Produkttest

Schmetterlinge im Board

Es ist kein Schlitten. Es ist kein Bob. Es ist ein Airboard. Ein mit Luft gefülltes Gummigeschoss für spezielle Gelegenheiten. Spassig im Tiefschnee und an steilen Hängen, die du wie ein Skeleton-Fahrer mit dem Kopf voraus hinabsausen kannst.

Die Geschichte des Airboards ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Zumindest vermute ich das, weil es nicht so recht in die gängigen Schlittel-Kategorien passt. Dabei macht genau das einen Teil des Spasses aus. Als Teenager bin ich irgendwann vom Schlitten auf LKW-Schläuche umgestiegen. Darauf liessen sich drei bis vier Kollegen stapeln, der Rest blieb dem Hang und der Schwerkraft überlassen. Das war grossartig, unberechenbar und komfortabel, bis ein genauso begeisterter Hund die Verfolgung aufnahm und uns mit einem beiläufigen Biss in den Schlauch zur Strecke brachte. Dann war die Luft raus. Und ich wieder auf Schlitten unterwegs. Daran muss ich denken, als ich das «Airboard Regular» in die Finger bekomme. Luft gut, Löcher schlecht. Die einzige Bewertung zum Produkt geht hart mit ihm ins Gericht: «2x benutzt und schon hatte die erste Naht ein ca. 5 cm langes Loch», heisst es da unter anderem. Oha.

Und dann ist da noch die Sache mit den Missverständnissen, die zu völlig unterschiedlichen Bewertungen führt, wie ich bei einem Blick auf das zweite Einsteigermodell feststelle. Die reichen von «gut, aber langsam» über «fantastique!» bis hin zu «nicht geeignet für Erwachsene», wobei diese Einschätzung nicht unwidersprochen bleibt: «Papperlapp ... bin 177 cm und damit schon einige Pisten und Tiefschneehänge runtergedüst.» Dazu gesellt sich der Hinweis, dass Airboards auf einigen Schlittelbahnen verboten sind. Begeisterung auf der einen und enttäuschte Erwartungen auf der anderen Seite sprechen dafür, sich vor dem Kauf über die passenden Einsatzgebiete Gedanken zu machen.

Schwierige Gemengelage, folgende Schlüsse:

  • Spitze Steine und Dornen sind des Airboards natürlicher Feind. Es braucht eine ordentliche Schneedecke, sonst droht ein Totalschaden.
  • Sich mit dem Kopf voraus ins Tal zu stürzen, ist nicht ungefährlich und nicht überall erlaubt. Auf den Kopf gehört ein Helm, Knieschützer sind ebenfalls empfehlenswert. Das hier gezeigte Airboard Regular ist für Schlittelhänge gedacht. Wer es extremer mag, sollte zum Airboard Classic oder zum Airboard Freeride greifen, die auf härtere Belastungen ausgelegt sind.
  • Für längere Abfahrten sind Airboarder auf speziellen Pisten willkommen, zum Beispiel in Davos, auf dem Pizol oder am Pilatus. Eine Übersicht offizieller Strecken findest du hier (BB-Slope anwählen).

Hält es? Platzt es? Bringt es Spass?

Das Airboard Regular kommt mit mir in den Schnee und wird ausprobiert. Neben dem Board gehört noch eine Handpumpe, ein Reparaturset und eine «Handschlaufe» zum Lieferumfang, die sich als simples, schwarzes Seil entpuppt. All das findet zusammen mit einem Paar Stiefel in meinem Rucksack Platz, was ziemlich praktisch ist. So kann ich von den Skiern auf das Airboard wechseln, wann immer sich die Gelegenheit ergibt.

Eine grosse Luftkammer, eine kleine Pumpe. Nach zwei oder drei Minuten bist du startklar.
Eine grosse Luftkammer, eine kleine Pumpe. Nach zwei oder drei Minuten bist du startklar.
Die Rillen an der Unterseite sind robust und machen das Board steuerbar.
Die Rillen an der Unterseite sind robust und machen das Board steuerbar.

Erstfahrt in der Stadt

Die erste Bewährungsprobe bietet sich aber in der Stadt. Wenn es in Zürich schon mal Schnee hat, muss ich das ausnutzen. Der nächste Schlittelhang ist nur fünf Minuten entfernt und ziemlich harmlos. Aber er hat eine nette Bodenwelle, die auf dem Airboard Spass verspricht. Da das Aufpumpen keine drei Minuten in Anspruch nimmt, bin ich fast aus dem Stand startklar. Die Schneedecke ist noch dünn, aber diesen Härtetest besteht das Airboard und je besser die Piste plattgefahren ist, desto grösser werden Speed und Spass. Anfangs komme ich nicht weit und bleibe nach ein paar Metern stehen, während Bobs und Schlitten an mir vorbeiziehen. Später hole ich auf. Die Steuerung durch Gewichtsverlagerung ist gewöhnungsbedürftig, aber sie funktioniert, wenn ich mich entschlossen zur Seite werfe. Zur Not lässt sich mit den Beinen nachhelfen, denn die finden auf dem 1,20 Meter langen Board sowieso keinen Platz. Erstes Fazit: Ganz nett, das Board hat überlebt und ich habe das Spasspotential noch lange nicht ausgereizt.

Ab in die Berge

Im Skiurlaub suche ich mir immer wieder kleine Hänge, an denen ich das Airboard ausprobieren kann. Solange sie steil sind, ist das ein perfekter Spass für zwischendurch. Wenn das Teil mit seiner breiten Auflagefläche Fahrt aufnimmt und die Rillen, die es steuerbar machen, durch den Schnee surren, wenn es mit dem Kopf voran knapp über dem Boden bergab geht, du kurz abhebst und sanft gefedert aufschlägst, sind auch kurze Strecken nicht langweilig. Ich hatte immer wieder Schmetterlinge im Board. Oder im Bauch. Sobald du etwas Speed hast, vergisst du, wo du endest und das Board beginnt. Und nach den ersten Versuchen im Tiefschnee verstehe ich endgültig, warum der Zuger Joe Steiner die Inspiration zu seinen Airboards bei Bodyboardern im Wasser fand.

Ja, ich habe Spass.
Ja, ich habe Spass.

Fazit

Ich bin angefixt und hoffe, einige Missverständnisse aus dem Weg geräumt zu haben. Das Airboard ersetzt keinen Schlitten und keinen Bob. Es ist nicht besser oder schlechter, sondern grundlegend anders. Eine Sache für sich, die gut ins Gepäck passt und in steilem, welligem Gelände Kindern wie Erwachsenen richtig Spass bringt. Die Verarbeitung ist gut, aber es bleibt ein mit Luft gefülltes Plastikteil. Pannen sind da nie ganz ausgeschlossen, das Risiko lässt sich aber reduzieren. Mit genug Schnee unter und maximal 80 Kilo auf dem Board hält es, was es verspricht. Trotzdem schiele ich schon auf das Airboard Classic und all die schönen Dinge, die man damit anstellen kann!

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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