Hintergrund

«Immer schön flexibel bleiben!»

Ein Hausbau liegt nicht drin, ins gemachte Nest willst du dich aber auch nicht setzen. Da bietet sich die Renovation eines älteren Hauses an. Das aber kann ganz schön Zeit und Nerven kosten. Karina und Hannes haben den Schritt gewagt und erzählen, worauf es ankommt.

Beide sind berufstätig, je einen Tag haben sie frei; sie donnerstags, er freitags. Diese Tage sind aber nicht zum Ausschlafen da, sondern für die Tochter. Die kleine Hanna ist anderthalb Jahre alt und will Zeit mit Mama und Papa verbringen. Mit Job und Kind sind die Tage gefüllt, würde man denken. Aber Karina und Hannes haben sich noch ein wenig mehr aufgeladen und sich ein kleines Häuschen in Winterthur gekauft, das nach den eigenen Vorstellungen renoviert werden soll. «Uns war schnell bewusst, dass dies der einzige Weg für uns ist, an die eigenen vier Wände zu kommen.» Durch das eher kleine Budget kam weder ein Hausbau noch der Kauf eines modernen, mit allen Schikanen ausgestatteten Eigenheims in Frage.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

«Spätestens nach dem Vorgespräch mit unserer Bank war uns klar, was möglich ist und was nicht», meint Hannes. Das ist auch gleich der erste Tipp an Hauskäufer in spe. «Dadurch, dass wir beim Vorgespräch schon alle Unterlagen bei der Bank deponiert haben, erhielten wir unseren Finanzierungsnachweis innerhalb von zwei Tagen», so Karina. Das kann bei vielen Interessenten ausschlaggebend sein. Getreu dem Motto: «De Schnäller isch de Gschwinder.»

Spass am Werkeln

Durch das beschränkte Budget stand von Anfang an fest, dass die beiden zumindest teilweise selbst Hand anlegen werden. Spezielle Vorkenntnisse hatten weder Karina noch Hannes, doch «wir sind beide einigermassen handwerklich begabt und haben auch Spass daran.» Wem das Werkeln überhaupt nicht zusagt, sollte dagegen so oft wie möglich Handwerker involvieren, finden beide. Auch sie haben sich längst nicht an alles herangetraut. «Strom, Asbestentfernung, die Küche und das Versetzen der Wasserleitungen haben wir komplett dem Profi überlassen», sagt Hannes.

Vorher
Vorher
Nachher
Nachher

Bei allen anderen Renovationsarbeiten haben sie ihren eigenen Schweiss hineingesteckt. So haben sie tagelang Tapeten von den Wänden gekratzt, die altbackene Treppe hergerichtet, Klick-Kork verlegt, die Türen von PVC getrennt und weiss gestrichen sowie das Bad fast komplett selbst gefliest. «Es ging teilweise länger als erwartet, aber grössere Probleme gab es keine», so Karina. Das lag unter anderem auch daran, dass beide vorgängig intensiv im Internet recherchiert haben und sich so ein Bild von den Abläufen, Materialien und dem Aufwand machen konnten. «Ganz wichtig waren auch die Gespräche mit den Handwerkern», meint Karina. «Wir haben offen kommuniziert, dass wir gewisse Dinge selbständig renovieren werden und haben jedes Mal Tipps dafür bekommen.»

Der erste Schritt zu schönen Türen.
Der erste Schritt zu schönen Türen.

Höhere Kosten, mehr Zeit

Tipps ist ein gutes Stichwort. Was können die beiden der Nachwelt mit auf den Weg geben? «Ältere Häuser immer auf Asbest testen lassen, mehrere Offerten einholen und vergleichen und sich durch eine vertiefte Recherche selbst eine Meinung bilden, um nicht komplett auf das Wohlwollen der Experten zu vertrauen», sagt Hannes. Wer zudem darüber nachdenkt, Wände herauszureissen, soll unbedingt einmal mit dem Statiker durchs Haus laufen. «Wir hätten prompt die falsche Wand herausgerissen», meint Karina. Was auch gerne vergessen wird, sind die organisatorischen oder administrativen Punkte, zum Beispiel das Einholen eines Baugesuchs. Ohne das darf nämlich kein Steinchen versetzt werden. Noch wichtiger ist aber die mentale Einstellung. «Du musst immer schön flexibel bleiben und Kompromisse eingehen», so Hannes. Und immer an die Faustregel denken: Es wird teurer und dauert länger, als du denkst.

Freunde dich mit Imperfektion an

Durch die gute Vorbereitung lief fast die gesamte Umbauphase reibungslos ab. Nur mit dem Kamin hatten sie etwas Probleme. «Im Wohnzimmer haben wir eine nicht tragende Wand herausgerissen. Zusätzlich wollten wir die Kaminrohre versetzen lassen, um noch mehr Platz herauszuholen. Wir liessen sie also schon vor der Wand entfernen und haben erst im Nachhinein gemerkt, dass es platzmässig kaum einen Unterschied machen würde. Wir haben 1000 Franken ausgegeben, um die Kaminrohre wieder genau am selben Ort einzusetzen.» Beide sagen aber auch, dass die eigenen Arbeiten (bei den meisten) nie so aussehen wie vom Profi. Wer selber renoviert, muss mit Imperfektion leben können. «Und das Gefühl, Dinge selbst gemacht zu haben, bessert diese Stellen komplett aus», sagt Hannes.

Das Kind gibt den Ton an

Während die beiden von ihren Erfahrungen erzählen, macht die kleine Hanna stetig ihre eigenen zwischen Tisch und Stühlen. Das kann die Arbeiten am Haus nicht wirklich einfacher gemacht haben, oder? «Renovieren mit einem Kleinkind ist definitiv eine Herausforderung. Abends unter der Woche konnten wir so gut wie nie etwas machen. Die Kleine hat ihren Rhythmus, der nicht so einfach geändert werden kann. Und da sie schon auf eigenen Beinen steht, müssen wir sie jede Sekunde im Blick behalten», so Karina. Ohne Unterstützung aus Freundeskreis und Familie wäre der Umbau kaum möglich gewesen.

Hanna, die eigentliche Bauherrin.
Hanna, die eigentliche Bauherrin.

Kleine Spannungen sind normal

Und wenn wir schon bei der Familie sind, kommen wir gleich auch aufs Thema Beziehung. Nicht selten höre ich von heftigen Spannungen zwischen Paaren während eines Hausbaus oder einer Renovation. Das Haus, in dem meine Familie wohnt, wurde von einem Paar gebaut, die sich während des Prozesses getrennt haben. Das war gut zu sehen. Im Erdgeschoss war alles schön und bedacht ausgebaut, im ersten Stock waren die Spannungen vor allem im Badezimmer schon zu spüren und das Dachgeschoss wurde dann nicht einmal mehr richtig ausgebaut. Die beiden hätten sich lieber ins gemachte Nest gesetzt. Aber zurück zu Karina und Hannes. Bei ihnen lief es zum Glück um einiges besser. Aber auch sie sind froh, dass der Umbau ein Ende hat. «Anfangs war alles super, aber je näher wir der Deadline kamen, desto gestresster waren wir», gibt Hannes zu. Die alte Wohnung war gekündigt, so dass die beiden fertig werden mussten, was am Ende etwas auf die Stimmung drückte.

Die richtige Entscheidung

Auch wenn es einige Stolperfallen gibt oder geben kann, war es für Karina und Hannes der richtige Weg. Für die zwei war von Anfang an klar, dass sie in ihrer Preisklasse kein topmodernes Haus finden würden und haben sich daher bald mit dem Thema Renovation auseinandergesetzt. Dennoch fühlte es sich nie als notweniges Übel an, sondern als ihr Projekt, ihr Baby. Sie haben handwerklich dazugelernt, sich mit verschiedenen Materialien vertraut gemacht und sind nicht zuletzt als Paar noch näher zusammengerückt. «Und den Stolz auf die getane Arbeit kann dir keiner mehr nehmen», sagen beide zum Schluss.

Der Haussegen hängt trotz intensivem Umbau immer noch gerade.
Der Haussegen hängt trotz intensivem Umbau immer noch gerade.

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Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.


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