
Ratgeber
Was Eltern beschäftigt: «Mama, wieso flüged d'Wolke?»
von Myrtha Brunner
Meine Tochter hat das F-Wort für sich entdeckt. Und ich bin auch noch schuld daran. Warum ich dagegen machtlos bin und was ich stattdessen tun kann – eine Expertin gibt Tipps.
«Fuck!», entfuhr es mir. Meine volle Müeslischale war gerade in hundert Stücke auf dem Parkettboden zerschellt. Ein folgenschwerer Unfall. Nicht für mein Parkett, nicht für mein Geschirr-Repertoire, viel mehr für den Wortschatz meiner vierjährigen Tochter. Denn dieser eine Ausrutscher reichte, um das Fluchkarussell in Gang zu setzen.
Dass das gleiche Wort tags darauf auch noch Thema in einer Radio-Mittagssendung war – natürlich genau dann, als ich mit ihr im Auto unterwegs war – tat seinen Rest. Murphy’s Law. Klar, wurde sie hellhörig, hatte sie den Begriff doch gerade erst aus Mamis Schandmaul gehört. Die Aufforderung, das F-Wort doch schnell wieder zu vergessen, machte es nur noch schlimmer.
Seither flucht die Kleine wie ein Rohrspatz. Auch wenn sie keine Ahnung hat, was das F-Wort heisst: Sie benutzt es, um mich zu ärgern. Sie benutzt es, um ihre Schwester zu ärgern. Sie benutzt es immer dann, wenn ihr etwas gegen den Strich geht. Und ich frage mich: Wie schaffe ich es, den Begriff möglichst schnell wieder aus ihrem Wortschatz zu verbannen?
Gar nicht, erfahre ich bei der Stiftung Pro Juventute. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute: Fluchen sei völlig normal – auch oder gerade in diesem Alter.
«Es gehört zu einer gesunden Entwicklung dazu», stellt Anja Meier, Verantwortliche Politik und Medien bei Pro Juventute, klar. Auch Kinder bräuchten schliesslich ein Ventil für ihre Emotionen und Gefühle. «Fluchen ist faszinierend für Kinder. Sie testen ihre Grenzen und unsere Reaktionen: Wie viel Aufmerksamkeit bekomme ich damit?»
Und sie imitieren. Immerhin fluchen wir Erwachsene und die grossen Geschwister selbst gerne und oft. Umso wichtiger sei es, ruhig zu bleiben und die Ausrutscher zu ignorieren, so Meier. «Bleibt die Aufmerksamkeit weg, ist es auch bald nicht mehr interessant.»
Wenn die Eltern die Schimpftiraden als besonders belastend empfinden oder starke negative Emotionen als Ursache dafür wahrnehmen, sollten sie das Thema direkt ansprechen. Anja Meier rät dann zu folgenden drei Punkten:
Grundsätzlich sei es wichtig, den Schimpftiraden mit Gelassenheit und Humor zu begegnen, sagt Anja Meier von Pro Juventute weiter. Denn das Fluchen zu verbieten, nütze ohnehin nichts. «Klar, das braucht Energie. Aber es geht allen Eltern gleich.»
Das ist, wie so oft mit Kindern, ein Trost. Den ersten Test bestehe ich dann auch bravourös. «Mami, das ist Fuck!», sagt meine Tochter wütend, als ich sie zum dritten Mal zum Aufräumen auffordere. Und grinst mich in der nächsten Sekunde an, wohlwissend, dass sie gerade ein «verbotenes» Wort benutzt hat. Ich bleibe ruhig. Grinse zurück. Und wiederhole meine Aufforderung zum Aufräumen, ohne auf ihr Schimpfwort einzugehen.
Scheisse, dann tut sie es halt wieder. Denke ich mir und werfe in Gedanken selbst einen Einfränkler ins Fluch-Kässeli.
Titelfoto: Katja FischerAnna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.
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Alle anzeigenDer Grolltroll... grollt heut nicht!? (Bd. 2)
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