Meinung

Mit Männerpflanzen gegen den Fortschritt

Ganz Europa ist von den Armeen der Gender-Equality besetzt. Ganz Europa? Nein, ein von unbeugsamen Blumenvermittlern besetztes Unternehmen hört nicht auf, dem Fortschritt Widerstand zu leisten.

Die Niederlande haben vor ein paar Tagen beschlossen, die Geschlechtsangabe ab 2024 aus dem Personalausweis zu streichen. Menschen sollen sich in ihrer Identität frei entfalten können. Das kann man als Schritt in die richtige Richtung begrüssen. Als Zeichen dafür, dass Qualifikation, Charakter und Weltanschauung nicht mit Genderidentität korrelieren. Man kann es aber auch als überflüssige Beschäftigungstherapie unterbeschäftigter Politiker abtun. Schliesslich gibt es biologisch zwei Geschlechter. Im schriftlichen Sprachgebrauch eines. Das ist so und war immer so. Oder man gibt stattdessen einfach Pflanzen ein Geschlecht, wenn man es uns Menschen schon abspricht.

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    Die Männerpflanzen sind da! Willst du lieber Bruce oder Harry?

Ein Hoch auf die 50er

Während unsereins noch nach Argumenten und Stammtischparolen sucht, um sie Andersdenkenden in der Gleichstellungsdebatte an den Kopf zu knallen, schreitet ein ausgebuffter Blumenvermittler klammheimlich zur Tat. Fleurop hat keine Lust aufs Diskutieren und Echauffieren. Sie ordnet deshalb einfach Pflanzen ein Geschlecht zu und haucht ihnen mit Rollenbildern aus den 50ern Leben ein, um ihre Meinung kundzutun. Ein genialer Marketing-Stunt im Jahr 2020. Bei all dem Fortschritt in Sachen Rassismus und Sexismus ist es wichtig, auch den Rückschritt zu zelebrieren.

Die Idee der neuen Linie «Männerpflanze» besticht durch ihre Simplizität. Männer sind bekanntlich faul und nicht gerade mit einem grünen Daumen gesegnet. Ihre Junggesellenbuden sind mit dreckiger Unterwäsche dekoriert, weil der letzte Besuch bei Mama wegen alkoholbedingter Kopfschmerzen flach fiel. Frauen sind davon wenig angetan. Sie lieben Grünzeug. Nicht nur als Aufmerksamkeit am Weltfrauentag oder im gesunden Smoothie, sondern auch in Männerwohnungen.

Wie lässt sich also Giessfaulheit mit dem dringenden Wunsch koitaler Befriedigung vereinen? Klar, indem man die pflegeleichtesten Pflanzen mit Männernamen versieht, sie in maskuline Betontöpfe setzt und das Ganze dann zum dreifachen Preis anbietet. Schon hat man die neue, heilige Dreifaltigkeit der männlichen Potenzsymbole: Rolex am Handgelenk. Porsche 911er in der Garage. Monstera neben dem Sofa. Sollte das wider Erwarten doch nicht zum Geschlechtsakt führen, dann, liebe Männer, ein kleiner Trost von Fleurop: Seid einfach froh, dass ihr euch die Wohnung nicht mit aufmüpfigen Frauen, die sich an eurer Sportbegeisterung stören, teilen müsst. Pflanzen halten den Mund und sehen hübsch aus. Lang ist’s her, seit Mann das auch über Frauen sagen konnte.

Sozialer Stillstand gehört zur Schweiz

Findige Debattierer mögen nun argumentieren, dass sich der Sexismus gegen beide Geschlechter richtet, weshalb er sich eigentlich auflöst. Minus mal Minus ergibt Plus, das ist einfachste Mathematik. Ausserdem stand die Schweiz dem sozialen Fortschritt nie sonderlich offen gegenüber, was das erst 1971 in Kraft getretene Frauenstimmrecht eindrücklich beweist. Der gesellschaftspolitische Stillstand ist so helvetisch wie Wilhelm Tell oder der Stewi. Bei manchem lässt er sogar ein Gefühl von Nationalstolz in der geschwellten Brust aufkeimen. Doch nicht nur das Schweizer Parlament ist gerade woke wie nie (Hallo Ehe für alle. Und ZWEI Wochen Vaterschaftsurlaub! Vielleicht.), sondern auch die Galaxus-Community – im Gegensatz zu uns als Shop. Sie lässt sich nicht teuer für dumm verkaufen und bemängelt den ungelenken Umgang mit Geschlechterklischees.

Im Jahre 2020 mit all seinen Streiks, Demos und einer Pandemie, die gerade allerlei Missstände aufdeckt, scheint Fleurop mit einer sexistischen Produktlinie doch zu hoch gepokert zu haben. Vielleicht nächstes Jahr.

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Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.


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