

«Dr. Dry» von Dynamic Bike Care: ein Wundermittel oder ein blaues Wunder?

Jetzt ist es doch noch Herbst geworden. Leider, ist man als Velofahrer geneigt zu sagen, wenn mit dem Übergang vom Sommer zum Herbst auch der Regen Einzug hält. Und damit Nässe und vor allem Kälte auf dem Sattel. Vielleicht hilft da dieser vermeintliche Wunderspray von Dynamic Bike Care.
«Do you also hate the feeling of wet bibs or is your favorite jacket no longer waterproof?» Das ist auf dem Imprägnierspray «Dr. Dry» von Dynamic Bike Care zu lesen. Yes, kann ich da nur sagen. Ich mag weder nasse Bibshorts noch Regenjacken, die die Nässe durchlassen. Das ist jedoch bei den meisten Produkten früher oder später der Fall. Spätestens, wenn sie ein paar mal in der Waschmaschine waren. Und so richtig wasserdicht sind sie dann auch trotz Imprägnierwaschmittel und den entsprechenden Sprays leider nicht mehr. Zumindest bei mir. Neben dem Wind ist die Nässe mein grösster Feind beim Biken.
Das ist mir erst kürzlich wieder bewusst geworden, als ich ohne vorherigen Blick auf die Wetterapp (da habe ich das letzte Mal vor gefühlt einem halben Jahr draufgeschaut. Es scheint ja eh immer die Sonne) mit meinem Gravelbike einfach so los geradelt bin. Nach einer Viertelstunde hat der Regen eingesetzt – Regen, was ist denn das, bitteschön? – und mich eine Stunde später durchnässt und leicht frierend nach Hause geschickt. Denn nass macht auf dem Velo kalt.
Vielleicht wurde man ein bisschen verweichlicht, wenn man ein halbes Jahr immer bei sommerlichen oder gar heissen Temperaturen auf zwei Rädern unterwegs war. Auf jeden Fall empfand ich die zwölf Grad in Verbindung mit dem klammen Gefühl als äusserst unangenehm.

Quelle: Patrick Bardelli
Dr. Dry klingt irgendwie nach Hip-Hop
Zu Hause habe ich mich an ein Produkt erinnert, das seit Wochen im Velokeller steht und auf Regen wartet:

Und dann lese ich auf der Rückseite des Imprägniersprays von Dynamic Bike Care auch noch: «We have just what the doctor ordered!» Bei so viel Marketing à la Amerika bin ich erstens skeptisch, auch wenn der Brand seinen Hauptsitz in den Niederlanden hat. Und zweitens erinnert mich der Name des Produkts eher an einen Hip-Hop-Produzenten als an einen trivialen Kleiderspray. Sei es wie es will, der gute «Dr. Dry» verspricht nichts weniger als schlicht Wunderdinge. Die wasserdichte und atmungsaktive Textilbeschichtung soll sogar Socken wasserdicht machen. Dasselbe gilt auch für Zelte oder Bikepackingtaschen. Und natürlich die ganze Fahrradbekleidung.
Ein Wundermittel?
«Dr. Dry» umhüllt jede Faser und bleibt wasserabweisend, auch wenn das Textil gedehnt wird. So das Versprechen des Herstellers. Und es geht noch weiter: Da sich die Luft zwischen den Fasern noch bewegen kann, bleibe die Atmungsaktivität der Ausrüstung voll erhalten. Und du musst dir auch keine Sorgen machen, dass sich das Produkt in die Umwelt auswaschen könnte, denn es ist wasserbasiert, frei von Fluorkohlenstoff (FCKW) und biologisch abbaubar. Ausserdem ist «Dr. Dry» von Dynamic Bike Care offizieller Partner der UCI-World-Teams Jumbo-Visma, Alpecin-Deceuninck und BORA-Hansgrohe. Was für Jonas Vingegaard und Co. gut genug ist, soll mir recht sein. Beim nächsten Regen bin ich mit Unterstützung von «Dr. Dry» unterwegs.

Quelle: Patrick Bardelli
Anwendung
Die zu besprühende Oberfläche muss sauber und nicht mit Weichspülern oder anderen Zusätzen gewaschen worden sein, bevor du sie mit Dr. Dry behandelst. Grosszügig auftragen und die Oberfläche komplett mit dem Spray durchnässen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass alle Fasern mit einer Schutzschicht überzogen sind. So sollen die besten Ergebnisse erzielt und die Haltbarkeit des Produkts erhöht werden. Nach der Anwendung 24 Stunden trocknen lassen.
Die Wirkung der Beschichtung nimmt gemäss Hersteller pro Waschgang um etwa 20 Prozent ab. Um die Haltbarkeit zu maximieren, mit einem Feinwaschmittel ohne Weichspüler oder andere Zusätze waschen. Nach etwa fünf Waschgängen oder bei Bedarf früher erneut auftragen.
Einmal Regen bitte
Der nächste Regen kam schon bald. Und ich freute mich für einmal richtig darauf. Um 13 Uhr fuhr ich, frisch mit «Dr. Dry» eingesprüht, los und schon ein paar Minuten später kam die vorhergesagte Nässe von oben. Danke an die exakte Wetter-App. Aus den vereinzelten Tropfen wurde einer dieser leichten Nieselregen. Bei dem man sich denkt, «da brauche ich keinen Schirm» und eine halbe Stunde später durchnässt nach Hause rennt.

Quelle: Patrick Bardelli
Unterwegs liess ich keine Pfütze aus, die ich sonst, wenn immer möglich, grossräumig umfahre. Der leichte Nieselregen war unterdessen in einen sanften Sprühregen übergegangen und ich machte mich nach einer Stunde wieder auf den Nachhauseweg. Genug Masochismus für einen Tag.
Erster Eindruck: Ja, aber ...
Zu Hause angekommen, ziehe ich Fazit.
Zuerst das Positive: Die Handschuhe haben dicht gehalten und meine Hände trocken und warm. Ein sehr gutes Gefühl. Zwei Tage zuvor wurden sie nass und entsprechend kalt. Mit klammen Händen den Lenker nicht mehr richtig zu spüren ist blöd und kann noch blöder enden. Auch die Jacke war fast komplett wasserdicht. Vor allem an den Schultern. Einzig bei den Unterarmen, gleich unter dem Ellenbogen, wurde es ein wenig feucht. Vielleicht habe ich da auch einfach nicht gut genug gesprüht. Insgesamt aber eine deutliche Verbesserung.
Nun zum Negativen: Meine Füsse waren wieder nass. Auch wenn ich sowohl die Schuhe als auch die Socken mit «Dr. Dry» eingesprüht hatte. Mit nassen Füssen zu biken ist doof. Da führt wohl kein Weg an den Überzügen vorbei. Und auf die Gefahr hin, wieder eine kleine Polemik zu entfachen, hier nochmals, warum dem so ist:
Dann bleibt noch die Velohose, genauer gesagt, der Allerwerteste darin. Der wurde nämlich auch wieder nass. An den Beinen hat der Spray wohl ein bisschen gewirkt, gegen das Spritzwasser von unten war aber auch er machtlos. Und das, obwohl ich insgesamt rund einen Viertel der 300 Milliliter-Flasche auf Hose, Socken, Jacke und Handschuhe versprüht habe.
Laut Hersteller soll das Produkt grosszügig aufgetragen und die zu behandelnde Oberfläche jeweils komplett mit dem Spray durchnässt werden. Wie viel «grosszügig» dann tatsächlich ist, bleibt somit eine Gefühlssache. Ich habe, wie erwähnt, rund ein Viertel des Sprays verbraucht. Nach fünf Waschgängen soll ich den Vorgang gemäss Dynamic Bike Care wiederholen. Die 300 Milliliter-Flasche reicht so für etwa 20 Waschgänge. Oder in meinem Fall etwa gute zwei Monate.

Quelle: Patrick Bardelli
Mein erster Eindruck zu «Dr. Dry» von Dynamic Bike Care ist also ein Zwiespältiger. Handschuhe und Jacke haben die Nässe definitiv abgehalten, die Velohose nur bedingt, Schuhe und Socken gar nicht. Fairerweise sei hier erwähnt, dass ich das Produkt erst einmal getestet habe. Ich werde ihm diesen Herbst jedoch sicher nochmal eine Chance geben.
PS: Es wird übrigens Zeit, von den Sommer- auf die Winterklamotten zu wechseln. Und von Castelli auf Assos. Mehr dazu in Kürze.
Titelfoto: Patrick Bardelli

Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.