Raab Entertainment / RTL / Julia Feldhagen
Kritik

«Du gewinnst hier nicht die Million» – und auch nicht den Innovationspreis

Luca Fontana
19.9.2024

Stefan Raab ist zurück! Mit «Du gewinnst hier nicht die Million» versucht er, an alte Erfolge anzuknüpfen. Doch kann er die hohen Erwartungen erfüllen? Die erste Folge liefert eine gemischte Antwort: Raab zeigt sich in Topform, aber das neue Konzept hat Schwächen.

«Da bin ich wieder», trällert Stefan Raab, 57-jährig, bei seinem grossen TV-Comeback frisch fröhlich in die Kamera, «so einfach!»

«Es geht hier nicht ums Geld», erklärt Raabs ewiger Showpraktikant, «so viele neue Abos kann es gar nicht geben, wie RTL mit einem einzigen Werbespot im Jahr im TV verdienen würde.» Dann fügt er noch hinzu, dass sowieso keine guten Sendeplätze mehr verfügbar gewesen seien. Darum die Entscheidung, die Sendung in RTLs Streamingdienst aufzunehmen. «Ein Experiment», sagt er noch.

Deshalb habe ich es für euch getan.

Raabs neue Show: Na, was soll das wohl heissen?

Raab zeigt sich indes so mitreissend wie lange nicht mehr. Und routiniert. Im positiven Sinne. Als ob seine letzte Show nicht knapp zehn Jahre, sondern zehn Tage zurückliegen würde. Der Mann hat sichtlich Bock. Die ersten 30 Minuten sind ein Fest mit sensationeller Gag-Dichte. Aber auch eine Eins-zu-Eins-Kopie von «TV Total»: Raab rekapituliert darin die vergangene Woche. Besonders sein Boxkampf gegen Ex-Weltmeisterin Regina Halmich.

«Sie haben’s alle sicher mitbekommen. Ich hatte eine kleine Schlägerei», erzählt er dem Publikum. «Und Sie sind bestimmt genauso empört wie ich: Zum dritten Mal bin ich von den Kampfrichtern über den Tisch gezogen und um meinen Titel als Frauen-Weltmeisterin betrogen worden.»

Klar ist: Raab hat sich kein bisschen verändert. Seinem Humor, irgendwo zwischen Selbstbeweihräucherung und Schadenfreude, bleibt er treu. Wer Raab früher mochte, wird ihn immer noch lieben. Wer schon 2015 froh war, den gelernten Metzger nicht mehr am Fernseher sehen zu müssen, flucht. Auch das ist Teil der Faszination Raab.

«Viele Fragen sich ja, was ich für die Show bekomme. Ich kann’s Ihnen verraten: Zwölf Monate gratis RTL+-Max-Abo. Da habe ich die von RTL ganz schön abgezockt!»

Wäre die Sendung hier zu Ende – niemand hätte was vermisst. Ein motivierter Raab als Stand-Up-Comedian, der das TV-Geschehen verwurstelt, mag zwar kein bisschen innovativ sein, aber funktioniert halt immer noch verdammt gut.

Halbzeit zwei: Jetzt geht’s um die Million

Deutlich an Fahrt büsst dafür die zweite Hälfte ein. Denn die selbsternannte erste Entertainment-Quiz-Competition-Hybrid-Show der Welt hat ja noch «Quiz-Competition» im Namen.

Das geht so: Fünf Kandidatinnen und Kandidaten sitzen von Anfang an in der ersten Reihe am Buzzer. Nach 30 Minuten stellt Raab die erste Frage, die sich auf die vergangenen besagten 30 Minuten bezieht. Zum Beispiel, wie der Name des Influencers war, der zu Raabs Comeback meinte: «Geil, der lebt noch!»

Verglichen mit dem Feuerwerk der ersten dreissig Minuten fällt dieser Part etwas gar flach aus. Erstens, weil Raab kein begnadeter Quizmaster à la Günther Jauch ist. Raab fragt zwar zuerst schön brav Name, Beruf und Herkunft seines Gegenübers ab. Wirklich für sie interessieren tut er sich aber nicht. Interaktion gibt’s kaum. Das hat was von seinen letzten «TV Total»-Jahren.

König Lustig kehrt zurück – aber reicht das?

«Die Leute woll'n 'n kleines bisschen Show», singt Raab in seinem neuen Lied. Die haben sie gekriegt. Besonders anfangs tut Raab das, was er am besten kann: Stand-Up-Comedy. Dass er dabei «TV Total» fast schamlos kopiert, stört mich kein bisschen. Schliesslich hat er das Konzept einst selbst erfunden, perfektioniert und massgeblich mitgestaltet. Das ist seine Arena. Seine Manege.

Bleibt noch eine Frage: Braucht es das Comeback? Ich sag’s mal so: Raab verpasste den rechtzeitigen Absprung von der TV-Landschaft schon einmal. Seine letzten Jahre bei «TV Total» waren so schlecht, uninspiriert und sogar überroutiniert, dass sein Fernseh-Andenken Makel hinterliess. Bei RTL bekommt er jetzt die Chance, das alles mit einem letzten Hurra richtigzustellen – sofern er nicht erneut zu viel will.

Titelbild: Raab Entertainment / RTL / Julia Feldhagen

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Ich schreibe über Technik, als wäre sie Kino, und über Filme, als wären sie Realität. Zwischen Bits und Blockbustern suche ich die Geschichten, die Emotionen wecken, nicht nur Klicks. Und ja – manchmal höre ich Filmmusik lauter, als mir guttut.


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