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Seltsame Produkte, von denen du nicht wusstest, dass du sie bald willst – Teil 3

Pia Seidel
14.11.2023

Fahrbare Gewächshäuser, Stühle aus Knete und Lolli-Löffel: Die ausgestellten Designobjekte an der vergangenen Dutch Design Week waren so skurril, dass ich zweimal hinsehen musste, um sie zu erkennen.

Zu Beginn dieses Jahres hat die Plattform Pinterest aufgrund der Suchanfragen der Nutzenden vorhergesagt, dass Weirdcore 2023 ein Megatrend sein wird und sie hat recht behalten. Ob am Salone del Mobile im April oder der diesjährigen Dutch Design Week (DDW) im Oktober in der holländischen Stadt Eindhoven – Designerinnen und Designer machen selbst aus den banalsten Objekten Kunst und verleihen ihnen mehr Spass. Obwohl das manchmal etwas komisch aussieht, stecken ernste Gedanken dahinter. Überzeug dich selbst.

1. Mobile Gewächshäuser

Eigentlich ist ein Kinderwagen dazu da, Babys und kleine Kinder herumzukutschieren. Nicht so bei der Abschlussarbeit von Janneke de Lange. Das mobile Gewächshaus «The Nursery» bringt Pflanzen von A nach B und soll Menschen etwas überspitzt dazu anregen, sich um Pflanzen wie um Kinder zu kümmern. Weil die Bachelorabsolventin der Design Academy Eindhoven (DAE) seit ihrer Kindheit von Treibhäusern aller Art fasziniert ist, träumt sie davon, in den Niederlanden einen botanischen Garten für tropische Früchte einzurichten. Um diese Vision zu verwirklichen, braucht es jedoch mehr Bäume – und Menschen, die bereit sind, diese zu pflegen. «Wenn wir junge Pflanzen auf dieselbe Weise pflegen wie Babys, entsteht eine tiefere Verbindung zur Natur», sagt Janneke.

«The Nursery» ist ein Gedankenspiel, das die Natur ins Zentrum rückt.
«The Nursery» ist ein Gedankenspiel, das die Natur ins Zentrum rückt.
Quelle: Pia Seidel
Gleichzeitig gibt das Design eine gute Figur als Glashaus ab.
Gleichzeitig gibt das Design eine gute Figur als Glashaus ab.
Quelle: Pia Seidel
In diesem Kinderwagen liegen Pflanzen statt Babys.
In diesem Kinderwagen liegen Pflanzen statt Babys.
Quelle: Pia Seidel

2. Halbfertiges

Schönheit kann an unerwarteten Orten gefunden werden, sogar in massenproduzierten Industriekomponenten, findet Vincent Decat. Der Designer hat für seine DAE-Abschlussarbeit «Semi-made» eine Reihe skulpturaler Lampen und Möbel entworfen, die sich aus Einzelteilen wie Fahrradklemmen, Pneumatikanschlüssen, Hahnanschlüssen oder Bremsscheiben zusammensetzen. Wie einst der französisch-amerikanische Objektkünstler Marcel Duchamp nimmt Vincent Decat die Komponenten aus ihrem ursprünglichen Kontext, damit sie auf den Betrachtenden abstrakt wirken. So sollen ihre oft übersehenen visuellen Qualitäten zum Vorschein kommen.

«Semi-made» würdigt die ästhetischen Qualitäten von Industriekomponenten.
«Semi-made» würdigt die ästhetischen Qualitäten von Industriekomponenten.
Quelle: Pia Seidel
Das Projekt verbindet Kunst und Industrie.
Das Projekt verbindet Kunst und Industrie.
Quelle: Pia Seidel
In der Ailix-Lampe sind TV-Splitter, Anschlüsse für Druckluftpistolen oder Hahnanschlüsse verbaut.
In der Ailix-Lampe sind TV-Splitter, Anschlüsse für Druckluftpistolen oder Hahnanschlüsse verbaut.
Quelle: Pia Seidel

3. Die etwas anderen Angelwerkzeuge

Lange Zeit diente das Angeln allein der Nahrungsbeschaffung, bis es sich zu einem beliebten Sport entwickelte. Um diesen spannender zu gestalten, hat der DAE-Bachelorabsolvent Carys Higgins Angelwerkzeuge namens «Gone Fishing» gestaltet. Das Besondere: Sie wurden mit Techniken aus vier seltener werdenden Handwerken angefertigt – mit der Herstellung von Kettenhemden, von Holzfischnetzen, von Stofffalten und von Glasaugen. Auf diese Weise soll das Projekt auf das aussterbende Handwerk aufmerksam machen.

Mit dem Angelwerkzeug «Gone Fishing» bekommt das Fangen und Freilassen von Fischen eine neue Ästhetik.
Mit dem Angelwerkzeug «Gone Fishing» bekommt das Fangen und Freilassen von Fischen eine neue Ästhetik.
Quelle: Pia Seidel
Ausserdem liegt das Augenmerk auf der Machart ...
Ausserdem liegt das Augenmerk auf der Machart ...
Quelle: Pia Seidel
... alle Objekte sind von Hand entstanden.
... alle Objekte sind von Hand entstanden.
Quelle: Pia Seidel

4. Unpraktisches Besteck

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Dachte sich die Designerin Morgan Steyaert. Für die Ausstellung «Dream Cakes», die sich der puren Freude am Essen widmete, hat sie eine Bestecksammlung umgesetzt. Jeder Löffel ist auf seine ganz eigene Art unhandlich. Entweder stören Knubbel das Halten oder krumme Formen erschweren das Essen. «Meine Sammlung unpraktischer Löffel soll die Freude an einem gemeinsamen Essen durch ihre Formen und Farben betonen», sagt Morgan Steyaert. Ihr gefällt, dass die Impraktikabilität den Akt des Essens verlangsamt und die handgefertigten Objekte so bewusster wahrgenommen werden können.

Die Löffel von Morgan Steyaert sind schön, aber nicht gerade praktisch.
Die Löffel von Morgan Steyaert sind schön, aber nicht gerade praktisch.
Quelle: Pia Seidel
Sie befinden sich an der Schnittstelle von Kunst und Design.
Sie befinden sich an der Schnittstelle von Kunst und Design.
Quelle: Pia Seidel
Obwohl es plump wirkt, versprüht das Besteck mit kleinen Knubbeln oder Seemannsstreifen Charme.
Obwohl es plump wirkt, versprüht das Besteck mit kleinen Knubbeln oder Seemannsstreifen Charme.
Quelle: Pia Seidel

5. Stühle aus Knetmasse

Der «Hippo Chair» des in Frankreich lebenden Designers Diego Faivre ist von einem Nilpferd inspiriert, wiegt aber ungefähr so viel wie ein Pelikan. Er besteht aus «Diego Dough», einer speziellen Ausführung der Knetmasse Play-Doh und ist Teil des Projekts «Minute-Manufacture». Mit diesem macht der Künstler darauf aufmerksam, dass Zeit Geld ist. «Jede Minute meiner Produktionszeit kostet einen Euro», sagt er. «Der Hippo-Stuhl kostet 1462, weil er in 1462 Minuten hergestellt wurde.» Sein Endpreis spiegelt somit die investierte Zeit in seine Anfertigung wider.

Der Stuhl «Hippo Chair» besteht aus speziellem Play-Doh.
Der Stuhl «Hippo Chair» besteht aus speziellem Play-Doh.
Quelle: Pia Seidel
Er ist sowohl ein funktionaler Stuhl als auch ein seltsames Dekostück.
Er ist sowohl ein funktionaler Stuhl als auch ein seltsames Dekostück.
Quelle: Pia Seidel
Die spezielle Play-Doh-Mischung ergibt eine glänzende Oberfläche.
Die spezielle Play-Doh-Mischung ergibt eine glänzende Oberfläche.
Quelle: Pia Seidel

6. Weiche und hohle Uhren

Die Soft-Serie der Gestalterin Kiki van Eijk ist nicht neu, aber sie ist mir zum ersten Mal an der DDW begegnet. Sie besteht aus Uhren, die so aussehen, als wären sie aus Stoff. In Wirklichkeit sind sie aber aus Keramik. Der Trompe-l'œil-Effekt macht die Uhren zum Hingucker und museumsreif. Da erstaunt es nicht, dass sie auch in internationalen Museumssammlungen vertreten sind.

Die Soft Clocks wirken weich.
Die Soft Clocks wirken weich.
Quelle: Pia Seidel
Dabei sind die Uhren aus kühler Keramik.
Dabei sind die Uhren aus kühler Keramik.
Quelle: Pia Seidel
Die Oberfläche der soften Uhren gleicht der eines Stoffpolsters.
Die Oberfläche der soften Uhren gleicht der eines Stoffpolsters.
Quelle: Pia Seidel

7. Dauerlutscher

Die Kaffee- und Teelöffel von Fleur Peters habe ich im ersten Moment für Lollis gehalten, doch diese Lutscher halten ewig. Sie sind aus Glas und Reststücken, die sich in der Werkstatt der holländischen Produktdesignerin ansammeln. Deshalb gleicht kein Löffel dem anderen.

Super süss, auch ohne Zucker: das Salatbesteck von Fleur Peters.
Super süss, auch ohne Zucker: das Salatbesteck von Fleur Peters.
Quelle: Pia Seidel
Die Lolly-Löffel sorgen für einen Farbtupfer auf dem Tisch oder an der Wand.
Die Lolly-Löffel sorgen für einen Farbtupfer auf dem Tisch oder an der Wand.
Quelle: Pia Seidel
Jeder Löffel entsteht aus Glasabfall und ist ein Einzelstück.
Jeder Löffel entsteht aus Glasabfall und ist ein Einzelstück.
Quelle: Pia Seidel

8. Wollwürstchen

Für das Projekt «Completing the Grid» hat Léo Nunes Almeida eine Methodik entwickelt, um beim Stricken in den Flow-Zustand zu gelangen. «Das ist ein Zustand völliger Versunkenheit, in dem man vollkommen präsent ist, den Überblick über die Zeit verliert und Freude und Zufriedenheit findet», sagt der Gestalter. Das könne das Wohlbefinden und die Produktivität steigern und Stress reduzieren. Obwohl der Designer den Prozess priorisiert hat, ist dabei ein Produkt entstanden: Ein Raumtrenner zum Aufhängen, der sich aus einzelnen, wurstförmigen Polstern mit Strickbezug zusammensetzt.

Der Raumtrenner ist das Ergebnis einer Forschungsarbeit rund um den Flow-Zustand.
Der Raumtrenner ist das Ergebnis einer Forschungsarbeit rund um den Flow-Zustand.
Quelle: Pia Seidel
Er soll das Potenzial des Strickens veranschaulichen, um den Flow freizusetzen.
Er soll das Potenzial des Strickens veranschaulichen, um den Flow freizusetzen.
Quelle: Pia Seidel
Wenn auch etwas gewöhnungsbedürftig, kann das Objekt als Raumteiler dienen.
Wenn auch etwas gewöhnungsbedürftig, kann das Objekt als Raumteiler dienen.
Quelle: Pia Seidel

9. Flauschige Freunde

Auf der DDW waren auch neue Arbeiten von Alfhild Sarah Külper zu sehen. Darunter ein rosafarbener Spiegel, der fast keiner mehr ist. Er wurde beinahe komplett mit kleinen Teppichen bedeckt. Die schwedische Textilkünstlerin gestaltet aufwendige Teppichkreationen als Gegenmittel zu unserer schnelllebigen digitalen Welt. Weil sie Stunden damit verbringt, ein Stück wie dieses fertigzustellen, hat sie zu jedem einen persönlichen Bezug. Deshalb nennt sie ihre Kreationen «Fuzzy Friends» (flauschige Freunde). «Der sanfte Begriff soll zum Lächeln bringen und an die Weichheit der Teppiche sowie an meinen sanften Umgang mit der Natur erinnern», sagt sie.

Die handgetufteten Kreationen von Alfhild Sarah Külper entstehen aus Materialresten und zeigen abstrakte Landschaften.
Die handgetufteten Kreationen von Alfhild Sarah Külper entstehen aus Materialresten und zeigen abstrakte Landschaften.
Quelle: Pia Seidel
Titelfoto: Pia Seidel

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Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit. 


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