Produkttest

Klever in Köln: Das S-Pedelec X Speed Pinion im Test

Ein Bike wie die Stadt: Irgendwie anders. Ich bin mit dem X Speed Pinion von Klever Mobility eine Woche in Köln unterwegs. Mal schauen, was passiert, wenn das S-Pedelec mit dem lokalen Grundgesetz kollidiert.

Während ich mich mit der Optik anfreunden kann, hat Kollege Philipp Rüegg, der gerade auf Bike-Suche ist und dem ich das Teil vorab im Büro am Bildschirm gezeigt habe, mit einem langgezogenen «Nääääh» reagiert und geschaut, als hätte er in eine Zitrone gebissen. «Klar polarisiert das Design», weiss auch Daniel Wilden.

Abfahrt

Das reicht, um Fussgänger, die achtlos die Strasse überqueren, zurück aufs Trottoir springen zu lassen. Ein Fuchs, der mich auf der Landstrasse zunächst nicht bemerkt hatte, stand ebenfalls kurz vor dem Herzinfarkt. Bremsen tut bei so viel Power unter dem Hintern nicht weh. Nach ein paar Pedalumdrehungen zeigt der Tacho schnell wieder 40 km/h an. Dafür muss ich im Flachland nicht einmal runterschalten.

Fahrgefühl

Vorne ist beim X Speed eine RockShox Recon Air Federgabel verbaut, die mit 100 mm Federweg und in Kombination mit den 27.5-Zoll-Reifen (Schwalbe Super Moto X) etwas dämpft. Das Fahrgefühl ist trotzdem sportlich-straff. Bei hoher Geschwindigkeit reicht der steife Aluminiumrahmen einige Schläge weiter und ich denke an die optional erhältliche gefederte Sattelstütze. Insgesamt passen Optik, Sitzposition und rasanter Antritt sehr gut zusammen.

Mit einer auffälligeren Rahmenfarbe sieht das X Speed meiner Meinung nach besser aus, doch auch so hebt es sich von der Masse ab. Die Rahmenkonstruktion um den kantigen Akku herum erlaubt weder ein gerades Oberrohr noch einen Tiefeinsteiger. Sie ist, wie sie ist und die Sattelstütze ragt unabhängig von der Grösse des Fahrers weit heraus. Kabelstränge verschwinden im Vorbau und sind im Rahmen verlegt.

Es ist definitiv ein Bike, dass eine eigene Handschrift hat. Was die Fahreigenschaften angeht, muss sich das Klever X Speed Pinion nicht verstecken. Kräftig, agil und gut im Handling ist dieses 29 Kilogramm schwere S-Pedelec. Das Gewicht ist angenehm verteilt, doch der Sprinter braucht Energie.

Akku

Ich bin kein Freund überdimensionierter Akkus. Sie wiegen viel und werden selten wirklich gebraucht. Die Reichweite muss zur regelmässig gefahrenen Strecke passen. Und da S-Pedelecs vor allem Pendler im Visier haben, ist diese klar definiert. Wie weit dich eine Akkuladung schlussendlich trägt, hängt von vielen Faktoren ab. Gewicht, Streckenprofil, Reifendruck, Temperatur und Pflege, um nur einige zu nennen.

Rekuperation

Bis auf elf Trümmerhügel, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgeschüttet wurden. Einer davon dient mir als Teststrecke. Das X Speed kann dem Akku per Rekuperation wieder etwas Energie zuführen. Genau genommen sind Leerlauf- und Bremsrekuperation möglich und im entsprechenden Gelände sinnvoll.

Ich habe beides auf «Automatik» gestellt. Davon merke ich nur bei hoher Geschwindigkeit etwas, dann rumort und rekuperiert es, sobald ich aufhöre zu treten oder den Bremshebel ziehe. Ein kleiner Balken zeigt im Display an, dass etwas Energie zurückfliesst. Um den Effekt bergab zu testen, erklimme ich den Herkulesberg, der tatsächlich eine nennenswerte Steigung zu bieten hat.

Eigentlich dürfte ich hier nicht unterwegs sein, aber das lautlose Pedelec stört die schnaubenden Jogger nicht. Ich fahre extra langsam und muss runterschalten, damit der Motor seine Kraft bei niedriger Geschwindigkeit auf den Boden bringt. Oben angekommen, schalte ich die Leerlauf-Rekuperation auf die höchste Stufe 3. Damit kann ich den Hügel ohne zu bremsen wieder runterrollen und werde trotzdem nicht schneller als 15 Stundenkilometer.

Auf längeren Abfahrten würde das sicher nennenswerte Energiemengen zurückbringen und die Bremsen entlasten. Im Alltag ist die Automatik-Einstellung vorteilhaft. Irgendwann schalte ich sie ganz aus. Hier in der Rheinischen Tiefebene greift Paragraph 4 des Kölschen Grundgesetzes: «Watt fott es es fott.» Weg ist weg, also verschwende keinen weiteren Gedanken daran. Die verbrauchte Energie kommt nicht wieder.

Sicherheit

Um das Klever X Speed zu starten, brauchst du einen Dongle. Das tönt wie Kölsche Mundart, ist aber englisches Fachchinesisch für einen kleinen Stick, den du in die entsprechende Buchse am Display steckst. Nach kurzem Warten ziehst du ihn wieder ab und das Bike ist startklar. Einmal erschreckt mich das Display mit der Meldung «Wrong E-Key», weil ich ihn zu schnell angesteckt habe. Ansonsten klappt das einwandfrei.

Sobald du das Display ausschaltest, aktiviert sich der Alarm – sofern du das nicht in den Settings unterbindest. Steht das Bike längere Zeit unbewegt herum, signalisiert ein Piepsen, dass das Display nun aus und der Sicherheitsmodus scharf ist. Macht sich dann jemand an deinem Bike zu schaffen, geht ein Alarm los und das Hinterrad wird blockiert. Daniel Wilden hat mir erzählt, dass sein X Speed mal eine Nacht lang ohne weiteres Schloss in der Kölner Innenstadt stand.

Vermutlich hat er auf Paragraph 3 des Kölschen Grundgesetzes vertraut: «Et hätt noch immer jot jejange.» Und es ging gut, er hat es am nächsten Tag zwanzig Meter weiter wiedergefunden. Sein Glück, denn ansonsten gilt wieder: «Watt fott es es fott.» Über eine GPS-Verfolgung verfügt das Bike nicht. Dafür lassen sich alle wichtigen Teile anhand der Seriennummer identifizieren.

Mir gelingt es auf Anhieb, den Dongle auf der Strasse zu verlieren, was ich zum Glück nach ein paar Metern bemerke. Mer losse de Dongle in Kölle? Muss nicht sein. Zumindest erinnere ich mich daran, dass zwei davon zum Lieferumfang gehören und sie bei Bedarf gesperrt und neu codiert werden können. Die Sicherheitsfeatures sind sinnvoll. Nicht überall bewacht ein Fernsehclown die Bikes. Auch wenn es ein Fake ist – gut ist er.

Display

Die Steuerzentrale ist simpel. Sie gewinnt wohl weder einen Desingpreis noch ist sie visionär. Das muss nicht schlecht sein, es kommt auf die individuellen Bedürfnisse an. Manche werden beim Anblick des klassischen Bauteils sagen «Do laachste dech kapott» (§ 11) und auf vollintegrierte Systeme wie bei Stromer verweisen. Dort sitzt ein Farbdisplay im Oberrohr, das Bike kommuniziert per SIM-Karte über das Mobilfunknetz und saugt Updates automatisch.

Andere Nutzer finden bei zu viel Schnickschnack: «Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet» (§ 6). Sie brauchen all die Zusatzfunktionen nicht und sind froh über ein LCD-Display am Lenker, das sie – ohne den Hals zu verrenken – auch im Sonnenlicht gut ablesen können.

Ausserdem gibt es noch einen Knopf für die Schiebehilfe, der, während der Fahrt gedrückt, sofort die volle Motorpower liefert. Du kannst also mit niedriger Unterstützung fahren und bei Bedarf den Button gedrückt halten. Leider ist direkt darunter die Hupe und ich verwechsle beides manchmal. Hinter einer Abdeckung versteckt sich der Slot für den E-Key.

Fazit

Klever baut ein S-Pedelec mit tollen Fahreigenschaften. Ich durfte die Luxusvariante mit Riemenantrieb und Pinion-Getriebe testen. Sie ist teuer, aber wartungsarm und sorgt für spektakulär leises Fahren. Mit anderen Komponenten bestückt, gibt's das X Speed günstiger. Die leicht sportliche Sitzhaltung inklusive straffer Federung bleibt gleich.

Wenn du ein leises Schnellladegerät und ein modernes Display weit oben auf der Prioritätenliste stehen hast, musst du warten oder nachrüsten. Und falls dir die Designsprache gar nicht zusagt, bleib entspannt: Et es wie et es.

Zu allen Bikes der Marke

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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