
Hintergrund
Überwinde deine Ängste, Patrick
von Patrick Bardelli
Auf den flüssigen Pfaden des Wägitalersees ist es leicht, Erfüllung zu finden. Kein Wunder, dass Martin Strahm diesen Ort ausgesucht hat, um mir die «Liquid Trails» der Zentralschweiz näher zu bringen.
«Genau das meine ich», sagt Martin, der neben mir am seichten Ufer des Wägitalersees entlang gleitet. Jedes weitere Wort wäre eines zu viel. Ein Lächeln reicht, die Szenerie malt die Bedeutung seiner Worte in den schönsten Farben aus. Jeder Paddelzug erlaubt der Natur, einen neuen Pinselstrich zu setzen. Unser Blick schweift über Ufergras und Wälder zu Zuckerwattenwölkchen, die Berggipfel krönen und Sonnenstrahlen zu Lichtspielen einladen.
Alles fliesst. Das Wasser, die Farben, das Licht mischen sich zu immer neuen Nuancen, während der See unter unseren Boards smaragdgrün schimmert. Wir sind auf einem Juwel unterwegs, dessen Kraft in der Ruhe liegt. Nur ein paar Angler säumen sein Ufer, warten auf einen Fang und lauschen wie wir dem Morgengesang der Vögel. Dazu das leise Plätschern unserer Paddel und ansonsten: Stille. Knapp zehn Kilometer Luftlinie von der A3 könnte der Vollgas-Modus des Alltags kaum weiter weg sein.
Martin, wettergegerbt, Typ «draussen zuhause», ist überzeugt davon, dass das Glück auf dem Wasser liegt: «Ich will nicht gross esoterisch sein, aber beim Paddeln kommst du ins Gleichgewicht und kannst in Verbindung mit der Natur komplett runterfahren», sagt er, während wir auf unseren Boards sitzen und uns vom Wind ein wenig über den See treiben lassen.
Ums Runterfahren drehte sich bei ihm schon immer viel. Früher war er Ski- und Snowboardlehrer im Hasliberg, später Tourismus- und Marketingfachmann. Und jetzt, mit Ende 40, setzt er gemeinsam mit seiner Partnerin Diana Fry voll aufs Stand-up-Paddeln. Von ihr stammt die Idee, die schönsten Paddelrouten zu erschliessen, aber vor ein paar Jahren schien die Zeit noch nicht reif zu sein. Also trugen die beiden sie länger mit sich herum.
«Im Februar 2018 sassen wir zusammen beim Brunchen im Pub und haben entschieden: Jetzt machen wir es», erzählt Martin, während unsere Beine im kühlen Seewasser baumeln. Stand-up-Paddeln boomt. Entschleunigt und nachhaltig zu reisen, das Glück etwas näher zu suchen, entspricht ebenfalls dem Zeitgeist. Nur: was genau soll «es» werden? Die beiden haben sich viele Gedanken gemacht und am Konzept der «Liquid Trails» gefeilt.
«Wir wollten keinen klassischen Reiseführer machen, sondern die Paddler auch für die Umgebung und die Natur sensibilisieren», sagt Martin. Inspiration und Wissen, Routen und Gedanken, haben sie in dem schön gestalteten Bookazine «Travel with Paddle» gebündelt. Die erste Ausgabe konzentriert sich auf die Zentralschweiz und den Brienzersee, zwei weitere zu anderen Regionen werden folgen. Ein Anfang ist gemacht, und der hat uns hier und heute zusammengeführt. Denn alle Theorie ist so grau wie der Himmel am Morgen noch war. Nun sehen wir klar, spüren die Wärme der Sonne und kühlen Wind auf unserer Haut.
In Richtung Innerthal weitet sich der See und der Blick. Wir gleiten ins Offene und geniessen es, «out of office» zu sein. Es gibt keine Kursschiffe, Segler oder Surfer. Keine Ablenkung und tausend gute Gründe, einfach den Kopf zu heben und entspannt vorwärts zu streben. Da sind nur wir inmitten der Natur. Die meiste Zeit ist die Atmosphäre so perfekt, dass jeder unsaubere Paddelzug wie ein Stich ins Herz der Stille wirkt. Sportliche Ambitionen schrauben sich von selbst zurück, es ist einfach kein Ort, an dem ein Puls von 180 angebracht wäre. Sondern Genusspaddeln pur.
Nach einem Vormittag auf dem Wägitalersee baumelt die Seele und der Kopf ist frei. Es war ein «Liquid Trail», der Lust auf mehr macht und von dem wir uns gefühlt zu früh verabschieden. Willst du schauen, wohin die Reise führt und wie Martins sportlicher Alltag aussieht? Dann kannst du das auf Instagram tun: Unter @galaxus_sport nimmt er dich ein paar Tage lang mit, bevor er den Account an den nächsten Sportler, die nächste Sportlerin oder das nächste Team weitergibt.
Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.