Schlechtes Gewissen
Hast du auch ein schlechtes Gewissen, weil du dein Kind fremd betreuen lässt?
- Nein, überhaupt nicht.46%
- Ja, manchmal schon.39%
- Ja, das schlechte Gewissen verfolgt mich immer.14%
Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.
Immer wieder diskutiere ich mit Freunden über die Arbeit und damit zusammenhängend über die Kinderbetreuung. Was ist richtig, was falsch und warum boxt sich des Öfteren das schlechte Gewissen ins Gedächtnis, egal, für welches Arbeitsmodell wir uns entscheiden?
«Mama, warum gehst du arbeiten?» Ein Satz, der mir jede Woche fast das Herz zerreisst, wenn mein Mann und ich die Kleinen zu den Grosseltern bringen. Denn ein Kind weiss nicht, was Arbeit bedeutet. Es weiss nicht, warum das Elternteil einfach mal für ein paar Stunden oder vielleicht sogar Tage verschwindet. Warum der Papa oder die Mama abends so spät nach Hause kommen. Seine Welt besteht aus Spiel und Spass. Verpflichtung und Verantwortung kennt es nicht. Muss es auch nicht, es ist ein Kind!
Doch bin ich egoistisch, wenn ich meinen Marktwert erhalten und mich zwischendurch mit Erwachsenen über normale Themen unterhalten will. Wenn ich gerne einer Arbeit nachgehe, welche nicht mit «Hausfrau» bezeichnet wird? Wenn ich Geld dazu verdienen möchte, um der Familie ein unbeschwerteres Leben zu bieten? Ich finde nicht! Geht es dem Kind nicht besser, wenn es den Eltern gut geht, wenn sie ausgeglichen und glücklich sind? Ich finde schon!
«Ich will mein Kind geniessen, denn es ist nur einmal klein» kommt oft von Leuten, die zu Hause bleiben. Oder «Willst du denn dein Kind nicht geniessen? Es ist nur einmal klein!», wenn es als unterschwelliger Vorwurf formuliert wird. Aber auch Sätze wie «Wieso willst du noch arbeiten, du wolltest doch ein Kind!» oder «Findest du es dem Kind gegenüber nicht unfair, wenn du arbeitest, denn du hast dich ja für das Kind entschieden?», bringen mich auch unbewusst zum Nachdenken. Doch können Eltern ein Kind nicht trotzdem geniessen, auch wenn sie arbeiten? Wird die vorhandene Zeit nicht intensiver wahrgenommen, weil sie rarer ist? Kann die Beziehung zum Kind nicht gleich gut oder sogar besser sein, wenn du arbeitest, als wenn du nonstop Zuhause bist?
Nach etlichen Gesprächen mit verschiedenen Eltern, gehen die Meinungen in diesem Bereich extrem auseinander. Die einen wollen oder können nicht arbeiten, die anderen wollen und können arbeiten und dann gibt es noch die, die keine Wahl haben und arbeiten müssen, weil es die Umstände verlangen.
Zur Veranschaulichung findest du in der unten stehenden Tabelle dreizehn mögliche Arbeitsmodelle, die sich mit einem Kind vereinbaren lassen. Die Liste ist bei der Vielfalt an Stellen, die es auf dem Markt gibt, noch längst nicht abschliessend. Aber sie gibt dir einen Anhaltspunkt, wie du die Kinderbetreuung organisieren könntest. Als «Fremdbetreuung» bezeichne ich in der folgenden Liste eine Betreuung, die nicht von den Eltern wahrgenommen wird. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Grosseltern, Kita, Tagesmutter, Nachbarn oder Freunde.
Mutter | Vater | Kind | Bemerkung |
---|---|---|---|
Vollzeit | Vollzeit | Fremdbetreuung | |
Zuhause | Vollzeit | Eigenbetreuung | |
Vollzeit | Zuhause | Eigenbetreuung | |
Teilzeit | Teilzeit | Eigenbetreuung | 100% Pensum wird aufgeteilt |
Teilzeit | Teilzeit | Eigenbetreuung / Fremdbetreuung | Gesamt-Pensum ist grösser als 100% |
Teilzeit | Vollzeit | Eigenbetreuung / Fremdbetreuung | |
Teilzeit | Vollzeit | Eigenbetreuung | Da Schicht- oder Wochenendarbeit. Das andere Elternteil ist Zuhause. |
Vollzeit | Teilzeit | Eigenbetreuung / Fremdbetreuung | |
Vollzeit | Teilzeit | Eigenbetreuung | Da Schicht- oder Wochenendarbeit. Das andere Elternteil ist Zuhause. |
Vollzeit | - | Fremdbetreuung | Alleinerziehend |
Teilzeit | - | Eigenbetreuung / Fremdbetreuung | Alleinerziehend |
- | Vollzeit | Fremdbetreuung | Alleinerziehend |
- | Teilzeit | Eigenbetreuung / Fremdbetreuung | Alleinerziehend |
Wichtig: Das gewählte Arbeitsmodell muss für die Familie stimmen. Es darf kein zusätzlicher Stresspunkt sein, den es jede Woche zu bewältigen gilt. Spätestens dann sollten Eltern die gewählte Betreuungsvariante noch einmal überdenken oder in Zusammenarbeit mit Fachpersonen für andere Lösungen sorgen. Eine Mütter- und Väterberatung ist eine mögliche Anlaufstelle.
Ich arbeite mittlerweile 50 Prozent und mein Mann ist in Vollzeit tätig. Die Kinder sind abwechslungsweise bei den Grosseltern und in der Kita. Obwohl unser gewähltes Arbeitsmodell für uns passt, bleibt am Ende des Tages immer noch das schlechte Gewissen. Das kleine Teufelchen im Kopf, das mir einredet, ich soll Zuhause bleiben. Aber ich will nicht – jetzt nicht. Und ich bin mir sicher, dass es meinen Kleinen nicht schadet, eher im Gegenteil. Ein Tag in Fremdbetreuung kann auch Chancen bieten. Eine Chance, dass ein schüchternes Kind lernt sich durchzusetzen, zu teilen oder mit anderen Kindern zu spielen. Eine Chance, die Beziehung zu den Grosseltern, welche ich selber nie hatte, zu intensivieren. Grosseltern, aber auch andere Betreuungspersonen, bieten dem Kind eine weitere Anlaufstelle, öffnen die Weltanschauung und zeigen ihm andere Erziehungsmöglichkeiten.
Doch warum dann immer noch das schlechte Gewissen? Ich bin der Meinung, dass jedes Elternteil das Recht hat, das zu machen, was es möchte. Egal, ob Karriere, Mami-Zeit, Papi-Zeit oder sonstige Projekte. Die Eltern sind nicht nur Mama und Papa, sondern auch Frau und Mann. Sie haben das Recht, sich trotz Kindern zu verwirklichen. Sie haben das Recht auf Selbstbestimmung, das Recht auf Zeit für sich, das Recht, auch mal egoistisch zu sein. Denn glückliche und ausgeglichene Eltern bieten aus meiner Sicht eine glücklichere und liebevollere Kinderstube. Aber die Akzeptanz in der Bevölkerung fehlt. Teilzeitarbeit ist in der Schweiz in diversen Branchen und in vielen Unternehmen immer noch nicht richtig etabliert oder erwünscht. Ich glaube, ohne diese gesellschaftliche Erwartung, dass die Frau zu Hause am Herd bleiben sollte, würde bei mir das schlechte Gewissen nicht so extrem in Erscheinung treten. Egal, ob finanziell nötig oder nicht, die Entscheidung wer wie viel arbeitet, sollte nur von den Eltern selbst entschieden werden. Ich kämpfe für mein Recht nicht nur Mama, sondern auch Frau zu sein, meine Träume zu verwirklichen, berufstätig UND Mutter zu sein. Wenn ich in die Augen meiner Töchter sehe, verstehe ich aber auch alle Eltern, die sich bewusst für die schöne Zeit entscheiden.
Ich habe gelernt loszulassen, Verantwortung abzugeben und zu vertrauen. Ich sehe mittlerweile das Positive in der ganzen Konstellation – die Chance. Aber ich wäre, nein ich bin auch bereit dazu, das gewählte Arbeitsmodell zu überdenken, wenn es nicht mehr funktioniert. Ich hoffe, dass es nicht soweit kommt und sich irgendwann das schlechte Gewissen, trotz oder gerade wegen meiner bewussten Entscheidung für die Teilzeitarbeit, in Luft auflöst.
Hast du auch ein schlechtes Gewissen, weil du dein Kind fremd betreuen lässt?
Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.
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Köchin. Putzfrau. Polizistin. Krankenschwester. Entertainer. Motivator. Autorin. Erzählerin. Beraterin. Organisatorin. Chauffeur. Anwältin. Richterin. .… also einfach gesagt Mami von zwei Töchtern und somit nicht nur (Content) Manager im Beruf, sondern auch im Privatleben.