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Fünf Tipps, um sich im Konflikt näherzukommen – Fair streiten

Gehässige Bemerkungen oder demonstratives Schweigen: Zum Streit kommt es in Alltag, Beruf und in der Partnerschaft. Fair streiten lernen kannst du auch noch als Erwachsener.

Fairness im Streit: Braucht es immer die Ich-Botschaft?

Im Streit werden oft Dinge gesagt, die du später bereust. Das ist ganz normal: Du bist ein Mensch mit Ecken und Kanten und keine Maschine mit einprogrammierten Ich-Botschaften (dazu gleich mehr). Und gerade darum geht es beim Streiten ja auch: sich dem anderen zumuten und schonungslos für die eigenen Bedürfnisse laut werden. Gute Beziehungen halten das aus.

Kein Wunder: Mit jedem geteilten Lebensbereich wächst die gemeinsame Reibungsfläche. Haushalt, Kindererziehung, gemeinsam angelegtes Geld – das sind laut Statista übrigens die top Streitthemen bei Schweizer Paaren.

Warum du im Streit auch mal laut werden darfst

Und es gibt noch einen guten Grund, warum im Streit die Ich-Botschaft nicht bei jedem Konflikt zum Einsatz kommen muss – ebenso wenig wie all die anderen vernunftbasierten Anregungen: Sachlich bleiben, keine direkte Kritik, sanfte Stimmlage – damit soll das Gegenüber nicht vor den Kopf gestoßen werden. Fachfrau Zweifel zufolge geht es aber im Konflikt oft genau darum – um das Anstoßen:

«Das Sachliche kann hilfreich sein, wenn ich ein Problem lösen will. Wenn ich Punkte benennen und in Ruhe besprechen will. Möchte ich aber einen Konflikt in Schwung bringen, der im Hintergrund köchelt, hilft es, laut und direkt zu werden.» Das eigene Unbehagen klar und laut zu äußern, hat zudem eine starke Wirkung: «Es zeigt dem Gegenüber: Du überschreitest gerade meine Grenze. Damit ist noch kein Konflikt gelöst, aber es sorgt für Aufhorchen.»

Auch wenn es sich nicht danach anfühlt: Manchmal ist das Konstruktivste, was du für dich und deine Beziehung tun kannst, alles rauszulassen und den anderen anzubrüllen.

Streiten am Arbeitsplatz und mit Kindern: Wie laut darf ich werden?

Freunde, Partnerinnen, Eltern oder Geschwister: All diese Beziehungen vertragen ehrliche Worte und aktiv ausgetragene Konflikte. Und wie sieht es im Streit mit Kindern aus? Ähnlich wie am Arbeitsplatz solltest du auch hier deinen Emotionen nicht komplett freien Lauf lassen, sondern Bedürfnisse ruhig kommunizieren.

Aber: Lernen sollten Kinder das Streiten sehr wohl, sagt die Expertin. Was aber häufig unterbunden werde in Familien, denn: «Wir nehmen Kindern viel zu schnell die Verantwortung für den Streit ab und liefern ihnen direkt die Lösung, wie sie den Streit untereinander möglichst rasch schlichten können.»

Dabei ist Streit gut fürs Kind: Es stärkt das kindliche Selbstbewusstsein und sein Empfinden von Selbstwirksamkeit – nämlich das Gefühl, einen Konflikt aus eigener Kraft lösen zu können. «Niemand freut sich, wenn Kinder streiten. Doch hier sollten Eltern und Erziehende umdenken: Wenn Kinder streiten, lernen sie fürs Leben.»

Fair streiten: So gelingt der Konflikt auf Augenhöhe

Wenn du dich jetzt fragst, wie man «richtig» streitet, vorab noch ein Gedanke von Fachfrau Zweifel: «Ein Konflikt ist ein Prozess, der Zeit braucht. Am Ende ist entweder eine Lösung da – oder das Verständnis, warum keine Lösung möglich ist.» Ein fairer Streit führt also nicht immer schnell zum Ziel. Fünf Tipps für den fairen Streit plus ein paar No-Gos.

1. Der innere Schiedsrichter

2. Der passende Rahmen für einen Streit

3. Konflikte lösen: Die richtige Strategie wählen

Im Streit verhält sich jeder anders. Und auch abhängig vom Streitthema und deiner Tagesverfassung wirst du zu unterschiedlichen Konfliktstilen greifen. Doch eines ist immer sinnvoll: Kläre vor dem Streitgespräch für dich, wie wichtig dir das Thema ist – und wie weit du von deiner Position abweichen kannst.

Expertin Zweifel nennt dazu die fünf Konfliktstile nach Thomas Kilmann. Für ihre Arbeit in Schulen hat sie diese Stile als Tiere veranschaulicht: «Ich habe im Streit immer mehr als nur eine Möglichkeit zu reagieren. Im besten Fall habe ich eine Strategie, die ich immer wieder reflektieren kann.»

  • Haifisch-Strategie (Durchsetzen): Das ist die passende Strategie für unverhandelbare Anliegen. Wenn dir ein Thema so wichtig ist, dass du kaum von deiner Position abrücken willst. Hier kämpfst du und setzt dich für deine Position ein – das braucht viel Energie.
  • Faultier-Strategie (Nachgeben): Das Gegenteil ist hier der Fall. Bei der Faultier-Strategie gibst du schnell nach, passt dich an und gehst mit vielen Kompromissen deinerseits aus dem Streit. Sie eignet sich für Anliegen, die dir weniger wichtig sind oder wenn dir die Energie zum Streiten fehlt.
  • Schildkröten-Strategie (Vermeiden): Hier weichst du oft aus, vermeidest den Konflikt oder benötigst öfter eine Pause. Zu dieser Strategie greift man, wenn man emotional sehr aufgeladen ist und gewissen Themen und Situationen lieber aus dem Weg geht.
  • Fuchs-Strategie (Verhandeln): Diese Strategie hat den Kompromiss zum Ziel. Es wird verhandelt und diskutiert, bis eine gemeinsame Lösung da ist. Zu ihr greifst du, wenn die Beziehung wichtig ist – sie braucht aber auch Zeit, Geduld und viel Kraft.
  • Eulen-Strategie (Zusammenarbeiten): Hier holst du dir Rat und Unterstützung von außen.

4. Time-Out: Pausen einlegen für eine bessere Streitkultur

Auch beim Streiten lebst du in einer Leistungsgesellschaft: Schnellschüsse, explosionsartige Verläufe und der Anspruch, schnell zu einer Lösung zu kommen, um den Streit wieder ad acta zu legen, bestimmen die Streitkultur. Nur leider funktioniert das selten.

5. Das eigene Frustrations-Management kennen

No-Gos im Streit

All diese Tipps helfen dabei, eine faire Streitkultur zu lernen und sich im Konflikt wieder näherzukommen. Beim Streiten werden häufig Grenzen überschritten und Gefühle verletzt – das lässt sich oft nicht vermeiden. Dennoch gibt es ein paar No-Gos:

  • Das Gegenüber in seinem Kern verändern wollen.
  • Sich zu wenig Zeit für den Konflikt nehmen.
  • Nicht bereit für einen Perspektivenwechsel sein.

Und wenn es um den partnerschaftlichen Streit geht, solltest du die Erkenntnisse des US-amerikanischen Psychologen-Paares John Gottman und Julie Schwartz Gottman von der Universität Washington, kennen. Basierend auf Langzeitstudien, haben sie für Partnerschafts-Konflikte vier «apokalyptische Reiter» definiert:

  • Kritik an der Person (die Persönlichkeit des Partners kritisieren statt eines konkreten Vorfalls)
  • Verachtung (zynische Bemerkungen, Augenrollen oder respektloser Humor)
  • Rechtfertigung (Anliegen werden dem Gegenüber unreflektiert zurückgespielt)
  • die Mauer (Rückzug aus dem Konflikt).

Befinden sich zwei Menschen in dieser Konfliktspirale, gibt es den Gottmans zufolge kaum Möglichkeiten, sich einander wieder zuzuwenden. Also: Fair bleiben – und obige Tipps beherzigen.

Titelbild: shutterstock

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Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party. 


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