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Ein Deutscher erklärt mir Schwingen

Vom Schwingen habe ich keine Ahnung. Schade. Jetzt, wo alle Welt den Schweizer Nationalsport neu entdeckt und plötzlich alle schon immer alles über das Schwingen gewusst haben wollen. Darum frage ich nach – bei einem Deutschen.

Auch meinen Kollegen, den Balissat Simon, hat das Schwingfieber gepackt.

Plötzlich bin ich nun also von Schwing-Experten umgeben. Alle wissen, was ein Gestellter ist und wie der Brienzer geht. Und wann man wo was zu trinken hat. Schwingen ist hip, nicht nur auf der Alp, auch in Züri West. Muss mein Wissen aufbessern, schliesslich will ich mitreden können. Ich weiss auch schon, bei wem ich mich schlau mache. Es gibt da nur ein Problem: Der gute Mann ist Deutscher. Ausgerechnet!

Selbst ist der Brocken

Ludwig Matthias ist Schwabe. Nein, nicht Schwoob, das ist ein Schimpfwort. Er kommt aus dem Schwabenland, lebt und arbeitet seit einigen Jahren im Grossraum Zürich. Der Ludwig Matthias ist diplomierter Sportwissenschaftler, Personal Coach und betreut unter anderem auch einige Schwinger. Und er ist selbst ein stattlicher Zeitgenosse.

Aktuell betreust du drei Schwinger. Nehmen deine Athleten auch am Eidgenössischen teil?
Ludwig Matthias, Personal Coach: Ja, einer davon ist der Vollenweider Jeremy.

Hast du eine Ahnung, warum der Schwinger zuerst mit Nachnamen genannt wird?
Keine Ahnung. Tradition, die irgendwoher kommt. Ich weiss es ehrlich gesagt nicht.

Und die Schwinger, die nicht deine Nachbarn sind?
Das klappt auch online. So habe ich zum Beispiel mit von Weissenfluh Kilian, den ich bis vor Kurzem betreut habe, gearbeitet. Da erstelle ich einen dezidierten Trainingsplan, wir kontrollieren das mit Video und ich besuche den Athleten auch, um beispielsweise das Langhantel-Training sauber aufzugleisen. Funktioniert bestens.

Du hast vorhin die Dauer des Ganges erwähnt. Warum heisst der Gang nicht Wettkampf oder Runde?
Weil der Wettkampf oder Schwinget/Schwingfest die ganze Veranstaltung meint. Der Gang ist der einzelne Abschnitt eines Wettkampfs. Normalerweise bestreiten die Schwinger sechs Gänge, am Eidgenössischen sind es acht.

Und wie lange dauert so ein Gang?
Je nach Grösse des Anlasses wird die Gangdauer bestimmt. Bei einem Regionalfest sind es vier Minuten, beim Schlussgang des Eidgenössischen Schwingfests 16 Minuten.

Nenne mir doch bitte mal die wichtigsten Schwünge. Kriegst du die wichtigsten fünf zusammen?
Wichtig ist natürlich relativ (lacht). Ich probier's: Also da wäre der Kurz. Dann der Brienzer, da gibt's glaube ich zwei Varianten: aufwärts und abwärts. Dann der Wyberhaken, der Hüfter und der Fussstich. Das sind fünf, oder?

Das führt doch sicher immer wieder zu Diskussionen. Ist diese Note gerecht oder nicht? Ich war doch aktiv, wieso bekomme ich nur diese Punktzahl?
Es menschelt überall. Am Ende hat das Kampfgericht immer recht.

Dann gibt es die Schwinger in Weiss und solche mit den berühmten Edelweisshemden. Was hat es damit auf sich?
Der «Weisse» ist einem Turnverein angeschlossen, der Senn nicht. Der ist Mitglied eines Schwingklubs. Soviel ich weiss.

Schwingen hat auch etwas Höfliches. Vor dem Gang reicht man sich die Hände. Nachher wischt der Sieger dem Verlierer das Sägemehl vom Rücken. Das gefällt mir.
Ja, es wird viel Wert auf Respekt gelegt.

Letzte Frage: Was sollte ich zwingend dabei haben, wenn ich das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest besuche?
Feldstecher, Sitzkissen (falls es nicht vom Sponsor welche gibt), Regenpelerine, Sackmesser, Sonnencreme, Wurst. Und ein Bier, da es dieses Jahr in Zug stattfindet, im Welschland dann Weisswein. Ich hatte vor langer Zeit mal eine Freundin aus dem Wallis. Da gab's immer nur Weisswein.

Ludwig Matthias, ich danke für diesen Gang durch das Sägemehl.
Bitte gerne.

Lupf mal hier an meinem Autorenprofil.

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Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.


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