Paramount Pictures
Kritik

«The Running Man»: Die Warnung verpufft im Spektakel

Luca Fontana
13.11.2025

Edgar Wrights Remake von «The Running Man» ist brillant inszeniert, aber erschreckend harmlos: ein Film, der uns warnen will – und uns stattdessen unterhält.

Keine Sorge: Die folgende Filmkritik enthält keine Spoiler. Ich verrate dir nicht mehr, als ohnehin schon bekannt und in den Trailern zu sehen ist. «The Running Man» läuft ab sofort im Kino. In unserem Tech-Telmechtel-Podcast reden wir ab Minute 51:47 über den Film.

Die Lichter gehen an, die Leinwand wird schwarz. Ich bleibe noch sitzen. In meinem Kopf rauscht es. Meine Gedanken sind irgendwo zwischen milder Belustigung und Gleichgültigkeit: Edgar Wrights «The Running Man» hat mich gerade zwei Stunden lang in eine dystopische Zukunft geworfen, die sich vertraut anfühlt – zu vertraut.

Denn draussen, im Kinofoyer, scrollen die Journalistinnen und Journalisten bereits wieder durch ihre Feeds, lachen, posten, vergessen. Drinnen hallt noch ein Film nach, der uns eigentlich Angst machen sollte, es aber nicht mehr schafft. Vielleicht, weil die Welt, die er zeigt, keine Warnung mehr ist. Sie ist Gewohnheit. Ja, eigentlich sogar Routine.

Von Stephen King bis Arnold Schwarzenegger

Was genau lief schief? Nun, als Stephen King unter seinem Pseudonym Richard Bachman «The Running Man» schrieb und 1982 veröffentlichte, wollte er kein Spektakel, sondern eine Warnung. Eine überdrehte Dystopie über Armut, Kontrolle und ein Amerika, das seine Bürgerinnen und Bürger nicht mehr ernährt, sondern ausschlachtet.

Im Buch spielt die Geschichte – prophetisch – im Jahr 2025. Die Gesellschaft ist kollabiert, die Reichen haben sich verschanzt, und das Fernsehen ist zur Waffe geworden. Menschen kämpfen dort in Gameshows nicht mehr um Ruhm, sondern ums Überleben. Denn wer verzweifelt genug ist, lässt sich für Geld sogar in eine mörderische Spielshow locken, in der Jäger auf ihn angesetzt werden. Die Aussicht: ein Milliarden-Preisgeld für die Familie – aber auch die fast sichere eigene Vernichtung.

Glenn Powell darf in der ersten Stunde vor allem etwas sein: wütend. Verdammt wütend.
Glenn Powell darf in der ersten Stunde vor allem etwas sein: wütend. Verdammt wütend.
Quelle: Paramount Pictures

Stephen King ging es damals nicht um futuristische Gimmicks, sondern um soziale Wut. «The Running Man» war seine Antwort auf die neoliberale Kälte der 1980er-Jahre. Ein Schrei gegen das Gefühl, dass Unterhaltung zur Betäubung wird, und gegen eine Welt, in der Menschen ihre eigene Erniedrigung live im Fernsehen verfolgen – und es feiern.

Fünf Jahre später, 1987, kam die erste Verfilmung. Mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle und einem Look, der so grell ist, dass er heute fast parodistisch wirkt. Statt Düsternis und Armut dominieren Neonfarben, Lycra-Kostüme und One-Liner. Die kapitalismuskritische Wut aus Kings Vorlage weicht einem 1980er-Action-Spektakel, das seine eigene Kritik an der Gewaltlust des Publikums in Pyrotechnik verwandelt.

Und doch – unter all dem Trash blitzte der ursprüngliche Gedanke immer wieder durch. Etwa, wenn das Publikum in der Show jubelt, während Menschen sterben. Oder wenn das Fernsehen zur Waffe der Lüge wird und die Wahrheit im Schnittraum verfälscht wird. «The Running Man» war 1987 zwar kein schlechter Film, aber er wusste auch nie so genau, ob er das System kritisieren oder unterhalten wollte. Am Ende verkam er zu einer Satire, die unabsichtlich selbst zum Teil des Spektakels wurde.

Nun denn, während die Filmversion von 1987 im Jahr 2017 spielt, kommt Edgar Wrights neue Adaption just im Jahr 2025 – demselben Jahr, in dem Kings Roman spielt. Ein Zufall, ja. Aber ein verdammt symbolischer. Und genau hier setzt Regisseur Edgar Wright an: Mehr als vierzig Jahre nach Kings Roman versucht er, «The Running Man» zurück zu seinen düsteren Wurzeln zu führen – und scheitert dabei an seiner eigenen Handschrift.

Im Würgegriff der Ungerechtigkeit

Der Film beginnt furios. Edgar Wright entwirft ein Amerika am Rand des Zusammenbruchs. Ein Land, das seine Armen zum Vergnügen der Reichen verheizt. Glenn Powell spielt Ben Richards, einen Mann, der nichts verbrochen hat, ausser Rückgrat zu zeigen. Dafür verliert er Job, Existenz und jede Perspektive. Seine Tochter ist krank, seine Frau verzweifelt – und das System antwortet mit einem Schulterzucken.

In dieser ersten Stunde lodert die Wut. Sie ist greifbar, spürbar, fast körperlich. Wright zeigt kein Hochglanz-Sci-Fi, sondern soziale Dystopie: graue Strassen, billige Reklame, Menschen, die sich in Gameshows selbst zerfleischen, nur um ein paar «Neo Dollar» zu gewinnen – Dollars, auf denen ironischerweise Arnold Schwarzeneggers Gesicht prangt.

Als Richards zum ersten Mal von der Show hört, ist seine Reaktion so wie unsere: «Ich bin doch nicht so blöd, da mitzumachen.» Doch je dringlicher die Not seiner Familie wird, desto plausibler wird der Gedanke, sich fürs selbstmörderische Spektakel einzuschreiben. Das ist stark geschrieben, stark gespielt und erinnert tatsächlich an die moralische Härte von Kings Roman.

Glenn Powell trägt diese erste Stunde mit einer Energie, die ich ihm nicht zugetraut hätte. Sein Richards ist kein cooler Held wie Schwarzeneggers, sondern ein Mann, der im Würgegriff eines Systems steht, das Menschlichkeit längst abgeschafft hat. In diesen Momenten ist «The Running Man» grossartig: wütend, zynisch, aber erschreckend plausibel. Für einen Moment glaubt man, Edgar Wright habe den Zorn von Stephen King wirklich wiederentdeckt.

Und dann wird Wut … zur Show

Doch irgendwann verliert der Film die Kontrolle über seine eigene Wut. Was als düstere Gesellschaftsanalyse beginnt, wird mit zunehmender Laufzeit immer lauter, greller und gar zu einer Komödie, die nicht weiss, ob sie noch weh tun oder schon unterhalten will.

Spätestens ab der zweiten Hälfte kippt «The Running Man» in jenen Edgar-Wright-Modus, der sonst seine grösste Stärke ist: pointierte Dialoge, visuelle Ironie, schräge Nebenfiguren. Nur passt das hier nicht. Die Zornes-Ader, die dem Film zu Beginn seinen Punch gab, wird zur Karikatur. Glenn Powell, eben noch getrieben von Wut und Verzweiflung, beginnt plötzlich Sprüche zu klopfen. Der Schmerz, den man mit ihm gefühlt hat, wird zur Posse.

In dem Moment, als Schauspieler Michael Cera auftaucht, kippt der Film tonal ins Lächerliche. Schade.
In dem Moment, als Schauspieler Michael Cera auftaucht, kippt der Film tonal ins Lächerliche. Schade.
Quelle: Paramount Pictures

Auch visuell verliert der Film an Wucht. Wo am Anfang noch Dreck und Dunkelheit geherrscht haben, zieht Wright die Tonalität immer weiter ins Comic-hafte. Die Show selbst, dieser groteske Fernsehzirkus, wird zum Selbstzweck: ein Action-Spektakel, das sich an seiner eigenen Absurdität berauscht.

Natürlich ist das bis zu einem gewissen Punkt Absicht. Die Kritik an der Medienverblödung war immer Teil des Stoffes. Aber Wright treibt sie mit seinem Humor so weit, dass sie ihre Schärfe verliert. Gerade das, was sonst sein Markenzeichen und seine Handschrift ist – die Balance aus Humor, Drama und Action – bricht hier in sich zusammen.

Braucht es dieses Remake überhaupt?

Denn was Edgar Wright hier erzählt, soll eine Warnung sein. Nur: Sie kommt zu spät. Seine Zukunft ist längst unsere Gegenwart. Die Medienmanipulation, die der Film anprangert, passiert heute in Echtzeit – in unseren Feeds, auf unseren Bildschirmen, Smartphones und Tablets.

Wenn Wright etwa zeigt, wie gefälschte Videos und KI-generierte Tonspuren die öffentliche Meinung steuern, will das wie ein dystopisches Gedankenspiel wirken. Nur dass es das längst nicht mehr ist. Heute braucht es kein totalitäres Regime, um die Realität zu verzerren. Es reicht ein Algorithmus. Ein Deepfake. Ein viraler Clip, der hunderttausend Mal geteilt wird, bevor jemand merkt, dass er gar nicht echt ist.

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Wir leben in einer Welt, in der virtuelle Schauspielerinnen wie Tilly Norwood existieren, die nie geboren wurden und trotzdem Werbedeals unterschreiben. In der Matthew McConaughey seine Stimme an KI-Systeme lizenziert, damit er seinen Podcast auch auf spanisch produzieren kann. Und in der TikTok uns täglich absurde, KI-generierte Hirngespinste auftischt: Yetis, die Vlogs drehen, Katzen, die mit Bazookas rumballern, Jacken, die Bier zapfen.

Das alles ist keine Dystopie mehr. Es ist der neue Alltag: Das digitale Grundrauschen einer Menschheit, die den Unterschied zwischen Fiktion und Realität längst aufgegeben hat. Das ist wohl das eigentliche Problem des Films: Dass die düstere Zukunft, die uns der Film präsentiert, bereits unsere Realität ist. Dann drängt sich eine Frage auf:

Braucht es dieses Remake überhaupt?

Haha. Das ist ja Arnold Schwarzenegger. The dude from the other movie! Und puff, schon ist die Immersion weg.
Haha. Das ist ja Arnold Schwarzenegger. The dude from the other movie! Und puff, schon ist die Immersion weg.
Quelle: Paramount Pictures

Wahrscheinlich nicht. Zumindest nicht in dieser Form. Um relevant zu sein, hätte Wrights «The Running Man» radikaler sein müssen. Ehrlicher. Zorniger. Und vor allem konsequenter. Gerade zum Ende hin. Ein Film halt, der uns nicht nur erinnert, was wir schon wissen, sondern uns zwingt, darüber nachzudenken. Stattdessen säuft Wright in der zweiten Hälfte sowas von in einer überdrehten 1980er-Version ab, als würde er dem Trash huldigen, den King einst verachtet hat.

So verlasse ich das Kino nicht aufgewühlt, sondern angenehm unterhalten. Ein ironischer Triumph, der keiner sein sollte: Ein Film, der mich warnen will, hat mich gerade amüsiert.

Fazit

Zu harmlos, um zu warnen

Vielleicht ist das das grösste Paradox an Edgar Wrights «The Running Man»: Er warnt vor einer Welt, die längst Wirklichkeit ist, und schafft es trotzdem, sie irgendwie gefällig aussehen zu lassen.

Handwerklich ist das alles nämlich echt brillant. Kamera, Schnitt, Sounddesign – makellos. Und Glenn Powell trägt den Film mit einer Energie, die man ihm kaum zugetraut hätte. Doch all diese Präzision, all dieser Stil prallen am Ende an der eigenen Oberfläche ab. Der Film funktioniert zu gut als unterhaltendes und gar humorvolles Spektakel, um so unter die Haut zu fahren, wie’s sich Stephen King einst gedacht hat.

Was bleibt, ist ein Werk, das man goutiert, aber nicht fühlt. Das uns für zwei Stunden unterhält, ohne uns zu bewegen. Zu erschüttern. Oder gar wehzutun. Wir sind mittlerweile wohl einfach selbst zu abgestumpft. Vielleicht ist genau das das Erschreckendste daran.

Titelbild: Paramount Pictures

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Ich schreibe über Technik, als wäre sie Kino, und über Filme, als wären sie Realität. Zwischen Bits und Blockbustern suche ich die Geschichten, die Emotionen wecken, nicht nur Klicks. Und ja – manchmal höre ich Filmmusik lauter, als mir guttut.


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