Meinung
Der Samsung Galaxy Ring ist genauso wichtig wie die Apple-Brille
von Lorenz Keller
Der Ultrahuman Ring Air ist das erste digitale Schmuckstück für den Finger, das du direkt bei uns im Shop bestellen kannst. Im Test überzeugt der smarte Ring mit unkomplizierter Handhabung.
2024 wird das Jahr des smarten Ringes. Hersteller wie Oura, RingConn oder Ultrahuman verkaufen schon seit Jahren Tracker für die Finger. Bisher sind diese Ringe aber ein Nischenprodukt. Die Ankündigung von Samsung, ebenfalls in diese Produktkategorie einzusteigen, hat das Thema nun in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gerückt.
Das gibt auch Startups und kleineren Unternehmen einen Push, da plötzlich alle über smarte Ringe sprechen. Die bisherigen Anbieter haben zudem den Vorteil, dass sie bereits die zweite oder dritte Generation der Gadgets auf dem Markt haben. Kinderkrankheiten sollten also bereits auskuriert sein.
Die meisten Smartringe mussten Schweizerinnen und Schweizer bislang direkt beim Hersteller im Ausland bestellen – was wegen Zoll, Mehrwertsteuer und Garantie mühsam sein kann. Das Modell des indisch-englischen Unternehmens Ultrahuman gibts nun erstmals direkt bei uns im Shop.
Erhältlich sind vier Farben: Schwarz, Mattgrau, Gold und Silber. Die erst vor wenigen Wochen vorgestellte Variante in Titanium kommt ebenfalls zu uns – allerdings erst im Juni in grösseren Stückzahlen. Der Preis für den Ring beträgt zum Start 349 Franken. Der grosse Vorteil von Ultrahuman im Vergleich zu anderen Anbietern wie etwa Marktführer Oura: Du brauchst kein zusätzliches, kostenpflichtiges Abo, um die App mit all den Analyse-Tools im Bereich Fitness, Gesundheit und Schlaf zu nutzen.
Ein Ring muss gut sitzen: Nicht so locker, dass du ihn verlierst. Nicht so eng, dass er drückt oder du ihn nicht mehr ausziehen kannst. Was das für Folgen haben kann, hat Popstar Jason Derulo unfreiwillig gezeigt. Der zu enge Oura-Ring liess den Finger anschwellen – schließlich mussten Ärzte ihn aufschneiden. Also natürlich den Ring, nicht den Finger.
Damit das nicht passiert, lohnt es sich, die passende Grösse genau zu ermitteln. Beim Ultrahuman gibts dafür drei Varianten.
Eigene Ringe: Vielleicht kennst du ja deine Ringrösse, weil du schon welche trägst. Der Ultrahuman ist in den Grössen 5 bis 14 erhältlich.
iPhone-App: Im App Store findest du «Ultrahuman Ring Sizer» fürs iPhone. Die App kann mit guter Tiefenmessung die Grösse des Fingers bestimmen. Du musst die Hand und eine Karte im Kreditkartenformat (als Grössenvergleich) unter die Kamera halten. Das hat bei mir mit einer Beta-Version bereits gut geklappt. Da nicht alle Android-Geräte so genau messen können, verzichtet der Hersteller auf eine App.
Sizing Kit: Wer auf Nummer sicher gehen will, bestellt sich bei uns im Shop für neun Franken das Set mit Kunststoffringen in allen Grössen. Damit kannst du bequem zu Hause ausprobieren, welcher Ring für den ausgewählten Finger passt. Das Set behältst du danach, gibst es weiter oder schickst es fürs Recycling dem Importeur retour.
Ultrahuman Ring Air Sizing Kit Grösse 5 bis 14
Ich habe mir die Grösse 10 bestellt, die perfekt auf meinen Mittelfinger passt, aber die ich auch noch am Ringfinger tragen kann. Da der Ultrahuman Ring etwas dicker ist als beispielsweise ein Ehering, finde ich ihn am Mittelfinger am angenehmsten. Das digitale Schmuckstück ist übrigens erstaunlich leicht und wiegt nur gerade 3,1 Gramm. Mein Ehering ist mehr als drei Mal so schwer.
Schon nach wenigen Tagen Eingewöhnungszeit habe ich vergessen, dass ich einen Ring am Finger trage. Er stört nicht und ist bequem – wie es bei Schmuckstücken sein sollte.
Der Ring dient als 24-Stunden-Tracker für Gesundheit, Fitness und Schlaf. Im Innern des Rings ist ein Infrarot-Sensor für Photoplethysmographie (PPG) verbaut, der die Änderung des Blutvolumens misst. So kann etwa die Herzfrequenz bestimmt werden. Dazu kommen Sensoren für Temperatur und Blutsauerstoff.
Die Messdaten werden mit Bluetooth Low Energy aufs Smartphone übertragen, sobald ich die App öffne. In der Ultrahuman-Anwendung sehe ich die Daten in allen Details und unzählige Auswertungen. Die App vergibt jeweils einen Wert von 1 bis 100 – je höher, desto besser. Die wichtigsten Analysetools sind:
Bewegungsindex: Hier werden Schrittzahl, aktive Minuten, Workouts etc. zusammengefasst. Ich kann zudem von Tag zu Tag und Woche zu Woche vergleichen.
Schlafindex: Der Wert berücksichtigt die Schlafdauer genauso wie die Effizienz, die Schlafphasen oder den Blutsauerstoff. Acht verschiedene Faktoren sind detailliert ausgewiesen, jede wird mit «optimal», «gut» oder «braucht Aufmerksamkeit» beurteilt. Ich kann auch meinen Durchschnitt der letzten sieben Tage abrufen und ihn mit dem Schnitt aller Ultrahuman-Ringe vergleichen.
Recovery Score: Diese Zahl gibt an, wie erholt ich bin. Hier werden verschiedene Kennzahlen miteinander kombiniert – vom Schlaf über die tägliche Bewegung bis zu Ruhepuls und Stress. Ich kann zudem eingeben, wie ich mich subjektiv wirklich fühle, also etwa sehr müde oder fit. Das System passt sich so mit der Zeit meiner Befindlichkeit an.
Tracking: Knapp 30 Sportarten sind hinterlegt, um Workouts direkt aufzuzeichnen. Dafür brauche ich das Smartphone mit der App zwingend, da der Ring im Gegensatz zu einer Smartwatch weder Knöpfe noch einen Bildschirm hat. In der App sind auch Fitnessprogramme abrufbar, etwa für Yoga, Pilates, Meditation oder Ausdauertraining – teilweise mit einemTrainingsprogramm für mehrere Wochen.
Einmal wöchentlich erhalte ich eine Zusammenfassung mit Statistiken und Vergleichen. Dieser längerfristige Blick ist spannend, genauso wie der Vergleich mit der Ultrahuman Community. Ich sehe, was sich bei mir in den letzten Wochen verbessert, aber auch verschlechtert hat.
Egal ob in der Auswertung für einen Tag oder die ganze Woche, es gibt immer auch konkrete Tipps, wie ich einzelne Werte verbessern kann. Zum Beispiel liegt mein «Heart Rate Drop» (HR Drop) bei rund 55 von 100 Punkten. Die Community erreicht im Schnitt 67, die besten zehn Prozent sogar 99 Punkte.
Der HR Drop wertet aus, wann der Ruhepuls den tiefsten Punkt in der Nacht erreicht. Je schneller, desto stärker kann sich der Körper während des Schlafes erholen. Zur Verbesserung sollte ich sieben bis acht Stunden vor der Schlafenszeit keine koffeinhaltigen Getränke mehr zu mir nehmen. Und vor dem Einschlafen besser meditieren oder zumindest entspannen – und nicht Social Media konsumieren.
Der Hersteller baut die Software laufend aus. So gabs im Frühling 2024 ein Update mit der Möglichkeit, dass Frauen ihren Zyklus mitverfolgen und in die Auswertung einbeziehen können. Diese Funktion werden wir noch separat testen.
Der Ultrahuman Ring ist faktisch nur ein Sensor. Er kann sich nicht bemerkbar machen. Offensichtlich hat er keinen Screen, aber auch kein LED-Lämpchen und keine Vibrationsfunktion für Benachrichtigungen. Der Ring ersetzt also nicht eine Smartwatch, er kann sie höchstens ergänzen.
Der Hersteller hat auch auf einen NFC-Chip verzichtet, mit dem du drahtlos zahlen oder auch digitale Schlösser öffnen kannst. Der Fokus bei Ultrahuman liegt klar auf dem Gesundheitstracking. Diese kannst du übrigens auch mit anderen Apps wie Garmin, Fitbit, Polar, Suunto oder Zwift verbinden. Was leider fehlt, ist die Anbindung an die populäre Strava-App.
Im Gegensatz zu den meisten Sportuhren erkennt der Ring Trainings nicht automatisch. Du musst diese vor dem Sport in der App selber aktivieren, damit die Aufzeichnung korrekt ist.
Was negativ auffällt: Die App ist noch nicht perfekt auf Deutsch übersetzt, ich bin auf einen wilden Mix aus Englisch und Deutsch gestossen. Verständlich ist das zum Glück trotzdem.
Mir gefällt das schlichte und trotzdem schicke Design ausgesprochen gut. Dass der Ultrahuman Ring keinSchmuckstück ist, sondern ein Gadget, das bemerkt im Alltag niemand.
Das Gerüst des Rings besteht aus Titan mit einer Legierung aus Wolfram und Karbon, die elektronischen Komponenten an der Innenseite sind mit Kunstharz überzogen.
Ich habe den Ring über einen Monat getragen – und zwar bei allen Aktivitäten. Der Ultrahuman ist bis 10 bar wasserdicht. An der Unterseite sind nun einige kleinere Kratzer sichtbar, was mich aber nicht stört. Das ist auch bei meinem Ehering der Fall, der ebenfalls rund um die Uhr am Finger steckt.
Der Ultrahuman hat übrigens effektiv eine Unterseite. Denn während der Ring aussen rund ist, ist die Innenseite nicht ganz kreisförmig. Dort wo die Sensoren sitzen, steht eine leichte Wölbung heraus. Ganz automatisch schiebe ich diesen Bereich jeweils an die Unterseite des Fingers, was auch der Sinn der Sache ist. Dort messen die Sensoren am effektivsten. Die Unebenheit stört mich überhaupt nicht, ich merke sie auch gar nicht mehr.
Der Akku des Rings hält maximal sechs Tage. Ein guter Wert, der ähnlich ist wie bei anderen smarten Ringen. Im Test poppte über die App jeweils nach rund fünf Tagen eine Warnung auf: Der Ring solle geladen werden. Es bleiben dann noch rund 20 Prozent Restkapazität. Fünf bis sechs Tage Akkulaufzeit sind also durchaus realistisch.
Fürs Laden lege ich den Ring einfach aufs mitgelieferte Dock und nach knapp zwei Stunden ist die Batterie wieder voll. Was auffällt: Das Gadget ist nach der Ladung ziemlich warm. Ich kann den Ring durchaus direkt wieder an den Finger stecken, aber etwas unangenehm ist das schon.
Der Ultrahuman Ring Air zeichnet Bewegung, Aktivitäten und Schlaf auf. Und das dank guter Akkulaufzeit rund um die Uhr über mehrere Tage ohne Unterbruch. In der umfassenden App kann ich nicht nur diese Daten abrufen, sondern erhalte auch Tipps und Tricks sowie längerfristige Auswertungen und Zusammenfassungen.
Ideal ist der unauffällige, im Alltag völlig problemlos zu tragende Ring daher vor allem für all jene, die ihre Gesundheits- und Fitnessdaten aktiv mitverfolgen. Die Analysen und alle Funktionen sind ohne kostenpflichtiges Monatsabo nutzbar.
Du kannst mit dem Ring nicht interagieren, deshalb ist er auch kein Ersatz für die Smartwatch.. Das muss kein Nachteil sein: Etwa wenn du ein analoges Modell oder gar keine Uhr tragen möchtest – und trotzdem nicht aufs Tracking verzichten willst.
Pro
Contra
Ultrahuman Ring Air
Gadgets sind meine Passion – egal ob man sie für Homeoffice, Haushalt, Smart Home, Sport oder Vergnügen braucht. Oder natürlich auch fürs grosse Hobby neben der Familie, nämlich fürs Angeln.