
Hintergrund
Laufexperte: Superschuhe bringen Speed, doch darauf solltest du achten
von Siri Schubert
Du liebst das Laufen und willst Verletzungen und Überlastungserscheinungen unbedingt vermeiden? Und gleichzeitig effizienter werden? Dann ist eine Laufanalyse vielleicht das Richtige für dich.
Glücklicherweise habe ich wenig Probleme beim Laufen. Meine Gelenke, Sehnen und Bänder machen beim Training bisher klaglos mit.
Doch seit ich mich an Ultradistanzen herantaste, sind gute Technik, geeignete Schuhe und Verletzungsprävention stärker in den Fokus gerückt. Schliesslich will ich gesund, schmerzfrei und mit Spass laufen. Und nicht meine Sehnen und Gelenke ruinieren.
Also entschloss ich mich, eine Laufanalyse zu machen. Bei Swissbiomechanics, einem ETH-Spin-off, das sich auf Bewegungsanalysen spezialisiert hat.
Wenn du jetzt denkst: «Kenn ich, habe ich im Sportgeschäft auch schon gemacht», ist das nur die halbe Wahrheit. Denn die Laufanalyse bei Swissbiomechanics geht deutlich tiefer und schaut sich auch Faktoren wie Mobilität und Dysbalancen sehr genau an. Die Messungen werden mit Infrarot-Kameras und Reflektoren vorgenommen und mittels Software analysiert.
Noch wichtiger vielleicht: Untersucht wird nicht nur auf dem Laufband, sondern beim Rennen auf festem Untergrund. Das kommt der tatsächlichen Laufbelastung deutlich näher als das Joggen auf dem Band. Klar, dass diese Laufanalyse auch etwas kostet. Aktuell sind es 350 Franken für die «Next Level Laufanalyse 3D», die 135 Minuten dauert.
Zunächst werden meine Füsse und Waden 3D-gescannt und vermessen. Dazu darf ich lustige, bunte Socken mit einem Raster anziehen. Die Messung zeigt: Beide Seiten sind bei mir ziemlich ausgeglichen. Meine Gangart ist ebenfalls symmetrisch. Das sind schon mal gute News.
Weiter geht’s zum Mobilitätstest, bei dem meine Beweglichkeit geprüft wird. Hüfte, Becken, Knie, Füsse – alles wird angeschaut. Die Biomechanikerin Annika Bill erklärt, warum die einzelnen Tests wichtig sind und wie sich beispielsweise fehlende Mobilität in den Sprunggelenken aufs Laufen auswirken kann.
Als nächstes wird mein Körper von Kopf bis Fuss mit Reflektoren versehen, die es ermöglichen, meine Bewegungen genau aufzuzeichnen.
Dann darf ich auf der 40-Meter-Innenlaufbahn joggen. Hin und her, in variierendem Tempo. Mehrere Infrarot-Kameras zeichnen jeden Schritt auf. Heraus kommt ein Film, der mich als rennendes Skelett zeigt. Witzig, aber sinnvoll. Denn die Aufnahmen dienen einer detaillierten 3D-Analyse aller Bewegungen – vom Schwingen der Arme bis hin zum Abdruck mit den Füssen.
Videoaufnahmen auf dem Laufband in verschiedenen Schuhen und barfuss vervollständigen den Test. Zuvor hatte sich Annika das Profil der verschiedenen Schuhe angeschaut. Denn auch das gibt Hinweise auf meinen Laufstil und mögliche Fehlbelastungen.
Als letztes sind Kniebeugen an der Reihe, die ebenfalls per Kamera festgehalten und analysiert werden. Hier geht es erneut um Bewegungsumfänge, Mobilität und Stabilität.
Eine Untersuchung wie diese wird individuell jeweils anders ausfallen. Dennoch möchte ich meine wichtigsten Erkenntnisse mit dir teilen.
Für den Test habe ich verschiedene Paar Laufschuhe mitgebracht, die ich aktuell in meiner Rotation nutze. «Das sind sicher deine Lieblingsschuhe», sagt Annika und zeigt auf die Pythos 6 von Icebug. Noch bevor ich voll ins Schwärmen gerate, kommt die kalte Dusche. «Das sieht man, sie sind durchgelaufen, du solltest sie nicht mehr verwenden», sagt sie. «Oh.» Das hätte ich nicht erwartet.
Als wir gemeinsam das Video vom Lauf in diesen Schuhen anschauen, sehe ich es klar und deutlich. Die Zwischensohle bietet keinen ausreichenden Widerstand mehr, der Fuss knickt nach innen weg. Das kann zu Gelenkproblemen führen.
Bisher hatte ich die Empfehlung, Laufschuhe nach 500 bis 700 Kilometern zu wechseln, weitgehend ignoriert. In den Icebug-Schuhen habe ich im vergangenen Jahr den Grossteil meiner langen Läufe absolviert und viele Kilometer geschrubbt. Ich glaubte, dass ich es schon spüren würde, wenn die Schuhe durchgelaufen sind.
Dass das nicht der Fall ist, wird mir gerade eindrucksvoll vor Augen geführt. Ich werde die Empfehlungen künftig sicher ernster nehmen oder – besser noch – Schuhe kaufen, deren Zwischensohle fester und langlebiger ist.
Glücklicherweise habe ich recht gute Gelenkstabilität in Fuss- und Kniegelenken und dadurch bisher keine Beschwerden. Doch die Analyse zeigt, dass meine Rumpfstabilität nicht optimal ist und meine Hüfte beim Laufen – laienhaft gesprochen – abknickt.
Biomechanikerin Annika empfiehlt mir im Bericht, den ich rund zwei Wochen nach der Analyse erhalte, eine Reihe von hüft- und rumpfstabilisierenden Übungen. Klar, theoretisch weiss ich, dass Stabi-Training wichtig ist. Aber die unerwünschte Bewegung meiner Hüfte so eindrücklich auf Video zu sehen, sorgt für eine Extraportion Motivation. Dass ich von Swissbiomechanics noch sieben Übungen mit bildlichen Anleitungen bekomme, macht das Training noch einfacher.
Bei einer geringeren Laufgeschwindigkeit von unter zwölf Stundenkilometern habe ich eine zu niedrige Schrittfrequenz und kompensiere mit grösseren Schritten, ergibt die Analyse. Das sorge für eine höhere Stossbelastung für Hüfte und Becken.
Bisher hielt ich die im Internet fast allgegenwärtigen Aufforderungen, die Schrittfrequenz zu erhöhen, für wenig fundiert. Nachdem ich aber die für mich individuell erstellte Analyse gesehen habe, bemühe ich mich, mehr, aber dafür kleinere Schritte pro Minute zu machen. Eine Veränderung, die Zeit braucht, aber langfristig sicher für grössere Laufeffizienz und weniger Belastung für Knochen und Gelenke sorgt.
Laufen ist eine sehr natürliche Bewegung. Umso mehr überrascht es, dass knapp die Hälfte aller Freizeit-Läuferinnen und Läufer schon einmal mit einer Überlastungsverletzung zu kämpfen hatten. Häufig betroffen sind Fussgelenke und Knie.
Die Forschung hat ausserdem gezeigt, dass eine schwache Hüftmuskulatur mit einer höheren Verletzungshäufigkeit korreliert. Eine weitere Studie hat das bestätigt und zeigt ausserdem, dass regelmässige Rumpf- und Hüftkräftigungsübungen das Verletzungsrisiko wirkungsvoller senken, als Fussgelenks- und Kniestabilisierungsübungen.
Die Übungen, die Annika mir vorgeschlagen hat, sind deshalb genau das Richtige, um beim Laufen gesund zu bleiben. Von solchen konkreten Empfehlungen können alle profitieren und ihr Verletzungsrisiko senken.
Auch die Schuhtipps empfand ich als wertvoll. Sie bestätigten, dass ich am besten in neutralen Schuhen laufe, was ich ohnehin schon tue. Auf die empfohlenen Einlagen habe ich vorerst verzichtet, da ich keine Beschwerden habe. Für Menschen mit wiederkehrenden Verletzungen oder Schmerzen können sie aber sinnvoll sein.
Die Tipps zu meinem Laufstil waren hilfreich, weil sie nicht versuchten, mir einen völlig neuen Laufstil aufzudrücken. Stattdessen sollen sie durch kleine Veränderungen eine Verringerung der Belastung und mehr Effizienz schaffen. Die Analyse in 3D beim Joggen und Sprinten ist deshalb auch ein wertvolles Trainingstool, vor allem in Kombination mit der Auswertung durch eine Expertin.
Dank der massgeschneiderten Untersuchung fühle ich mich bestens vorbereitet auf die neue Laufsaison. Tatsächlich hat sie mir so viel mehr gebracht als unzählige YouTube-Videos, die vielleicht neueste oder wieder aufgewärmte Tipps aus dem Hochleistungssport aufgreifen, aber für mich als ambitionierte Hobbyläuferin wenig relevant sind.
Für diesen Artikel hat Swissbiomechanics mir die Analyse kostenlos zur Verfügung gestellt. Ablauf, Inhalt und Methoden sind aber dieselben wie bei den sonst üblichen «Next Level 3D Laufanalysen».
Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.