

Blutzuckerkontrolle (fast) ohne Pieks: 14 Tage Alltagstest mit dem FreeStyle Libre 3
Wie der FreeStyle Libre 3 kontinuierliche Blutzuckermessung ermöglicht und warum er auch für Nicht-Diabetiker spannend ist. Res Kocher, Teamlead im Engineering bei Galaxus, hat den Sensor getestet und berichtet von überraschenden Erkenntnissen.
Eine feste Regel in der Galaxus-Redaktion ist: Wir testen Produkte selbst auf Herz und Nieren, bevor wir darüber berichten. Doch diesmal mache ich eine Ausnahme und berichte über ein Blutzuckermesssystem im Interview-Format. Denn: Mein Kollege Res Kocher, Teamlead im Engineering, hat den Abbott FreeStyle Libre 3 Sensor ausgiebig ausprobiert und dabei so detaillierte Erfahrungen gesammelt, dass er dir am besten selbst davon erzählt.

Das Besondere an dem Sensor ist, dass er eine kontinuierliche Überwachung der Blutzuckerwerte ermöglicht – ohne dass du dich dafür ständig in den Finger stechen musst. Warum Res sich entschieden hat, den Sensor zu testen, welche Funktionen ihn überzeugen und wo er Verbesserungspotenzial sieht, verrät er im Interview.
Res, du hast den Abbott FreeStyle Libre 3 Sensor getestet. Was hat dich dazu gebracht, das Gerät als Nicht-Diabetiker auszuprobieren?
Res: Bei einem Routine-Check war mein Blutzuckerwert etwas erhöht – der Durchschnittswert über zwei bis drei Monate (HbA1c-Wert). Das hat mich verunsichert, und ich wollte wissen, wie mein Körper auf verschiedene Lebensmittel reagiert und was ich besser machen kann.

Das klingt nach einem spannenden Selbstversuch. Wie war dein erster Eindruck vom Sensor?
Die Installation hat mich zu Beginn etwas verunsichert, weil man den Sensor inklusive ganz feiner Nadel auf die Haut bzw. unter die Haut bringen muss. Danach war ich jedoch positiv überrascht, wie einfach und unauffällig der Sensor ist. Er misst jede Minute die Glukosewerte und speichert sie lokal, bis man sie aufs Smartphone überträgt. Kein ständiges Pieksen, kein Scannen und trotzdem habe ich kontinuierliche Werte bekommen – das war echt praktisch.

Du hast den Sensor zwei Wochen lang durchgehend an der Rückseite deines Oberarms getragen. Hält er fest genug oder hattest du Bedenken, dass er abfallen könnte? Und hat er dich gestört, etwa beim Sport oder Schlafen?
Er hat immer sehr gut gehalten. Wichtig ist, dass die Stelle am Oberarm gut gewählt wird. Sitzt der Sensor zu nah am Ellbogen, kann er stören. Ist er jedoch zu hoch, also zu nah an der Schulter, kann er bspw. beim Ausziehen des Shirts einhängen und abreißen. Daher war eine Stelle knapp unter dem Ärmel top. So hat er ohne Probleme die zwei Wochen gehalten. Auch beim Schlafen, Baden, Sauna, Sport oder Ähnlichem. Beim Schlafen kann es jedoch passieren, dass man auf dem Sensor liegt und dadurch zwischenzeitlich die Genauigkeit der Daten reduziert.


Was hast du während der 14 Tage, in denen du den Sensor getragen hast, herausgefunden?
Es war wirklich spannend zu sehen, wie mein Blutzuckerspiegel auf verschiedene Lebensmittel reagiert. Der Verlauf meiner Werte war komplett unterschiedlich. Es macht einen riesigen Unterschied, ob ich Teigwaren mit oder ohne zusätzliches Fett und Proteine esse.
Hintergrund: Was ist der glykämische Index?
Der Glykämische Index (GI) ist ein Maß dafür, wie stark und wie schnell ein kohlenhydrathaltiges Lebensmittel den Blutzuckerspiegel nach dem Verzehr ansteigen lässt. Der GI wurde entwickelt, um die Wirkung verschiedener Lebensmittel auf den Blutzucker vergleichbar zu machen. Als Referenzwert dient meist Traubenzucker (Glukose), der einen GI von 100 besitzt. Lebensmittel mit einem hohen GI (über 70) führen zu einem raschen und starken Anstieg des Blutzuckers, während Lebensmittel mit einem niedrigen GI (unter 55) den Blutzucker nur langsam und moderat ansteigen lassen. Ein schneller Anstieg des Blutzuckers kann zu Heißhunger, Energieschwankungen und langfristig zu Insulinresistenz oder Typ-2-Diabetes führen. Deshalb ist es sinnvoll, bevorzugt Lebensmittel mit einem niedrigen GI zu wählen, um den Blutzuckerspiegel stabil zu halten.
So kannst du deinen Blutzuckerspiegel stabilisieren
Wenn du beispielsweise zu einer Portion Nudeln (hoher GI) noch etwas Olivenöl (Fett) und Hähnchenbrust (Protein) hinzufügst, steigt dein Blutzucker nach der Mahlzeit deutlich langsamer und weniger stark an als beim Verzehr der Nudeln allein. Dadurch bleibt der Blutzuckerspiegel stabiler, was nicht nur das Risiko von Heißhungerattacken senkt, sondern auch langfristig die Gesundheit fördert – insbesondere für Menschen mit Diabetes oder Insulinresistenz.
Zwar hat jedes Lebensmittel einen eigenen GI, doch die glykämische Wirkung einer Mahlzeit wird maßgeblich von deren gesamter Zusammensetzung beeinflusst. Durch die Kombination von Kohlenhydraten mit Fett und Protein lässt sich der Blutzuckerverlauf positiv beeinflussen und das Risiko für Blutzuckerspitzen und Heißhungerattacken reduzieren.

Hast du die Messungen mit deiner Ärztin besprochen?
Ja und ihr die detaillierte Auswertung als PDF zur Verfügung gestellt. Sie hat mir geraten, die gewonnenen Erfahrungen weiterhin zu nutzen und den HbA1c-Wert in einigen Monaten erneut bestimmen zu lassen.
Das klingt wirklich hilfreich. Würdest du sagen, dass so ein Sensor auch für Menschen ohne Diabetes sinnvoll ist?
Auf jeden Fall! Es ist spannend, zu sehen, wie der Körper auf bestimmte Lebensmittel oder auch auf Sport reagiert. Ich habe viel darüber herausgefunden, welche Lebensmittel sich ungünstig auf meinen Blutzuckerspiegel auswirken. Man lernt viel über sich selbst und kann seine Ernährung gezielt anpassen.

Quelle: Screenshot
Hast du dein Essverhalten oder deinen Lebensstil nach dem Selbstversuch geändert?
Seit dem Versuch achte ich bewusster auf meine Ernährung. Ich lege nun mehr Wert auf die Kombination von Kohlenhydraten mit Proteinen und Fetten, um den Blutzuckerspiegel stabil zu halten. Lebensmittel mit einem hohen glykämischen Index – wie zum Beispiel Süßigkeiten – habe ich deutlich reduziert. Außerdem gönne ich mir längere Pausen zwischen den Mahlzeiten und vermeide häufiges Snacken. Insgesamt gehe ich achtsamer mit meiner Ernährung um.
Kann der Sensor nach 14 Tagen wiederverwendet werden?
Leider nicht. Nach 14 Tagen muss ein neuer Sensor eingesetzt werden. Aber die Daten, die ich in dieser Zeit gesammelt habe, waren ausreichend, um mir einen Eindruck von der Wirkung der Lebensmittel zu machen.
Hat sich der Selbstversuch für dich gelohnt?
Durch den Versuch wurde mir direkt bewusst, wo noch Verbesserungspotenzial besteht. Ich habe erkannt, wie ich mit kleinen Anpassungen meinem Körper mehr Ruhe und Ausgeglichenheit schenken kann.
Anna: Vielen Dank Res, für deine hilfreichen Einblicke.
Res hat den Abbott FreeStyle Libre 3 Sensor getestet, der derzeit nicht verfügbar ist. Das neuere Modell, der FreeStyle Libre 3 Plus Sensor, bietet neben einer um einen Tag verlängerten Tragedauer auch eine erweiterte Altersfreigabe und zusätzliche Kompatibilität mit Insulinpumpen und AID-Systemen.
Fazit
Guter Alltagshelfer mit kleinen Kompromissen
Pro
- Sensor kann die Daten auch ohne Smartphone speichern
- individuell einstellbare Alarme für hohe/niedrige Werte
- einfache Bedienung und übersichtliche App
- hilfreiche Einblicke in Blutzuckerwerte und deren Verlauf
- lokale Datenspeicherung
- kontinuierliche Messung ohne ständiges Pieksen
Contra
- nicht alle Zusatzfunktionen sind für jeden Nutzer relevant
- Synchronisierung nur per Smartphone bzw. Spezialempfänger möglich
- hohe Anschaffungskosten
- Sensor nur 14 Tage nutzbar
Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.