
Hintergrund
Ein einschneidendes Erlebnis: Mein Umstieg auf die Linkshänderschere
von Michael Restin
Es ist Zeit, euch besser kennenzulernen. Was für Menschen stecken hinter den mehr oder weniger kreativen Usernamen? Gutmütige LEGO-Liebhaber, wie’s scheint.
Do-It-Tante, Star-Wars-Verweigerer, «Tierhasserin», Chaos-Königin. Unterdessen kennt ihr mich durch meine Artikel ein bisschen. Ich aber weiss kaum etwas über euch, unsere Galaxus-Community. Zeit, den Spiess umzudrehen und euch ins Scheinwerferlicht zu rücken. Dafür bediene ich mich an unseren Daten vom gesamten Jahr 2019. Keine Angst, du bist nicht mehr als ein Promill in schön aufbereiteten Prozentzahlen. Nur du erkennst dich darin wieder. Um trotzdem mehr oder weniger sinnvolle Aussagen treffen zu können, gliedere ich jede Sparte nach Altersgruppen. Schliesslich ticken 60-Jährige selten wie unter 20-Jährige.
Wer sich ein Profil auf Galaxus einrichtet, will primär einkaufen. Dachte ich zumindest. In jeder Alterskategorie tummeln sich mindestens 20 Prozent, die noch nie in irgendeiner Form interagiert haben. Bei den unter 20-Jährigen sind es sogar mehr als 40! Gilt es unter Jugendlichen als cool, sich als Galaxus-Community-Mitglied zu outen? Laufen wir bald TikTok und Snapchat den Rang ab? Ich träume schon. Damit es wirklich soweit kommt, müsst ihr euch nur noch trauen, euer Profil auch zu benutzen.
Trotz dieser markanten Zahl an Gammlern stellen die reinen Einkäufer mit Abstand die grösste Gruppe dar. Interessant ist, dass ab 60 die Zahl an Bewertungen und Community-Fragen sowie -Antworten nach oben geht. Anscheinend nehmt ihr euch ab der Pension mehr Zeit für die Gemeinschaft. Die Kommentarfunktion ist dennoch weit weg von Massentauglichkeit. Dieses Recht behalten sich bislang nur Wenige vor.
Bei den Vornamen hat sich über die Jahrzehnte viel getan. Von Ursula zu Michelle und von Peter zu Noah. Die Trends, die sich in der Community abzeichnen, sind stellvertretend für die gesamte Schweiz. Die Auswertungen des Bundesamts für Statistik sehen ziemlich ähnlich aus. Ein paar Ausreisser wie Michelle bei den U20-Frauen gibt’s zwar, aber im Grossen und Ganzen waren eure Eltern wenig einfallsreich.
Es gibt eine Sache, die euch alle verbindet: LEGO. Ob für dich selbst, für die eigenen Kinder oder Enkelkinder oder zum Geburtstag irgendwelcher Nachbarskinder, die Klemmbausteine passen immer. Community-Mitglieder über 60 scheinen einen ausserordentlichen Haarwuchs zu haben, den sie mittels Rasierer in Zaum halten müssen. Ist das erledigt, werden die Zähne geputzt. Immer. Unter 20 sind Handys wichtiger als Mundhygiene, darum werden die Dinger stets in Hüllen gepackt. Auch immer dabei: eine Trinkflasche gefüllt mit stillem Wasser, das sicher im Kanken verstaut wird. An Nachwuchs denkt ihr erst ab 30 so richtig, mit 50 ist dann Schluss. Spätestens zur Pension sollen alle Kinder aus dem Haus sein.
Ihr seid durch die Bank grosszügig. Ihr alle gebt im Durchschnitt über vier von fünf möglichen Sternen. Dennoch macht sich das Phänomen der Altersmilde in der Statistik bemerkbar. Ab 60 sitzen die Sterne nochmal lockerer. Der sinkende Testosteronspiegel lässt euch entspannter werden und hält euch davon ab, überall das Haar in der Suppe zu suchen.
In den Kommentaren lässt sich eine Tendenz zu positiv konnotierten Wörtern erkennen – auch wenn’s uns Redaktoren teilweise vielleicht nicht so vorkommt. Der Fokus aufs Negative ist menschlich, schau dir nur einmal die Headlines jeglicher Online-Zeitungen an. Wenn ich den «negativity bias» durch harte Fakten ersetze, erkenne ich schnell, dass positive Wörter wie «gut» und «danke», aber auch neutrale wie «Galaxus» und «Artikel» negativ behaftete wie «schwierig» und «Problem» klar ausstechen. Und zwar in jeder Altersgruppe. Interessant: Bei den Jugendlichen hat sich «Höschen» einen Platz weit vorne gesichert. Sex scheint sich vor allem unter 20 wahnsinnig gut zu verkaufen.
All die Kommentare und Bewertungen, Community-Fragen und Antworten sind nicht nur für eine lebendige Interaktion wunderbar, sondern auch, um eure Orthografie zu überprüfen. Wie sattelfest seid ihr, wenn’s um die richtige Schreibweise geht? Hat’s in «nämlich» nun zwei «h» oder nicht? Die Antwort: Nein und ihr macht das im Durchschnitt ganz gut. Mit knapp 9 Prozent ist die Fehlerquote bei den 20- bis 29-Jährigen am höchsten. Mit zunehmendem Alter nimmt diese ab – auf den ersten Blick.
Die umstrittenen Anglizismen verfälschen das Ergebnis leicht, denn diese werden in der Überprüfung auf deutsche Rechtschreibung als Fehler gezählt. Sobald sie als korrekt gelten, ergibt sich ein anderes Bild. Ab 60 Jahren häufen sich die Fehler. Ob der Grund dafür eine gewisse Nonchalance dem Thema gegenüber oder tatsächlich mangelnde Kenntnisse sind, lässt sich nicht belegen. Was sich aber belegen lässt: Am meisten Anglizismen werden zwischen 20 und 30 Jahren verwendet.
Anyway, das seid also ihr, die Galaxus-Community. Hast du dich darin erkannt oder schwimmst du komplett gegen den Strom?
Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.