Produkttest

Der beste Bob der Welt

Beim Stiga «Snowracer» bin ich befangen. Vor gut 30 Jahren habe ich damit imaginäre Weltrekorde gebrochen, jetzt liebt mein Sohn den «Rennschlitten» heiss und innig. Kein Wunder, dass diese Legende aus Metall und Plastik seit 1972 hergestellt wird.

Der schwarz glänzende Metallrahmen mit seiner massiven Fussbremse. Die drei breiten Plastikkufen. Und, klar, das Lenkrad. Vor allem das Lenkrad. Als der Stiga «Snowracer Classic» nach über 30 Jahren wieder vor mir steht, ist noch alles genau wie damals. Seine Optik und meine Begeisterung, ich schwelge in Erinnerungen. Sobald auch nur etwas Schnee lag, war ich mit diesem Meisterwerk schwedischer Bobbaukunst am Start und steckte mir immer schwierigere Slalomstrecken. Warf mich in Kurven, überschlug mich gelegentlich und fand doch irgendwann die Ideallinie, die mich zum Sieg, Gold, Weltrekord trug. Hach. Inzwischen gibt es ihn in diversen Varianten.

«Papaaaa, darf ich jetzt drauf???»

Mein dreijähriger Sohn reisst mich aus allen Träumen, denen ich mich beim Zusammenbau hingegeben habe (was sich später noch rächen wird). Die Montage ist keine grosse Sache, der Snowracer purzelt in ein paar wenigen Teilen aus der Verpackung. Sitzfläche, Kufen, Lenkstange und Lenkrad müssen angeschraubt werden, das passende Werkzeug ist dabei. Dann noch die Feder einhängen, die den unbemannten Schlitten nicht talwärts sausen lässt, sondern in eine sanfte Linkskurve zwingt. Fertig. Für einen letzten Check bleibt keine Zeit, schon klammert sich der Kleine hinters Lenkrad und presst johlend die Bremskrallen in Omas Teppich. Noch einmal schlafen, dann haben wir endlich Schnee unter den Kufen.

Irgendwie hatte ich ihn grösser in Erinnerung.
Irgendwie hatte ich ihn grösser in Erinnerung.

Renntag in Meiringen-Hasliberg, die Strecke hat es in sich. Auf der Schlittelpiste zwischen Mägisalp und Bidmi erwarten uns eisige Abschnitte, sulziger Schnee, scharfe Kurven und Schiebepassagen.

Die maximale Belastung des Snowracer (80 Kilo, eine Person) legen wir grosszügig aus (ca. 95 Kilo, zwei Personen und ein Rucksack). Ein wenig geschrumpft kommt er mir schon vor, aber Papa und Sohn passen drauf. Er bequem hinter dem Lenkrad, ich mit den Knien neben den Ohren dahinter. Zumindest bis zur ersten Kehre, aus der wir beinahe fliegen. Ach ja, da war doch was. Technik ist alles. Wer mit dem Snowracer enge Kurven nehmen will, muss sich ordentlich nach innen lehnen und etwas sliden. Dann geht für seine kantenlosen Plastikkufen erstaunlich viel. Am besten steuert er sich im weichen Schnee, aber auch auf den harten Passagen lässt er uns nicht im Stich und die lenkbare Kufe in der Mitte holpert munter über alle Schläge weg.

Keine Gnade für Wanderer

Während ich feststelle, dass ich doch etwas älter geworden bin, entdeckt mein Sohn den Rennfahrer in sich. Er ist in seinem eigenen Film, mal Lightning McQueen, mal Renn-, mal Polizeischlitten. Und er brüllt gnadenlos alles von der Piste, was sich uns an Winterwanderern in den Weg stellt. Teils mit Worten, die ich ihm noch nicht zugetraut hätte. Erstaunlich, was so ein Lenkrad in der Hand aus Menschen macht.

  • Meinung

    «Weg von der Strasse, ihr ****!»

    von Carolin Teufelberger

Holzschlitten, die handelsüblichen Plastikwannenbobs (pah!) und Schneeschuhläufer – wir lassen sie alle hinter uns und sind mit dem Snowracer unter fast allen Bedingungen überlegen. Nur ein paar Jugendliche mit Rennrodeln werden uns gefährlich, aber die biegen irgendwann auf die Skipiste ab. Auf weichem Schnee gleiten wir geschmeidig, eisige Stücke sind eine Herausforderung, aber auch hier greifen die Bremskrallen zumindest ein bisschen und die Sitzposition macht es einfach, mit den Füssen einzugreifen. Auf flachen Abschnitten helfe ich nach, indem ich mich wie ein Musher beim Hundeschlitten auf eine Kufe stelle und mit einem Bein Schwung gebe. Die Zugleine, die sich an der mittleren Kufe befestigen lässt, kann so in der Tasche bleiben. Unten angekommen, sehen wir unter unseren Helmen exakt so aus: 😁😁.

Ein Lenkrad! Wir haben ein Lenkrad!
Ein Lenkrad! Wir haben ein Lenkrad!

Schwiegermutter rettet Mutter

In den folgenden Tagen perfektionieren wir unsere Technik und loten die Grenzen aus. Einmal fahren wir die Böschung hinunter. Und irgendwann beginnt die mittlere Kufe mit meinen Bandscheiben im Duett zu klappern. Was soll das? Eine Mutter hat sich gelöst. Weg. Nun baumelt die Lenkschiene bedenklich und ich stelle mich darauf ein, dem Kleinen verklickern zu müssen, dass es das jetzt war mit dem Rodelspass. Ende, aus, Plastikschrott. Doch wenn du glaubst, es geht nichts mehr, kommt von irgendwo deine Schwiegermutter daher. Die stapft mit Schlitten und Enkel zur Erste-Hilfe-Station Mägisalp und verlangt kein Pflaster, sondern eine Mutter. Und tatsächlich, fünf Minuten später sind wir wieder startklar.

  • Hintergrund

    Mutter, wo ist der Rest deiner Familie?

    von Carolin Teufelberger

«Aaaaachtuuuung, Rennschlitten!!!!»

Ich hoffe, die Gondelbahn kommt ohne das Teil aus. Wir brauchen es definitiv dringender. Eine Weile bin ich etwas enttäuscht über den Materialfehler, dann kommt mir der verträumte Zusammenbau wieder in den Sinn. Ich habe doch nicht etwa ... Doch, ich hab's vermasselt. Wenn man die Mutter auf der richtigen Seite montiert, sitzt die Sechskantkopfschraube auf der gegenüberliegenden Seite fest in einer Plastikvertiefung. In den nächsten Tagen wackelt nichts mehr. Freispruch für den Snowracer, alle Schuld auf mich.

Wir jagen Rekorde und Rentnerpaare springen lachend zur Seite, wenn der «Aaaaachtuuuung, Rennschlitten!!!!» brüllende Dreikäsehoch mit dem entschuldigend grinsenden Papi auf dem Sozius vorbeischeppert. Ein Stück Kindheit mit dem eigenen Kind zu teilen, ist einfach grossartig. Und der Snowracer auch. Mein eiserner Vorsatz, ihn nach ein paar Testtagen wieder abzugeben, ist pulverisiert. Ich kann dem Kleinen doch nicht das Herz brechen. Mit meiner Begeisterung hat das gar nichts zu tun. Na gut, vielleicht ein bisschen. Ganz ehrlich: Ich will ihn ja auch, den Klassiker.

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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