
Hintergrund
Du denkst, Geschirr wäre langweilig? «Plaite» beweist das Gegenteil
von Pia Seidel
Beim Festival «3 Days of Design» in Kopenhagen war ich plötzlich mittendrin: Ein ungemachtes Bett, Frühstücksreste auf dem Tisch, Zettel mit Kritzeleien – und überall Design, das nicht perfekt, sondern lebendig wirkte. Charlotte Taylor hat das geschafft, was kaum jemand in der Interior-Welt wagt: Sie feiert das Alltagschaos. Und plötzlich fühlte sich alles so echt an.
Es war, als wäre ich mitten in den Morgen von jemand anders geplatzt: Das Bett war durchwühlt, ein Frühstücksei nur halb gegessen, die Zeitung aufgeschlagen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, mich entschuldigen zu müssen – und gleichzeitig wollte ich bleiben. Zwischen all dem scheinbar spontanen Durcheinander präsentierten sich Designstücke, die sich so natürlich in die Szene einfügten, als hätten sie schon immer hier gelebt. Alte Freunde, die zufällig auf einen Kaffee vorbeigekommen sind.
Die Ausstellung mit dem Titel «Home from Home» zeigt, wie unser Zuhause wirklich ist: manchmal ein Hafen der Ruhe, manchmal das Auge eines wilden Sturms. Mal leer, mal voller Leben. Chaos und Ordnung, alles auf einmal.
Die Kreativdirektorin Charlotte Taylor wollte diese Gegensätze in Zusammenarbeit mit dem Designkollektiv Noura Residency einfangen – und pfeift dabei auf den skandinavischen Minimalismus, den wir sonst so oft sehen. «Ich habe das Gefühl, dass es an Design fehlt, das auf eine häuslichere, zugänglichere Weise präsentiert wird, besonders im Kontext von Kopenhagen», erklärte sie gegenüber Wallpaper.
Und sie hat recht: Wer lebt schon in einer makellosen, perfekt gestylten Wohnung? Das echte Leben ist chaotisch – und das macht es schön.
Ein Beispiel dafür war der «Sobremesa»-Tisch, den Taylor zusammen mit Sheila Llovet entworfen hat. Sein Name, inspiriert von der spanischen Tradition entspannter Tischgespräche, passt perfekt: Eine elegante Tafel aus Eiche und Walnuss, die ein verstecktes Schachspiel in sich birgt.
Aber dieser Tisch war nicht nur ein Ausstellungsobjekt. Während der Messe wurde er tatsächlich genutzt – für echte Dinnerabende und Schachpartien unter Freunden. Genau das machte ihn dynamisch. Geschichten erzählen von gutem Essen, langen Gesprächen und gemeinsamen Lachen.
Ob natürlich oder künstlich – auch das Licht tanzte durch den Raum, spielte mit den Objekten von Marken wie Aarke, Birkenstock und Tekla. Ein leichter Wind liess ein Mobile auf dem Esstisch sanft schwingen, während irgendwo eine Kaffeetasse leise klirrte. Jeder Aspekt der Ausstellung – vom Duft des Raumes bis hin zu den Klängen – war darauf ausgelegt, eine Atmosphäre zu schaffen, die sich wie ein echtes Zuhause anfühlt. Es war nicht makellos. Aber das war der Punkt.
Ein minimalistisches Wandobjekt mit einem Geheimfach sorgte für einen unerwarteten Moment: Ein Windstoss liess Zettel aus dem Fach flattern und auf den Boden segeln. Plötzlich wurde das Designstück lebendig – nicht mehr nur ein Objekt, sondern Teil einer Geschichte. Ungeplant? Vielleicht. Magisch? Auf jeden Fall.
Wer hätte gedacht, dass ein ungemachtes Bett und ein paar Krümel auf dem Tisch die neue erstrebenswerte Ästhetik sein könnten? Vielleicht sollte ich mein Wohnzimmer immer so lassen, wie es meistens ist – lebendig und in Gebrauch. Denn genau das zeigte «Home from Home»: Ein Zuhause muss nicht tadellos aussehen, um schön zu sein. Es ist ein Ort, der lebt, atmet und Geschichten erzählt. Ein Ort, an dem Träume entstehen und an dem du dich geborgen fühlst.
Was macht für dich ein Zuhause aus? Ist es Perfektion oder das gelebte Chaos? Teile deine Gedanken in den Kommentaren.
Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.