Meinung

Esoterik-Alarm: Bluetooth brät mein Gehirn

Thomas Meyer
10.8.2023

Die moderne Technik ist ein Segen – und für mich oft ein Fluch. Bluetooth-Geräte bereiten mir Kopfschmerzen. Aber nichts war bisher so schlimm wie die Probefahrt mit einem Tesla.

Bei diesem Text handelt es sich um einen Kommentar unseres freien Autors Thomas Meyer und seine Meinung. Er widerspiegelt nicht die Meinung von Digitec Galaxus. Wir führen die angesprochenen Geräte nicht in unserem Sortiment und planen auch nicht, diese ins Sortiment aufzunehmen.

Trigger-Warnung: Hier geht es um Elektrosensibilität. Falls du deine Augen schon jetzt zum maximalen Ausschlag verdrehst, beendest du die Lektüre dieses Artikels besser gleich wieder. Er enthält nämlich weitere schöne Begriffe aus der Welt der Esoterik. Allerdings auch einen kritischen Blick darauf.

Noch da? Also: Elektrosensibilität bedeutet, dass die Betroffenen sich unwohl fühlen, wenn sie sich in der Nähe von Mobilfunk-Sendemasten, Bluetooth-Geräten, WLAN-Routern, Induktionsherden oder anderen starken Erzeugern hochfrequenter Strahlung aufhalten. Auf mich trifft das definitiv zu.

Elektrosmog im Auto

Meine Mutter schon. Sie beschäftigt sich seit langem mit esoterischen Themen und schimpft gegen so ziemlich alles, das mehr hat als ein Stromkabel. Ich war also vorsensibilisiert, sozusagen, und begann auf ihre entsetzten Ausrufe hin («Was! Bluetooth! Im Auto! Mein armes Kind!») nach Möglichkeiten zu suchen, die elektromagnetischen Felder – kurz EMF – zu harmonisieren. Ja, das nennt man so. Entstören ist ein anderes Wort dafür.

Nichts drin, alles aufgespielt

«Nichts», antwortete man mir. Es sei vielmehr Information aufgespielt, die Kästchen seien lediglich Träger – vergleichbar mit der Homöopathie: «Unsere Technologie moduliert die Frequenzen elektromagnetischer Felder mit natürlichen Frequenzen. Dazu werden die Frequenzen des energetischen Wirkbereichs von Sonnenlicht auf Silizium gespeichert.»

Ich kann alle verstehen, die hier nur noch den Kopf schütteln. Oder meine «Heilung» dem Placebo-Effekt zusprechen. Oder finden, wer ein Problem mit Bluetooth habe, sollte selber mal entstört werden. Es klingt wirklich abgefahren – Wirkbereich des Sonnenlichts! Aber mir hilft es seit Jahren.

Schädigung vs. Grenzwerte

Mit den Grenzwerten ist das ohnehin so eine Sache. Sie werden ausschliesslich nach dem Gesichtspunkt der Körpererwärmung festgelegt. Das BAG schreibt dazu: «Als grundlegendes Mass für die Belastung durch hochfrequente Strahlung wird die im Körper absorbierte Strahlungsenergie pro Zeitintervall und Körpergewicht verwendet und als spezifische Absorptionsrate (sog. SAR-Wert) in Watt pro Kilogramm W/kg angegeben.»

Der SAR-Grenzwert schreibt also nur vor, wie viel Wärme in einem Kilogramm menschlichen Gewebes entstehen darf durch die Nutzung eines Gerätes. Ein Bluetooth-Gerät der Leistungsklasse 2 (maximale Sendeleistung 1,9 Milliwatt, Reichweite 40 Meter) hat einen SAR-Grenzwert von 0,03, das ist im Gegensatz zu einem iPhone 14 (0,98) oder einem Google Pixel 7a (0,99) natürlich ein Klacks und wirkt harmlos.

Die Realität der Grenzwerte

Nun kannst du sagen: Das gibt es gewiss alles, aber es hat andere Ursachen als die Technik, von der ich erstens nichts spüre und die zweitens innerhalb offizieller Grenzen operiert.

So viel zu den Grenzwerten. Eine parlamentarische Motion will diese übrigens auf 20 Volt pro Meter anheben.

Die NWO will Bevölkerung abspecken!

Allerdings werden Menschen, die auf die möglichen Gefahren von Bluetooth, WLAN und Mobilfunk hinweisen, bisweilen mit gutem Grund ausgelacht. Wer sich über das Thema informieren will, findet nicht nur Websites und YouTube-Kanäle von seriösen Geopathologen, sondern auch – naja, eigentlich hauptsächlich – von wunderlichen Gesellen, die glauben, 5G sei eine besonders perfide Methode des Weltjudentums, die Menschheit zu versklaven.

Wie gesagt: Ich kann alle verstehen, die ob solchem Quatsch nur noch lachen, ich lache spätestens hier ja selbst. Aber nur weil gewisse Leute komplett übers Ziel hinaus schiessen, heisst das nicht, dass sie bereits am Start falschgelegen sind.

Volle Strahlendröhnung im Tesla

Nach zehn Minuten brach ich die Probefahrt ab und fuhr zurück. Kaum war ich ausgestiegen, verschwanden die Symptome wieder.

Der Verkäufer wollte wissen, ob es mir gefallen habe. Ich sagte, ich würde das Auto allein schon wegen der Fürze kaufen, könne mich aber leider nicht drin aufhalten, wegen der Strahlung. Zu meiner Überraschung machte der Mann keine doofen Sprüche, sondern hörte interessiert zu und räumte schliesslich ein, in seinem eigenen Tesla auch manchmal Kopfschmerzen zu haben.

Auch den Sony-Kopfhörer, den ich kürzlich bei Digitec bestellt hatte, um auf Zugreisen und im Tram meine Ruhe zu haben, musste ich gleich wieder zurückschicken. Ich hatte sofort nach dem Koppeln mit meinem Handy das Gefühl, dass mein Gehirn regelrecht gebraten wird. Dazu kamen Ohrenschmerzen und Schwindel.

Next-Level-Schutz

Ach, und ich habe für mich, meinen Sohn und meine Partnerin Baseballmützen gekauft, in denen der gleiche Silberfaden-Stoff eingenäht ist. Mein Opel Astra ist zwar ein Benziner, strahlt aber trotzdem ganz ordentlich, wie meine Messung ergab. Ich will trotz Memonizer-Harmonisierung auf Nummer sicher gehen.

«Dann tragen wir jetzt also Mützen im Auto», seufzte meine Freundin und setzte sich ihre auf.
«Findest du mich sehr schrullig?«, fragte ich.
«Fragst du das im Ernst? Mit deinem Elektro-Prinzessinnen-Bettchen? Und deinem verkabelten Handy? Und jetzt diesen Caps?»
«Ja.»
«Du willst doch bloss hören, wie schrullig du bist!»
«Ja.»

Strahlungsreduktion für Skeptische

Ich zitiere in diesem Zusammenhang zum Abschluss die deutsche Telekom, die in der Anleitung für ihren Router schreibt: «Vermeiden Sie das Aufstellen Ihres Speedport in unmittelbarer Nähe zu Schlaf-, Kinder- und Aufenthaltsräumen, um die Belastung durch elektromagnetische Felder so gering wie möglich zu halten.»

Um online zu sein, brauchst du also ein Gerät, das möglichst weit weg stehen muss. Schöner kann man das Dilemma nicht ausdrücken.

Titelfoto: Thomas Meyer

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Der Schriftsteller Thomas Meyer wurde 1974 in Zürich geboren. Er arbeitete als Werbetexter, bis 2012 sein erster Roman «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» erschien. Er ist Vater eines Sohnes und hat dadurch immer eine prima Ausrede, um Lego zu kaufen. Mehr von ihm: www.thomasmeyer.ch. 


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