Hintergrund

Neue Studie: Was hilft gegen Albträume?

Anna Sandner
5.5.2023

Ein Schweizer Forschungsteam konnte mit einer neuen Behandlungsmethode Albträume nachhaltig verjagen. Gezielte Gedächtnisreaktivierung (TMR) kann Menschen mit Albtraumstörung zu besserem Schlaf verhelfen.

Wer nachts von Albträumen geplagt wird, leidet nicht selten auch tagsüber unter dem negativen Schlaferlebnis. Ein wahrer Traum wäre es also, ließen sich die schlechten Träume langfristig vertreiben.

In einem kleinen neurowissenschaftlichen Experiment konnten Forschende nun eine gedächtnisfördernde Technik demonstrieren, die ungestörten Schlaf für einige Albtraum-Geplagte zur Realität werden lässt. Für die Zukunft erhofft sich das Schweizer Forschungsteam, mit der Technik auch Patientinnen und Patienten mit posttraumatischen Belastungsstörungen helfen zu können.

Schlechten Träumen ein gutes Ende geben

Bisher werden Albtraumstörungen mit sogenannter Imagery Rehearsal Therapy (IRT), einer Bildtherapie behandelt. Bei dieser Behandlung stellen sich die Patienten die Albträume mit einer positiven Wendung vor, indem sie die neue Geschichte im Wachzustand mental durchspielen. Die IRT kann die Häufigkeit der Albträume bei den meisten Patienten verringern, aber bei fast einem Drittel schlägt sie fehl.

Gezielte Gedächtnisreaktivierung hilft, Albträume zu vertreiben

Durch gezielte Gedächtnisreaktivierung, sogenannte Targeted Memory Reactivation (TMR), gelang es der Neurowissenschaftlerin Sophie Schwartz und ihrem Team von der Universität Genf, die Wirkung der Bildtherapie zu verstärken. Bei dieser Technik erklingt ein Ton, während sich eine Person darauf konzentriert, etwas zu lernen. Derselbe Hinweiston wird dann erneut abgespielt, wenn die Testperson schläft. Durch den Signalton während des Schlafes kann das damit verbundene Gedächtnis – also das, was die Testperson gelernt hat, als der Ton zuvor abgespielt wurde – reaktiviert und gestärkt werden.

Für die Studie wurden 36 Personen mit Albtraumstörungen in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe bekam ein gewöhnliches IRT-Training. Bei der anderen Gruppe wurde das IRT-Training, also die Vorstellung eines positiven Albtraumendes, von einem kurzen Klavierakkord begleitet.

Signalton an, Albtraum aus – in den meisten Fällen klappt’s

Zwei Wochen lang übten beide Gruppen täglich, ihren Albträumen ein gutes Ende zu geben und führten dazu ein Traumtagebuch. Während sie schliefen, trugen die Teilnehmenden ein sensitives Stirnband, um anhand der elektrischen Aktivität im Gehirn die jeweiligen Schlafphasen zu detektieren. In den REM-Phasen des Schlafs, also den Traumphasen, erklang für beide Gruppen alle zehn Sekunden der Klavierakkord. Da nur die TMR-Gruppe auf diesen Ton konditioniert wurde, konnten auch nur diese Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Klang mit ihrem neuen Szenario aus dem IRT-Training assoziieren.

Bei beiden Gruppen verbesserte das IRT-Training die Situation merklich: Die Gruppe, die nur IRT erhielt, hatte durchschnittlich noch einen Albtraum pro Woche statt drei quälenden Traumerlebnissen. Bei der Gruppe, die ihre positiven Traumenden mit dem Klavierakkord verknüpft hatten, löste die TMR die Albträume fast vollständig auf. Ihr wöchentlicher Durchschnitt von drei Albträumen sank auf 0,2. Darüber hinaus förderte das Training sogar glücklichere Träume.

Und auch langfristig war die Kombination aus IRT und TMR im Vorteil: Nach drei Monaten stieg der Durchschnitt der TMR-Gruppe nur geringfügig von etwa 0,2 auf 0,3 Albträume pro Woche, während der Durchschnitt der Gruppe, die nur IRT erhielt, auf 1,5 anstieg.

Ein Anfang ist gemacht, größere Studien müssen folgen

Die Ergebnisse der Schweizer Forschenden sind vielversprechend, doch Studien mit größerem Umfang müssen folgen, um die Ergebnisse verallgemeinern zu können. Dafür war die Teilnehmerzahl bisher zu gering und die untersuchte Personengruppe bestand ausschließlich aus 20- bis 35-Jährigen mit Albtraumstörung ohne psychische Erkrankungen. Außerdem fehlte in der Studie eine Kontrollgruppe, die gar nicht mit IRT behandelt wurde, um die Behandlungen korrekt ins Verhältnis setzen zu können.

Kommerzielle Schlaftracker können Schlafstadien noch nicht genau genug unterscheiden

Bis die Kombination aus IRT und TMR als Therapieform allgemein zugänglich wird, dauert es also noch. Auch wenn weitere, größere Studien die Ergebnisse bestätigen, sind kommerziell erhältliche Schlaftracker derzeit noch ein Hindernis. Die Geräte auf dem Markt sind bislang nicht im Stande, die Schlafstadien so genau zu unterscheiden wie die Gehirnstrommessungen, die in der Studie genutzt wurden.

Unter klinischen Bedingungen ist in Zukunft aber möglicherweise auch ein Nutzen für Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung denkbar, bei denen Albträume traumatische Ereignisse wiederholen. Doch auch dafür bedarf es zunächst weiterer Studien.

Quelle: S. Schwartz, A. Clerget and L. Perogamvros. Enhancing imagery rehearsal therapy for nightmares with targeted memory reactivation. Current Biology. Published online October 27, 2022. doi: 10.1016/j.cub.2022.09.032.

Titelfoto:gorodenkoff/shutterstock

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Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.


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