Meinung

Eineinhalb Jahre ohne Alkohol: befreiend, aber auch einschränkend

Seit eineinhalb Jahren trinke ich keinen Alkohol mehr. Zurück möchte ich nicht mehr, gewisse Dinge fehlen mir dennoch.

Keine Angst, das wird keine Predigt gegen Alkoholkonsum. Ich möchte meine Erfahrungen teilen, warum ich aufgehört habe, wie es mir dabei ergangen ist und was ich dabei gelernt habe. Wenn dir das mit deinem Alkohol-Umgang hilft, toll. Wenn sich eine angeregte Diskussion mit guten Tipps für alkoholfreie Getränke daraus ergibt, noch besser.

Auch wenn ich ins Kino ging, ins Stadion oder ich mich mit Freunden traf, gehörte ein Bier zu 90 Prozent dazu. Wenn ich zurückdenke, kann ich mich nicht erinnern, auch nur eine Woche keinen Alkohol getrunken zu haben – ausser ich war krank. Dieses Zwanghafte stiess mir schon lange sauer auf. Die Dänemarkferien waren schliesslich der Stein, der die Abstinenz ins Rollen brachte.

Einige Härtetests gab es. Die Heimspiele des FC Winterthur zum Beispiel. Zum einen, weil der Club oft verliert und dann der Griff zum Bier besonders verlockend ist. Aber auch, weil es ein geselliger Anlass ist, an dem ich gerne mit Freunden anstosse. Stellt sich heraus, das geht auch wunderbar mit alkoholfreiem Bier. Weniger laut schreie ich deshalb nicht – was ich mal vorsichtig als positiven Nebeneffekt verbuche.

Einmal mehr fiel mir auf, wie alkoholisiert unsere Gesellschaft ist. Alkoholische Getränke gab es an jeder Ecke in allen Variationen. Ganz nach dem Motto: Es ist ein Fest, also trinkt man.

Für mich brachte schliesslich die geschätzt zehnte Bar Erlösung. Dafür so richtig. Es gab gleich mehrere alkoholfreie Biere inklusive verschiedener Mocktails. Mit einem kühlen Bier in der Hand ging es mir gleich viel besser, auch weil ich damit endlich auch anstossen konnte. Davor fühlte ich mich etwas ausgeschlossen. Mitanstossen, egal ob mit Alkohol oder nicht, ist etwas Gemeinschaftliches.

Die Schattenseiten der Abstinenz

Keinen Alkohol mehr zu trinken, ist befreiend. Vorbei sind die Entscheidungen, ob es noch ein Bier verträgt oder nicht. Kater kenne ich nur noch zum Streicheln. Ich fühle mich insgesamt wohler. Gesundheitliche Benefits wiederum sind eher Randerscheinungen. Ich habe etwas mehr Energie und bin tagsüber noch seltener müde. Gewicht wiederum habe ich keins verloren, obwohl man das oft liest.

Das führt mich aber gleich zur Krux der Abstinenz. Habe ich doch mal Lust auf Alkohol, frage ich mich: Ist jetzt der Moment für eine Ausnahme? Was hebt diese Situation von anderen ab? Erschwerend kommt hinzu, dass mir der Alkohol nicht mehr wirklich zusagt.

Etwas stört mich dann doch: Je nach Alkoholpegel der Umgebung fühle ich mich manchmal mehr als Beobachter denn als Teilhaber. Ich und die Trinkenden sind dann nicht mehr auf der gleichen mentalen Ebene. Die Gemütlichkeit kippt ins Repetitive, der Rausch nimmt Überhand. Da mein Umfeld den Alkoholkonsum aber auch drastisch reduziert hat, und ich selten als einziger mit alkoholfreien Alternativen anstosse, fühle ich mich selten ausgeschlossen.

Wirklich traurig darüber, dass ich nicht den Foifer und das Weggli haben kann, bin ich deshalb nicht. Für mich hat sich die Entscheidung, mit dem Trinken aufzuhören, gelohnt, auch wenn ich ab und zu auf etwas verzichten muss. Für angehende Abstinenzlerinnen oder alle, die einfach zwischendurch gerne ein alkoholfreies Bier geniessen, gebe ich zum Schluss noch meine aktuellen Favoriten mit auf den Weg.

Teaserbild: Amy Parkes/Unsplash

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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