heute grösser geschrieben denn je. Das heisst, dass jeder für sich selbst entscheiden muss, was wünschenswert ist und was nicht – was dann auch für Hauttypen gelten dürfte.

Wie viele und welche Produkte genau von der neuen Sprachregelung betroffen sind, ist unbekannt. Auf welches Wort Unilever stattdessen zurückgreifen will, wird in der Pressemitteilung nicht gesagt. Ein Blick auf die Schweizer Seite von Dove zeigt bei Hautbedürfnissen jeweils fünf verschiedene Typen an – und keiner davon ist «normal».

Für die Kundin, die nicht intuitiv vom Wort «normal» auf eine perfekt rosige, problemfreie Haut schliesst, dürften präzisere Adjektive wohl hilfreicher beim Kauf der eigenen Pflegeprodukte sein.

Rebranding an diversen Fronten

Auch wenn der milliardenschwere Mutterkonzern zurzeit eine Vorbildrolle bei der Kreation von inklusiven Schönheitsidealen einnehmen will, ist Unilever selbst über die Jahre nicht ohne eigene Kontroversen davongekommen.

Im Jahr 2017 wurde dem Hautpflege-Brand Dove Rassismus vorgeworfen. Ein Werbespot zeigte, wie sich ein schwarzes Model beim Ausziehen ihres T-Shirts kurzerhand in ein weisses Model verwandelt. Dove entfernte den Werbeclip und postete stattdessen eine entsprechende Entschuldigung.

Doch nicht nur westliche Brands haben Kritik erfahren. Im Sommer 2020 hat der indische Zweig Unilevers eine Crème zur Hautaufhellung von Fair & Lovely (zu Deutsch: Hell & Schön) zu Glow & Lovely umgetauft. Das nachdem zwei Petitionen einen Produktionsstop des kontroversen Hautpflegeproduktes forderten.

«Woke Advertising» nimmt zu

Unilever ist bei weitem nicht der einzige milliardenschwere Weltkonzern, der zunehmend Inklusivität, Diversität und soziale Themen ins Zentrum ihrer Werbebotschaften setzt. In den letzten Jahren hat das sogenannte «Woke Advertising» besonders im amerikanischen Raum zugenommen.

Der Sportwarenhersteller Nike hat 2018 einen Werbeclip mit Colin Kaepernick gedreht. Dieser wurde zuvor aufgrund seiner Kniefall-Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA aus der NFL ausgeschlossen.

Auch der Rasierklingenhersteller Gillette hat im Zuge der #MeToo-Bewegung im Jahr 2019 in einem kontroversen Werbespot für den Superbowl Stellung zu problematischen Männlichkeitsvorstellungen genommen.

Wie sehr aktuelle Protestbewegungen, soziale Ungleichheiten oder gesellschaftliche Missstände den milliardenschweren Weltkonzernen tatsächlich am Herzen liegen, ist schwer zu sagen. Was klar ist: Inklusion und Diversität sind die Schlagwörter der Stunde und bringen dementsprechend nicht nur Aufmerksamkeit – sondern auch Umsatz.

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«Ich will alles! Die erschütternden Tiefs, die berauschenden Hochs und das Sahnige dazwischen» – diese Worte einer amerikanischen Kult-Figur aus dem TV sprechen mir aus der Seele. Deshalb praktiziere ich diese Lebensphilosophie auch in meinem Arbeitsalltag. Das heisst für mich: Grosse, kleine, spannende und alltägliche Geschichten haben alle ihren Reiz – besonders wenn sie in bunter Reihenfolge daherkommen. 


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