

Uhr ist ungleich Uhr – Ein Guide für leere Handgelenke

Uhren zeigen mittlerweile die Zeit an, messen den Puls, die Luftfeuchtigkeit und allerlei anderes. Die Zeiten, in denen das schmucke Stück am Handgelenk nur die Uhrzeit anzeigen soll, scheinen vorbei. Oder sind sie das? Wir blicken in den Uhrendschungel und fragen Experten.
Ich trage nur selten eine Uhr. Meist, wenn ich auch Anzug und Hemd trage. Bei Digitec Galaxus AG aber haben wir über 2’800 Uhren im Angebot und da den Durchblick zu finden, ist schwierig. Allgemein, auch ausserhalb von Digitec Galaxus, ist es schwierig den Durchblick zu haben. Da ich aber rein professionellerweise genau diesen Durchblick haben muss, habe ich mich erkundigt.
Im Wesentlichen können wir Uhren, ganz grob, in vier Kategorien unterteilen.
- Klassische Uhren: Sie zeigen die Zeit an. That’s it. Sie haben entweder ein Ziffernblatt oder eine recht simple Digitalanzeige
- Sportuhren: Uhren, die Sportler unterstützen. Sie haben GPS-Systeme verbaut und sind generell widerstandsfähiger als Durchschnittsuhren.
- Smartwatches: Die eierlegende Wollmilchsau der Handgelenksgeräte. Doch ihr Hauptfokus liegt nebst der Anzeige der Zeit auf der Kommunikation mit anderen Geräten.
- Health Tracker: Sie messen bestimmte Biodaten der Träger, wie den Puls oder den Schlafzyklus.
So. Fertig.
Oder auch nicht. Denn in jüngster Zeit werden klassische Uhren smart und Health Tracker haben GPS-Fähigkeiten. Zweifelsohne ist mehr Recherche von Nöten. Ich frage also mal bei unseren Produkt- und Marketingmanagern nach, wie sie ihr Angebot definieren.
Klassische Uhren - Julia Dürr
«Ein Mann braucht genau ein Schmuckstück – Eine schöne Uhr», sagt Julia Dürr, Marketing Managerin für Sportartikel und Accessoires bei Galaxus. Sie spricht dabei von klassischen Uhren, nicht von Smartwatches oder Fitnesstrackern. Eine Uhr müsse die Zeit anzeigen, höchstens noch das Datum, und gut dabei aussehen, alles andere sei sekundär. Im Zuge ihrer Arbeit sieht sie Uhren für jedes Preissegment und kennt die Implikationen des Schmuckstücks am Handgelenk, das von englischsprachigen Enthusiasten Timepiece genannt wird.
«Teuer oder günstig, der Träger macht mit seiner Uhr ein Statement», sagt die 29-Jährige. Ein Sportler könne mit einer G-Shock-Uhr seine Sportlichkeit kommunizieren, eine wohlbetuchte Dame könne ihr Luxusleben so bewusst und subtil betonen und Minimalisten liegt es offensichtlich daran, die Zeit zu kennen und kein Statement zu machen. «Obwohl, auch ein Understatement sagt viel aus», sagt Julia Dürr.
«Eine klassische Uhr ist ein Begleiter fürs Leben», sagt Julia Dürr. Sie sieht in den Produkten, die sie betreut, tolle Geschenke für Jubiläen aller Art oder als Belohnung für eine bestandene Prüfung. Sie selbst besitzt eine Swatch, trägt sie aber nicht jeden Tag. «Die Uhr hat mir während Prüfungen gute Dienste geleistet und hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen», sagt sie und fasst sich ans nackte Handgelenk. Eine Frage kann ich mir doch nicht verkneifen. Wenn sie sich irgendeine Uhr aussuchen könnte, welche wäre es? «Eine IWC. Ganz klar. Mein Modell heisst Portofino.»
Smartwatches - Domenico Melina
Smartwatches sollen dereinst die klassischen Uhren ablösen. Dies soll zumindest laut den Herstellern geschehen. Apple Watches und Android-basierte Modelle buhlen um die Gunst des Publikums und versuchen, immer mehr Funktionen vom Handy ans Handgelenk auszulagern. «Der Fokus einer Smartwatch liegt klar auf der Kommunikation», sagt Domenico Melina, Product Manager für Tablets und Smartwatches bei digitec. Es gehe bei dem Gerät nicht nur darum, dass die Uhr selbst mit dem Handy kommuniziert, sondern auch, dass deren Träger mit anderen Menschen interagieren kann, ohne gleich in ein Handy blicken zu müssen.
Domenico Melina trägt im Alltag eine Samsung Gear S2 Sport. Der Grund: «Ich mag die Bedienung», sagt er. Denn die Ingenieure bei Samsung hätten sich Gedanken über das Gerät und nicht nur über den Bildschirm gemacht. «Nur auf einem Bildschirm rumtippen ist auf so kleinem Raum echt mühsam», sagt der 27-jährige. Bei seiner geliebten Uhr aber hätten die Entwickler über die Grenzen des Bildschirms hinausgedacht und die Lunette – den Ring um das Zifferblatt – zum Bedienelement umfunktioniert.
Mehr als die Verarbeitung mag er, dass ihn seine Smartwatch vom Handy erlöst. «Ich muss nicht mehr tausend Mal auf mein Smartphone blicken, um zu sehen, ob ich eine Nachricht erhalten habe», sagt der Product Manager. Auch Phantomvibrieren kennt er seit seinem Umstieg auf die Smartwatch nicht mehr.
Sportuhren - Louis Schwendimann
Wenn er nach Sportuhren gefragt wird, kann Junior Product Manager Louis Schwendimann Daten und Fakten runterrattern wie kein zweiter. «Hauptsächlich unterstützen Sportuhren, ganz wie der Name sagt, Sportler», sagt er. Anders als Activity Tracker haben Sportuhren in der Regel ein GPS/GLONASS-Modul verbaut. Weitere Funktionen werden sofort sportartenspezifisch. «Sportuhren werden für eine bestimmte Sportart oder einen bestimmten Verwendungszweck entwickelt», sagt er. Daher ist eine Taucheruhr ein ganz anderes Gerät als eine Outdoor-Uhr.
Sportuhren können auf eine Vielzahl Funktionen und Sportarten angepasst werden. Uhren der Marke Polar setzen auf einen Brustgurt, um den Puls des Trägers zu messen. Ein Muss laut dem Junior Product Manager, wenn du deinen Herzschlag genau messen willst. Im Kontrast dazu helfen Modelle des Herstellers Garmin Golfern bei ihrem liebsten Hobby, indem sie die Geschwindigkeit des Schwungs messen und Kartenfunktionen für den Golfkurs direkt im Gerät verbauen. Als Velofahrer nützt dir die Golfuhr nichts, aber als Golfer kann sie dir wichtige Informationen über deine Performance bieten.
«Die Grenzen zwischen Fitness Tracker, Smartwatch und Sportuhr verschwimmen zusehends», sagt Louis Schwendimann. Smartwatches integrieren viele Features, aber dennoch haben die Sportuhren einen entscheidenden Vorteil. Louis Schwendimann: «Wer seinen Sport ernst nimmt, muss auch sein Equipment ernst nehmen.»
Health Tracker - Theresa Schieder-Moradi
Die Neugierde treibt Theresa, Marketingmanagerin für Sportartikel, an. Nicht nur die professionelle Neugierde, die sie für ihren Job braucht, sondern auch die persönliche: «Ich wollte wissen, was ein Health und Fitness Tracker mir über mich erzählen kann», sagt sie. Darum hat sie sich kurzerhand einen Fitbit Blaze ums Handgelenk geschnallt und das Gerät – und sich selbst – getestet. Die Ergebnisse haben sie erstaunt. Gesund ist sie zwar, aber sie bekommt längst nicht alles mit, was sie so tut. Weil irgendwann schläft sie, wie jeder andere Mensch auch. Aber: «Der Fitbit hat mir angezeigt, dass ich in der Nacht manchmal bis zu zwei Minuten lang wach bin», sagt sie. Erinnern kann sie sich an ihre nächtlichen Wachphasen aber nicht.
Doch Theresa ist nicht nur Forscherin sondern auch modebewusst. Daher befürwortet sie die aktuelle Entwicklung der Tracker stark. «Der Trend geht weg vom funktional aussehenden schwarzen Block ums Handgelenk und hin zum Schmuckstück mit Funktion», sagt sie. Gerade für Frauen mit feinen Händen sei das attraktiver als ein Gerät der ersten Generationen. Als Beispiel führt sie den Fitbit Flex II an, der in vielen Farben erhältlich ist und vom Design her viel feiner ist als seine Vorgänger. «Oder das Modell mit dem Kettchen oder dem Armreif. Das ist schon fast Schmuck.»
«Health Tracker sind aber ein Gadget und kein Werkzeug für ambitionierte Sportler», sagt Theresa, selbst Tennisspielerin. Die Tracker seien für den Alltag ausgelegt, für Neugierige und Hobbysportler. Denn sie machen Spass und bieten Einblicke ins eigene Innenleben.
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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.