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Sami Lesebär im Test: Was taugt der Vorlese-Roboter für Kinder?

Katja Fischer
28.11.2022

Lesebär Sami soll uns beim täglichen Vorlesemarathon unterstützen. Meine Kinder und ich haben den neuen Mitarbeiter geprüft. Und ihm wieder gekündigt.

Kindern vorlesen ist wunderbar. Gemeinsam in ein Buch eintauchen, mit Kinderaugen Dinge entdecken, sich in Figuren und Tiere hineinversetzen… Klingt toll, ist toll.

Aber es ist wie bei so vielem. Wenn du’s zu oft machst, leidet irgendwann die Lust. Ginge es nach meinen beiden Töchtern, müsste ich täglich mindestens drei Geschichten vorlesen. Pro Kind wohlgemerkt. Schliesslich haben sie mit ihren drei und sechs Jahren ganz unterschiedliche Vorlieben. Mal abgesehen vom schwindenden Lustgefühl fehlt mir dafür schlicht die Zeit.

Ich habe deshalb Verstärkung ins Haus geholt: Lesebär Sami von Ravensburger soll meinen Mann und mich bei den täglichen Vorleserunden unterstützen.

Sami wird zum Leben erweckt

Das Starterset enthält auch ein Geschichtenbuch: «Der grösste Schatz der Welt» wird gleich mitgeliefert. Deshalb kommt die Verpackung viel grösser daher als die eigentliche Hauptattraktion, der 14 Zentimeter kleine Eisbär. Mit dem beigelegten Micro-USB-Kabel hauche ich ihm Leben ein.

Um Sami rund zwei Stunden später einzuschalten, drücke ich zwei Sekunden lang auf einen Knopf auf seiner Mütze. Er fordert mich auf, einmalig das WLAN einzurichten. Ich verbinde Sami also mit dem eigens bereitgestellten WLAN und rufe anschliessend eine Konfigurationsseite auf, um die Zugangsdaten des heimischen WLANs einzugeben. Klappt rasch und reibungslos.

So funktioniert der Lesebär

Auf jeder rechten Buchseite ist ein kaum erkennbarer Punkte-Code abgedruckt. So weiss Sami immer, wo du dich in der Geschichte befindest. Unter seiner Tasse befindet sich ein optischer Sensor, der den Code entschlüsselt und die Audiodatei über einen Lautsprecher an Samis Rücken wiedergibt. Heisst aber auch: Sami funktioniert nur mit den dazugehörigen Büchern.

Die Bedienung erfolgt über seinen Kopf. Per Druck auf seine Ohren kannst du die Lautstärke anpassen: Links stellst du leiser, rechts lauter. In der Mitte, seiner Mütze, stellst du ein und aus oder drückst Pause. Kann jedes Kind.

Ansonsten hat Sami kaum Knöpfe und Funktionen. Auf der Rückseite der Eisscholle befindet sich der Zugang für den USB-Anschluss, zudem eine Kopfhörer-Buchse.

Mami findet: tolle Akustik, langsames Tempo

Seite für Seite liest mir jetzt eine angenehme und unaufgeregte weibliche Stimme eine Geschichte über das Affenkind Mono vor. Dank einer Hintergrundkulisse mit Vogelgezwitscher, Tierlauten und Maschinengeräuschen bin ich sofort im Urwald und damit mitten in der Story. Später wird auch noch gesungen. Die dazugehörigen Bilder untermalen die Geschichte und ich stelle fest: Eigentlich ist Sami ein Mix aus Bilder- und Hörbuch.

Was mir sofort ins Auge und Ohr sticht: Die Akustik ist toll – viel besser, als wir es von den Tiptoi-Stiften gewöhnt sind. Und die Illustrationen sind sehr liebevoll gestaltet und sprechen mich an.

Bloss ein Problem für eine ungeduldige Erwachsene? Ich bin gespannt, ob es meinen Kindern auch so ergehen wird. Und bestelle gleich noch ein weiteres Buch – eine tierische Weihnachtsstory für knapp 21 Franken –, um das Testfeld zu vergrössern.

Die Kinder finden: herzige Figuren, zu wenig Bilder

Mit dem Ergebnis, dass die Dreijährige die Sprecherin permanent unterbricht, indem sie die Seite frühzeitig umblättert. Die Sechsjährige ist zwar geduldiger und wartet bis zum Ende. Auch, weil sie als Erstklässlerin versucht, den Text leise mitzulesen. Aber: «Das Weihnachtsbuch ist besser», resümiert sie bald. «Die Geschichte ist spannender, und die Tiere sind so herzig. Es gibt auch viel mehr auf den Bildern zu sehen.»

Während wir uns also in Geduld üben, scheint unser Gegenüber derweil Nerven aus Stahl zu haben. Sami liest die Bücher auf Wunsch auch gerne dreimal hintereinander vor, wildes Hin- und Herblättern erträgt er anstandslos und wenn’s sein muss, widmet er sich einer Lieblingsstelle auch ein elftes Mal. So viel Zeit und Geduld wie Sami hat wirklich niemand.

Auch sonst erweist er sich als äusserst flexibel. Ob beim Herumtragen oder in aufrechter Sitzhaltung: Stabil klammert er sich mit seiner Eisscholle am Buch. Komme, was wolle. Auch seine Kinderkrankheit scheint inzwischen gelöst zu sein. Seiten, die – vor allem in der Mitte des Buches – nicht gut genug gefaltet seien, würde Samis Sensor nicht erkennen, kritisierten beim Start vor gut einem Jahr einige Eltern. Bei uns funktionierte das aber problemlos.

Fazit: schöne, aber kostspielige Vorlese-Ergänzung

Unter dem Strich ist Lesebär Sami eine schöne Ergänzung, er ersetzt das klassische Vorlesen der Eltern aber nicht. Soll er auch nicht.

Die Audioqualität ist, im Gegensatz zu Tiptoi-Stiften, super. Dafür gibt’s, ausser dem Blättern, keine interaktiven Elemente. Die Bildergeschichten sind herzig gestaltet, könnten aber je nach Buch ein paar Illustrationen mehr vertragen. Inbetriebnahme und Bedienung sind so simpel, dass schon ein dreijähriges Kind mit den wenigen Funktionen gut zurechtkommt.

Für uns bleibt Sami ein temporärer Mitarbeiter, der uns nach drei Testwochen wieder verlässt. Würden wir ihn fest anstellen – sprich: selber kaufen? Eher nicht. Dafür sind seine Bücher, die es zwingend braucht und die pro Band rund 20 Franken kosten, dann doch etwas zu teuer.

«Der Geschichtendurst ist manchmal grösser als das Zeitbudget der Eltern», schrieb Ravensburger bei Samis Lancierung in einer Pressemitteilung. Das stimmt. Grösser als das finanzielle Budget aber leider auch.

Auftaktbild: Katja Fischer

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Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.


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