
Meinung
Ist dieser Schuh die Zukunft des Wanderns? – Nein
von Siri Schubert
Anstatt ein Bild auf Instagram, gibt’s ein bisschen was aus dem Poesiealbum zum ersten Schnee.
Der Himmel ist heller als gewohnt. Einzelne einzigartige Flocken werden sanft vom Wind durch die Luft getragen. Bis die Schwerkraft sie doch zu Boden treibt. Dort verstreben sie sich zu einer weissen Decke, die sich schützend über die Stadt legt, während diese noch schläft. Sie überstülpt den Turm der Sankt-Josef-Kirche, verpasst dem Hausberg einen Anstrich und bleibt ausnahmsweise sogar in der dunklen Schlucht der Langstrasse kleben.
Die Stadt wird still. Der Schnee legt sich über die Wunden, über den Asphalt. Er bringt die Schreie zum Schweigen und schluckt das Raunen der Motoren. Dafür werden leise Stimmen hörbar. Weisser Rauch strömt rastlos nach oben, wird dort eins mit dem dicken Nebelfilm. Was in Rom ein Zeichen eines neuen Kopfes, steht in Zürich für eine warme Stube. In den engen Winkeln macht sich eine ungeahnte Weite breit und bietet Raum für verstossene Gedanken.
Kleine Lichter leuchten in den Fenstern auf. Gesichter kleben an den Scheiben, ergötzen sich an den verheissungsvollen Sternen des Nebels. Die ganze Stadt hält einen Moment inne. Heute werden hinter verschlossenen Toren überall Türchen geöffnet. Angespannte Finger hoffen darauf, mit den Bildern auch ein wenig Normalität freizulegen. Dabei steht diese draussen im weissen Röckchen, besucht Einsame, Liebende, Erschöpfte und Genesene, Arme und Reiche gleichermassen.
Die Stadt wird mit ihrer flockigen Schmückung auf einmal ganz lieblich. Die Bewohner tun es ihr gleich. Jahr für Jahr betört der erste Schnee mit seiner Magie. Lässt für einen kurzen Augenblick alles Unheil vergessen. Wie ein Wattebausch umhüllt er die kargen Ecken, darauf bedacht, Stolpernde weich zu betten. Die Kälte fühlt sich nicht mehr eisig an.
Die weisse Decke liegt auch mahnend. Autos rutschen ihrem Ziel entgegen, die Bundesbahnen liegen hinter ihren Fahrplänen zurück. Die Stadt gerät ein wenig aus den Fugen, kreist achtsam um sich selbst. Anstatt an sich selbst herunter schauen neugierige Augenpaare in die neugewonnene Weite dieser Stadt. Sie erkennen die Schönheit der verschnörkelten Balkone, der mageren Platanen und zum Mitnehmen platzierten, nicht mehr gebrauchten Güter der Mitmenschen. Der Schnee, er rät zur Achtsamkeit.
Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.