Giorgio Rossi / Shutterstock.com
Hintergrund

Klub-WM der FIFA: die grösste Shit Show aller Zeiten

Luca Fontana
13.6.2025

Prestige, Milliarden, Kontrolle: Die neue Klub-WM ist der bisher grösste Coup von FIFA-Präsident Gianni Infantino – und vielleicht auch die grösste Absurdität im globalen Fussballzirkus. Eine Abrechnung.

Wer den Kalender kontrolliert, kontrolliert den Fussball. Und lange tat das die UEFA – weil sie den Klubfussball organisiert. Weil sie mit der Champions League jedes Jahr Milliarden bewegt, während die FIFA nur alle vier Jahre ihre grosse Show bekommt: die Weltmeisterschaft.

Genau das will die FIFA ändern. Sie will mitspielen. Oder besser: übernehmen. Mit der Brechstange, wenn’s sein muss. Darum hat sie kurzerhand die Klub-Weltmeisterschaft neu erfunden. 32 Teams, alle vier Jahre, erstmals vom 14. Juni bis 13. Juli 2025 in den USA. Ein Festival des globalisierten Klubfussballs, irgendwo zwischen WM-Show und Champions-League-Pathos.

So zumindest erklärt es Gianni Infantino, der FIFA-Präsident. In Wirklichkeit ist das Turnier ein Monument der Selbstinszenierung. Und ein weiterer Kraftakt in einem Sport, der längst überhitzt ist – für Spieler, Fans und Vereine.

Die FIFA wildert im Klubfussball

Nein, die neue Klub-WM ist kein Geschenk an die Fans. Sie ist eine Kampfansage an die UEFA. An nationale Ligen. Aber vor allem ein Angriff auf deren Geldquellen. Ein Versuch, erstmals regelmässig Fuss im hochprofitablen Klubfussball zu fassen, ein Bereich, der der FIFA bislang weitgehend verschlossen war.

Denn im aktuellen System hat die FIFA ein Problem: Ihre Haupteinnahmequelle – die Fussball-WM der Männer – findet nur alle vier Jahre statt. 2022 spülte sie dank TV-Rechten, Sponsoring und Tickets rund 7,5 Milliarden US-Dollar Umsatz in die Kassen. Ein Rekord. Aber eben einer, der nur alle vier Jahre gebrochen werden kann.

Für die FIFA ist die Weltmeisterschaft die grösste Einnahmequelle – aber nur alle vier Jahre.
Für die FIFA ist die Weltmeisterschaft die grösste Einnahmequelle – aber nur alle vier Jahre.
Quelle: Danilo Borges, Wikimedia Creative Commons

Die UEFA hingegen verdient nicht nur jährlich, sondern auch prächtig: Allein mit Champions League, Europa League und Conference League generierte sie im Jahr 2023 rund 3,6 Milliarden Euro. Also über vier Milliarden Dollar – pro Saison. Die vergangenes Jahr umgesetzte Reform dürfte die Einnahmen sogar erhöht haben.

Und diese Einnahmen schenken richtig ein: Die UEFA behält etwa 15 Prozent davon für sich. Die FIFA sogar 20 Prozent. Mit der neuen Klub-WM verspricht sich Infantino zwei Milliarden Dollar Umsatz pro Turnierzyklus, davon eine Milliarde aus TV-Rechten und eine weitere aus Sponsoring. Da bleiben der FIFA rund 400 Millionen Dollar Gewinn.

Ganz schön viel Profit für eine gemeinnützige, steuerlich begünstigte und selbsternannte Non-Profit-Organisation.

Ein Wettbewerb, den niemand will

Infantino geht’s aber nicht nur um Kontrolle und Geld. Es geht ihm auch um sein Vermächtnis. Sein Name ist gleich zweimal auf der neuen Trophäe eingraviert. Dass er dieses Machtinstrument gegen den Widerstand fast aller Stakeholder durchgedrückt hat, gegen die UEFA, gegen die Spieler, gegen die Ligen und gegen die Trainer, stört ihn kein bisschen.

Spaniens La-Liga-Chef sprach vor einem Jahr vom «perfekten Moment, das Projekt zu begraben». Die Spielvereinigung FIFPro denkt sogar über eine Klage nach, weil die FIFA gegen EU-Recht verstossen haben soll. Doch Infantino zieht durch und spricht von einer «neuen Ära des Klubfussballs», die nicht glorreicher und aufregender sein könnte.

Die Posse kann trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei der neuen Klub-WM nicht um Fans, sportliche Fairness oder globale Entwicklung geht, wie Infantino scheinheilig predigt. Es geht um Rendite. Und wer mitspielen darf, ist nur bedingt eine Frage des sportlichen Erfolgs. Es gibt ja nicht mal Qualifikationsrunden. Die FIFA bestimmt, wer mitspielt.

Vereine wie etwa der Premier-League-Sieger Liverpool oder der spanische Meister Barcelona fehlen. Dafür ist das nicht mal beste Team der USA, Inter Miami, via «Gastgeber-Wildcard» gesetzt, weil Lionel Messi dort spielt. Auckland City, weil Ozeanien eben auch noch einen Teilnehmer braucht. Und Red Bull Salzburg aus Österreich, weil … nun ja, warum eigentlich?

Bereits im Vorverkauf blieb der grosse Run auf Tickets aus. Die FIFA denkt in erster Linie an neue Zuschauermärkte und TV-Quoten, nicht an Stadionatmosphäre oder Fankultur.
Bereits im Vorverkauf blieb der grosse Run auf Tickets aus. Die FIFA denkt in erster Linie an neue Zuschauermärkte und TV-Quoten, nicht an Stadionatmosphäre oder Fankultur.
Quelle: bella1105, Shutterstock.com

Was dabei herauskommt, sind Partien wie Ulsan HD gegen Urawa Red Diamonds, gespielt in einem Footballstadion, übertragen um null Uhr nachts europäischer Zeit und mit Spielern, die längst am Limit sind. City-Akteur Rodri fordert gar einen Streik, Ex-Liverpool-Coach Klopp nannte das Turnier anfang Jahr «sinnlos», City-Coach Guardiola sprach Ende 2024 von einem «unhaltbaren Kalender» und der deutsche Nationalmannschafts-Trainer Nagelsmann ächzte erst kürzlich über die Klub-WM als «brutale Belastung».

Doch all die Empörung bleibt folgenlos. Am Ende stehen sie alle auf dem Platz – Schulter an Schulter mit der FIFA, gegen die sie eben noch wetterten.

Das ändert allerdings nichts daran, dass auch vor Ort niemand das Turnier herbeisehnt. Der Ticketverkauf harzt. Preise für Plätze im Stadion wurden zuletzt um über 90 Prozent (!) reduziert, weil das Interesse so gering ist. Und um peinliche TV-Bilder von Spielen mit grossen Löchern auf den Tribünen zu umgehen, muss die FIFA sogar tricksen: In Seattle werden für das erste Spiel der Sounders gegen Botafogo ganze Blöcke gesperrt und Fans auf untere Ränge verschoben. So, dass es am TV nach vollem Stadion aussieht.

Das in den USA, wo sonst jeder halbwegs grosse Sportanlass mit Eventcharakter für volle Ränge sorgt.

Der ominöse Deal mit DAZN und Saudi-Arabien

Mit den Peinlichkeiten nicht genug: Wem ein Turnier gehört, der darf es auch verkaufen. Und die FIFA hatte Grosses vor: Medienrechte für eine Milliarde Dollar, weltweite Reichweite, neue Märkte und neue Sponsoren. Nur: Niemand wollte kaufen. Anfangs, zumindest.

Der erste TV-Deal mit dem amerikanischen Tech-Giganten Apple platzte überraschend – angeblich, weil das Angebot weit unter den Erwartungen der FIFA lag. Danach passierte lange Zeit nichts. Laut The Telegraph bot ein britischer Sender gar null Pfund, in der Annahme, dass ohnehin kein höheres Gebot eingehen würde. Die Euphorie im Rechtehandel hielt sich in Grenzen. Kein Wunder, wenn selbst Fussballgiganten zur Unzeit gegen Klubs aus allen Ecken der Welt spielen sollen, deren Logos niemand kennt.

Stell dir vor, es ist Klub-WM – und niemand geht hin.
Stell dir vor, es ist Klub-WM – und niemand geht hin.
Quelle: Delmiro Junior, Shutterstock.com

Doch dann der plötzliche Durchbruch: Praktisch über Nacht präsentierte die FIFA den Sport-Streamingdienst DAZN als weltweiten Partner und verkündete einen spektakulären TV-Deal, der über eine Milliarde Dollar einbringen wird – einen Tag vor der Auslosung der Gruppenphase. Klingt nach Rettung in letzter Sekunde, ist aber wohl eher ein Taschenspielertrick.

Denn nur Wochen später wurde publik, dass der saudische Staatsfonds PIF für kolportierte 1,1 Milliarden Dollar bei DAZN eingestiegen war. Also für fast exakt die Summe, die DAZN für die FIFA-Rechte gezahlt hat. Und das nur ein halbes Jahr, nachdem Saudi-Arabien quasi kampflos die Fussball-WM 2034 zugesprochen bekommen hat. Man könnte sagen: Das Geld wurde als Dankeschön einmal von Riad über DAZN zur FIFA durchgeschleust. Ein globaler Dreisprung der sportpolitischen Einflussnahme.

Die FIFA selbst schweigt zu den Details. DAZN ebenso. Aber der zeitliche Ablauf ist auffällig. Erst zahlt niemand für die Club-WM. Dann steigen die Saudis bei DAZN ein. Und plötzlich kann DAZN das ganze Turnier weltweit streamen – in manchen Ländern, etwa Deutschland, sogar gratis. Und die FIFA bekommt trotzdem ihr Geld. Zufall? Oder ein weiterer Baustein im saudischen Masterplan, mit Sport globale Deutungshoheit zu gewinnen?

Es bleibt ein fader Beigeschmack.

Drei Ferraris, zwei Porsches – und null Einsicht

Aber egal wie sehr Spieler und Vereine gegen die Klub-WM wettern: Wirtschaftlich kann es sich niemand leisten, das Turnier zu ignorieren. Der Sieger der Klub-WM streicht bis zu 115 Millionen US-Dollar ein – in gerade mal sieben Spielen. Zum Vergleich: Um in der Champions League auf eine ähnliche Summe zu kommen, braucht es 17 Partien und den Titel. Also mehr als doppelt so viele Spiele für nur wenig mehr Geld.

Die Schuld an diesem Schlamassel alleine bei der FIFA zu suchen, wäre allerdings kurzsichtig. Auch die Clubs – aber vor allem die Spieler – müssen sich an die eigene Nase nehmen. Bayerns Ehrenpräsident Karl-Heinz Rummenigge hat es anfang Jahr treffend formuliert: Wer immer höhere Gehälter, irre Bonuszahlungen und astronomische Handgelder verlangt, darf sich nicht wundern, wenn das System irgendwann neue Einnahmequellen erschliessen muss.

Spitzenspieler werden diese Saison über 70 Spiele in den Beinen haben – Rekord. Pausen gibt’s kaum, die Saison startet kurz nach der Klub-WM und nächsten Sommer folgt bereits wieder die WM der Nationalmannschaften.
Spitzenspieler werden diese Saison über 70 Spiele in den Beinen haben – Rekord. Pausen gibt’s kaum, die Saison startet kurz nach der Klub-WM und nächsten Sommer folgt bereits wieder die WM der Nationalmannschaften.
Quelle: Vyacheslav Evdokimov, Wikimedia Creative Commons

Vereine, die wirklich Geld verdienen – also nicht von Golfstaaten querfinanziert oder über Trick-Sponsoring künstlich aufgepumpt sind –, gibt es mittlerweile kaum mehr. Die Überschuldung im europäischen Spitzenfussball drückt. Selbst der angebliche Vorzeigeverein Bayern München soll über Umwege mit staatlichen Geldern aus Dubai versorgt werden. Wenn Spieler also nicht bereit sind, ihre Gehaltsforderungen zurückzufahren und mit ihrer Entourage über die Schmerzgrenze zu pokern, tragen sie Mitverantwortung für die Überbelastung. Körperlich und ökonomisch.

Denn selbst die irrwitzigsten Ablösesummen bleiben wenigstens in der Fussball-Ökonomie, wo sie in neue Transfers oder sogar in die eigene Vereinsinfrastruktur reinvestiert werden. Gehälter und Kommissionen für Spieler und Agenten hingegen verschwinden in Yachten, Sportwagen und Villen. Das Geld kommt nicht dem Fussball zugute. Es verpufft in Luxus. Und um diesen Luxus zu ermöglichen, müssen Kalender gefüllt und neue Wettbewerbe erfunden werden.

Die FIFA liefert nur das Spielfeld. Gespielt wird, weil alle mitspielen. Spieler, Clubs, Agenten und Sponsoren. Der moderne Fussball ist längst zum globalen Glücksrad verkommen. Und alle drehen sie am Rad.

Titelbild: Giorgio Rossi / Shutterstock.com

50 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


Sport
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    E-Autos, von denen du noch nie gehört hast

    von Manuel Wenk

  • Hintergrund

    Seltsame Rekorde, teure Richter und Propaganda: Fakten zum Guinness-Buch der Rekorde

    von Martin Jungfer

  • Hintergrund

    Die Siegesbilder der Sony World Photography Awards 2025

    von Samuel Buchmann

10 Kommentare

Avatar
later