
Hinter den Kulissen
Wilder Westen bei Mundschutzmasken
von Alex Hämmerli
Das Konsumentenmagazin «Beobachter» publiziert in der aktuellen Ausgabe einen Testbericht zu Masken, die vor dem Coronavirus schützen sollen. Ein Produkt, das wir verkauft haben, fällt dabei komplett durch. Das liegt aber nicht an den Masken, sondern am Testverfahren.
Dicke Post vom «Beobachter»: In der Ausgabe vom 31. Juli 2020 publiziert das Konsumentenmagazin als Titelstory einen Testbericht, in dem eine Atemschutzmaske, von der Galaxus rund 3500 Packungen verkauft hat, komplett durchfällt: Bei einer Messung der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) erreichte die Maske bei zwei verschiedenen Partikelgrössen bloss eine Filterleistung von 87% respektive 44%. Der Mindestwert für KN95-Masken läge bei 95%. Ursprung der Story ist eine gemeinsame Mitteilung des BfU und der SUVA, wonach mehr als 60 Prozent der in der Schweiz verkauften Atemschutzmasken keinen genügenden Schutz bieten.
Die vernichtende Kritik an uns: «Die Online-händlerin verkaufte monatelang Masken aus China, die offenbar Ramsch sind», schreibt der Redaktor. Und weiter: «Galaxus versprach eine zertifizierte Schutzwirkung, die es so nicht gibt. Wer diese Maske kauft, kann nur hoffen, nicht auf Infizierte zu treffen.»
Der Haken an der Sache: Die FHNW hat für den Masken-Test ein neues, selbst entwickeltes Verfahren angewendet, das nicht den internationalen Standards zur Prüfung von Atemschutzmasken entspricht: Sowohl die Experten des BfU als zuständiges Amt für die Zulassung vom Atemschutzmasken als auch des Migros-Labors SQTS bemängeln, dass die FHNW nicht nach der vorgeschriebenen EU-Norm EN149 oder ähnlicher international anerkannter Verfahren geprüft hat. Damit verliert der Test seine gesamte Aussagekraft.
Den Testbericht der FHNW findest du in diesem und Informationen zum selbst entwickelten Prüfverfahren in diesem Dokument.
Und es kommt noch dicker: Drei voneinander unabhängige Tests des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung IFA (Testreport vom 26.3.2020), des US-Center for Disease Control and Prevention CDC (Testreport vom 22.6.2020) und des Migros-Prüflabors SQTS (Testreport vom 29.7.2020) kommen nach den in ihren Ländern vorgeschriebenen Prüfverfahren zum Schluss, dass die Schutzleistung der Maske ausreichend sei. Das BfU hatte den Verkauf in der Schweiz offiziell am 15. Mai 2020 freigegeben.
Den SQTS-Test hatten wir in Auftrag gegeben, um die Anschuldigungen des «Beobachters» zu überprüfen. Leider lagen uns die Resultate des SQTS erst ein Tag nach Redaktionsschluss vor, da der «Beobachter» trotz klaren und eindeutigen Hinweisen unserseits am Publikationsdatum der Titelstory festgehalten hat. Die Prüfberichte der Labors der IFA und des CDC sind freilich beide öffentlich und digital zugänglich – auch für die Journalisten des Beobachters.
Nun ist der «Beobachter» zurückgekrebst: Am Morgen der Publikation der gedruckten Version hat der stellvertretende Chefredaktor Martin Vetterli das E-Paper gestoppt. Dies, nachdem Galaxus die Testresultate des SQTS nachgeliefert hat. Die Online-Version erscheint nun mit einem entsprechenden Hinweis, der Beitrag selbst wurde online und im E-Paper entschärft, indem insbesondere der reisserische Einstieg mit den haltlosen Anschuldigungen gestrichen wurde, und in der nächsten gedruckten Ausgabe gibt es ein Korrigendum.
Die FHNW hält an der Gültigkeit ihrer Ergebnisse freilich fest: Es sei wahrscheinlich, dass die Fachhochschule bei Kleinstpartikeln «genauer» messe als die Industrienorm, wird Professor Ernest Weingartner in einer Stellungnahme zitiert. Tatsache bleibt, dass Weingartners neue Messmethode nicht mit dem gesetzlich geforderten EN149-Standard-Prüfverfahren vergleichbar ist.
Zwischenfazit: Die Masken entsprechen dem KN95-Standard. Es besteht keine erhöhte Gefahr für alle, die die Maske tragen.
Offenbar sind allerdings nebst den offiziellen, qualitativ hochwertigen Original-Atemschutzmasken auch gefälschte Modelle im Umlauf. Vgl. CDC-Webseite sowie Screenshot hier. Als Vorsichtsmassnahme hat das CDC dem Hersteller deshalb für die USA die Zulassung entzogen, notabene aber nicht wegen einem verpatzten Testergebnis.
Weder in Nordamerika noch sonst wo wurde für die Maske bis dato eine Rückrufaktion eingeleitet: Gemäss CDC war in den USA lediglich eine Kommunikation und ein Re-Labelling notwendig, damit die potenziellen Fake-Masken nicht in medizinischen Einrichtungen von «Frontline Healthcare Workers» genutzt werden.
Unser Schweizer Lieferant hat uns eine direkte Verbindung zum Hersteller in China offengelegt und uns bestätigt, dass wir Originalmasken und eben keine Plagiate gekauft haben. Wir haben unsere Masken zusätzlich mit dem oben verlinkten CDC-Bericht verglichen: Herstelldatum, Ablaufdatum sowie andere Kennzeichen (insb. LOT und GTIN) stimmen mit den Original-Produkten überein.
Wir können also mit gutem Gewissen sagen, dass wir unseren Kunden keine Fake-Masken und somit auch keine Masken mit unzureichender Schutzleistung verkauft haben. Das schützt uns freilich nicht davor, dass wir vom «Beobachter» öffentlich abgekanzelt wurden.
Endfazit: Vom leserstärksten Magazin der Schweiz hätten wir eine ojektivere Berichterstattung erwartet.
Update am 6.8.2020
In der ursprünglichen Version dieses Beitrags hatten wir geschrieben, dass der «Beobachter» Fake News publiziert habe. Dieser Begriff ist vielen sauer aufgestossen, wird er doch mit dem brachialen Jargon des US-Präsidenten Donald Trump in Verbindung gebracht. Ausserdem unterstellt der Begriff, dass die «Beobachter»-Redaktion in der Print-Ausgabe die Fakten mit Absicht verdreht hat. Wir haben den Begriff daher aus dem Beitrag entfernt und entschuldigen uns dafür, dass wir uns in der rhetorischen Schublade vergriffen haben.
Wir möchten an dieser Stelle aber noch einmal festhalten, dass der «Beobachter» mit seiner Story in der Print-Version weit über eine nüchterne Auflistung sauber recherchierter Fakten hinaus geht – und dass der Beitrag nachweislich falsche oder irreführende Informationen enthält. Daraus resultierte auch die erhebliche Korrektur in der Online-Version des «Beobachters». Die KN95-Atemschutzmasken erfüllen die Anforderungen an die Prüfnorm umfassend und sind bis dato offiziell vom BfU/Seco nach der sog. Schweizer Covid19-Verordnung Artikel 24, Absatz 2 Buchstabe c in der Schweiz zugelassen. Insofern hat Galaxus weder «Ramsch» noch «Plagiat-Masken» verkauft.
Wir finden es legitim, dass die «Beobachter»-Redaktion bzw. die Experten der FHNW die aktuellen Masken-Normen und -Prüfverfahren für die Corona-Pandemie infrage stellen. Auch haben wir nichts dagegen, dass die FHNW Masken unter strengeren Bedingungen getestet hat. Im vorliegenden Beitrag wurden aber beide Anliegen so vermischt, dass der Leser in die Irre geführt wird. Unterm Strich ist ein Artikel herausgekommen, mit dem niemand etwas gewonnen hat. Vielmehr hat er noch mehr Verwirrung und Unklarheit in einer ohnehin schon schwer verständlichen Sachlage gestiftet.
Ich bin bei Galaxus und Digitec zuständig für den Austausch mit Journalistinnen und Bloggern. Gute Geschichten sind meine Leidenschaft, deshalb bin ich immer auf dem neusten Stand.