
Hintergrund
Von Vulkanen zu den Alpen – Wenn mexikanisches Design auf die Schweiz trifft
von Pia Seidel
Vergangene Woche habe ich den «Designer's Saturday» in Langenthal besucht und fasse für dich die Highlights zusammen.
Die Mode hat Paris, Interior Design hat Mailand – äh nein: Langenthal. Bereits seit 1987 findet die Inspirations- und Begegnungsplattform namens «Designer's Saturday» im Kanton Bern statt. Sie wird von einem internationalen Fachpublikum sowie Schaulustigen besucht. Als eine Mischung aus Werkschau und Theaterstück widmet sich diese Ausstellung im Unterschied zur jährlichen Möbelmesse «Salone del Mobile» in Mailand weniger dem Endprodukt, sondern vielmehr dem Designprozess, den Materialien und der Fertigung.
Ein ganzes Wochenende lang bekommen Besucher Einblicke in die Produktionshallen fünf unterschiedlicher Hersteller: Création Baumann, Girsberger, Glas Trösch, Hector Egger Holzbau und Ruckstuhl öffnen ihre Türen und geben Studierenden sowie etablierten Herstellern einen Raum für ihre Ausstellung und für einen Austausch mit Design-Interessierten. Was es dabei zu erleben gab, erfährst du hier.
Bei der ersten Station von «Girsberger» werde ich von Bademeistern mit kurzen Hosen empfangen. Sie begleiten die Ausstellung von der ältesten Schweizer Stuhlmanufaktur «Dietiker». Schwebende Luftblasen, Sprungbretter, Geräusche von fliessendem Wasser und ein Eisstand versetzen mich zurück in den Sommer.
In der nächsten Halle fühle ich mich daraufhin wie in einem Park, der von einem Brunnen gekrönt wird. Dahinter steckt der Spezialist im Sanitärbereich «Keramik Laufen». Er inszeniert seine Dusch-WCs und Wasserhähne nicht etwa in einem Badezimmer, sondern greift typische Materialien wie Chrom auf und setzt sie als Gestaltungselement für eine Installation ein.
Beim «Depot for Design» steht dieses Mal Japan als Gastland im Fokus. Gemeinsam mit einer sympathischen Übersetzerin im Gepäck wird mir Raum für Raum traditionelles sowie aktuelles Produktdesign nähergebracht. Besonders beeindruckend finde ich Kupfergefässe vom Hersteller «Gyokusendo», die vor Ort von einem Handwerker gefertigt werden. In der dafür typischen Haltung hämmert er präzise ein einzelnes Kupferstück zu einer Schale. Dabei trifft sein Hammer nie zweimal auf ein und dieselbe Stelle. «Das erfordert monatelange Übung», erklärt mir die Übersetzerin.
Einige Schritte weiter, staune ich über die Miniaturwelten von Naoki Terada. Von Hochzeiten bis hin zu Tennisspielen gibt es unterschiedliche Szenarien und Landschaften zu sehen. Die Modelle scheinen lebendig zu werden, wenn ich mir vorstelle, was die kleinen Figuren darin gerade machen. Sie sollen im Vergleich zu Repliken nicht versuchen etwas nachzuahmen, sondern stehen für sich.
Neben lokalen und internationalen Herstellern werden im Rahmen des «Young Talents»-Programm, Hochschulen unter einer sogenannten «Carte Blanche» eingeladen, ihre Arbeitsweisen und Designprozesse sichtbar zu machen. Aus dem Ausland war dieses Mal der Studiengang «Exhibition Design», der Peter Behrens School of Arts Düsseldorf, zu Gast.
Den Standort Mühlehof nehmen die Studierenden zum Anlass sich mit dem ursprünglichen Zweck des Gebäudes auseinanderzusetzen. Eine lange Infotafel, in der es um die Bedeutung von Mehl und Brot für unsere Gesellschaft geht, wird von einem Tisch, auf dem Mehl aufgetürmt ist, begleitet.
Währenddem mir eine der Studentinnen die Ausstellung näher erklärt, wird mir ein Stück frisches Brot an einem Faden gereicht. Eine nette Geste, die nicht zufällig ist: Denn die Ausstellung im nächsten Raum erfordert eine Grundlage im Magen.
Ein weiteres Highlight der «Young Talents»-Ausstellung ist die «Love Bar» vom #LOOSLAB, den Studierenden der Hochschule HEAD – Genève. Sie ist gemütlich, besitzt Nischen zum Sitzen und eine Theke. Auch wenn ich mich wie in einer Bar fühle, ist etwas komisch. Bei genauem Hinsehen merke ich, was: Die vermeintlichen Holzverkleidungen, Marmorwände oder -böden sind in Wirklichkeit nur eine bedruckte Folie. Hier wird eine ganz bestimmte Inneneinrichtung nachgemacht, wie ich später erfahre: Die «American Bar» des österreichischen Architekten Adolf Loos. Sie soll nur auf Fotos «echt» wirken und ein «instagrammable» Interior besitzen.
Mit diesem Projekt hinterfragen die Studenten das Verhältnis zur Materie, zum Bild, zur Wahrnehmung der Welt und unser Verhältnis zu den sozialen Medien. Ob ich im Anschluss eine Insta-Story gemacht habe? Klar. Weil ich wissen wollte, wer von meinen Freunden mich als erstes fragt, in welcher neuen Bar ich mich befinde.😉
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Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.