Debora Pape
Hintergrund

Das gelbe «Vegan»-Label bereitet Anbietern von Plant-Based-Produkten Kopfschmerzen

Debora Pape
2.9.2025

Zur einfacheren Orientierung am Supermarktregal sind vegetarische und vegane Lebensmittel oft durch ein spezielles Label gekennzeichnet. Doch für Unternehmen kann das ein Problem sein.

Sicher kennst du es auch, das knallgelbe, runde «Vegan»-Label auf Lebensmittelverpackungen. Etwas seltener gibt es das Symbol auch als grüne «Vegetarisch»-Variante. Sie werden V-Label genannt und sind die bekannteste Kennzeichnung von vegetarischen und veganen Lebensmitteln.

Die auffällige Kennzeichnung erleichtert etwa die Erkennung fleischfreier oder rein pflanzlicher Lebensmittel. Laut einer Studie verlassen sich vorwiegend jüngere Menschen darauf und suchen speziell nach dem Siegel.

Demgegenüber kann es aber Menschen abschrecken, die pflanzlichen Lebensmitteln skeptisch gegenüberstehen. Das Magazin Vegconomist, das über vegane Wirtschaftsnews berichtet, hat sieben Managerinnen und Manager aus der Plant-Based-Branche nach ihrer Meinung und ihren Erfahrungen zu diesem Thema befragt. Demnach müssen die Hersteller einen Spagat zwischen Kundenwunsch und wirtschaftlichen Erfordernissen bewältigen: hier die Nachfrage nach einer transparenten Kennzeichnung, dort die notwendige Gewinnoptimierung. Und fast alle der Befragten sehen den Einsatz einer auffälligen «Vegan»-Kennzeichnung eher kritisch.

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    Die meisten wollen sie, viele verstehen sie nicht: Lebensmittelkennzeichnungen

    von Debora Pape

Warum kann eine klare Kennzeichnung problematisch sein?

Aktuell ernähren sich rund zehn bis zwölf Prozent der Menschen in Europa rein vegetarisch oder vegan. Je nach Umfrage ist die Gruppe der Flexitarier deutlich größer. Teilweise geben bis zu rund 50 Prozent an, ihren Fleischkonsum bewusst zu reduzieren. Demgegenüber steht die Personengruppe, die sich keiner besonderen Ernährungsweise zuordnet und demnach alles isst (Omnivoren).

Diese Gruppe ist nicht homogen. Zu ihr gehören Menschen, die pflanzliche Alternativen grundsätzlich ablehnen. Aber auch Personen, die keine Meinung dazu haben oder offen dafür sind, gehören dazu.

Eine US-amerikanische Studie diese zeigt, dass Menschen, die nicht an einer flexitarischen, vegetarischen oder veganen Ernährung interessiert sind, seltener zu Produkten mit V-Label greifen. Sie assoziieren mit solchen Lebensmitteln Verzicht und geschmackliche Abstriche. Und dann sind die Produkte häufig auch noch teurer.

Ressentiments gegen das Wort «Vegan»

Das hat auch Rebecca Göckel, Co-Geschäftsführerin von Nomoo, festgestellt. Ihr Unternehmen stellt ausschließlich pflanzliches Eis her. Sie gibt an, viel Skepsis dem V-Label gegenüber erlebt zu haben. Es sei daher sinnvoll, weniger in Etiketten zu denken und beim Marketing den Fokus mehr auf den Geschmack und eine moderne, bewusste Lebensweise zu legen.

Elisabeth Prein, Geschäftsführerin von Pfeffer & Frost, hat das ebenfalls erlebt. Nach der Einführung einer veganen Lebkuchenlinie habe es viele Rückmeldungen gegeben, in denen Kunden eine versehentliche Bestellung der veganen Variante stornieren wollten.

Das Unternehmen stellte die Produktion dann auf ausschließlich pflanzliche Lebkuchen ohne Ei und Honig um, ohne die Änderung breit zu kommunizieren. Dass die Lebkuchen alle vegan sind, steht nur noch im Kleingedruckten – das Unternehmen verzichtet auch auf das V-Label. Die negativen Kundenrückmeldungen seien durch die Maßnahme verschwunden.

Unter anderem bei Chips sehe ich häufiger nur auf der Verpackungsrückseite einen Hinweis. Ein typisches Label fehlt.
Unter anderem bei Chips sehe ich häufiger nur auf der Verpackungsrückseite einen Hinweis. Ein typisches Label fehlt.
Quelle: Debora Pape

Einen ähnlichen Weg schlägt auch die Marketing-Professorin und Buchautorin Prof. Dr. Johanna Gollnhofer von der Universität St. Gallen vor. Der häufige Einsatz des Wortes «Vegan» sei für eine Normalisierung pflanzlicher Ernährung nicht hilfreich, weil es viele Menschen abschrecke.

Eine bessere Empfehlung sei der «zufällig vegane» Weg: Unternehmen könnten mehr Produkte ins Sortiment nehmen, die schon immer rein pflanzlich waren und ohnehin gekauft würden, etwa italienische Weizengrießnudeln, Apfelmus, Margarine und Hummus. So könnten pflanzliche Produkte schleichend größere Marktanteile gewinnen.

Matthias Rohra, Geschäftsführer von ProVeg Deutschland, hebt zwar den Nutzen des V-Labels hervor, da es bei der Orientierung helfe und Vertrauen schaffe. Doch Nicht-Veganerinnen und -Veganer könnte laut seiner Erfahrung eine solche Etikettierung abschrecken. Er plädiert daher ebenfalls für eine zurückhaltende Wortwahl auf Verpackungen.

«Pflanzlich» ist besser als «Vegan»

Auch Alexander Schmolling, Marketingleiter von Feinkost Popp, das auch vegane Aufstriche und Salate anbietet, sagt: Das V-Label erreiche zwar die vegane Zielgruppe, schrecke aber Omnivoren ab. Andere Kennzeichnungen, etwa «pflanzlich», senke unbewusst errichtete Barrieren. Den «Vegan»-Hinweis sieht er eher in den Produktdetails. Sein Unternehmen nutzt das V-Label und das «Vegan»-Wording allerdings aktuell selbst, wie die Produktpalette zeigt.

Alpro wirbt bei «Barista Kokos» auf der Vorderseite mit dem Hinweis «Pflanzlich & mit Calcium». Seitlich an der Verpackung prangt das gelbe V-Label.
Alpro wirbt bei «Barista Kokos» auf der Vorderseite mit dem Hinweis «Pflanzlich & mit Calcium». Seitlich an der Verpackung prangt das gelbe V-Label.
Quelle: Debora Pape

Der vegane Lebensstil bezieht jedoch nicht nur die Ernährung, sondern alle Lebensbereiche mit ein. Im Textilbereich ist das gelbe V-Label allerdings nicht vertreten. Sarah Kokal, Gründerin des zu 100 Prozent veganen Modelabels we samay, hat aufgrund ihrer schlechten Erfahrung den Begriff «vegan» vollständig entfernt. Die Kunden könnten sich damit nicht identifizieren. Besser seien Angaben wie «frei von», «pflanzlich» oder «Peta-zertifiziert».

Nur Renato Pichler, Geschäftsführer von Swissveg, sieht das V-Label ausschließlich positiv. Es signalisiere Qualität und Transparenz, sei unaufdringlich und ohne Marketingversprechen. Er stelle fest, dass die Kundschaft gezielt danach suche, während die Kennzeichnung außerhalb der veganen Community entweder ignoriert oder positiv aufgenommen werde. Ihm zufolge unterstütze es die Normalisierung von pflanzlicher Ernährung.

Was ist der beste Weg?

Unternehmen, die rein pflanzliche Produkte verkaufen wollen, müssen sich somit ihre Marketingstrategie abwägen. Möglichkeiten sind etwa:

  • V-Label auf der Verpackung und deutliche Wortwahl zu veganen Inhalten. Das bietet Orientierung, schreckt aber andere Kundengruppen ab.
  • Verzicht auf das V-Label und stattdessen Informationen zurückhaltend unterbringen – etwa bei der Zutatenliste. Dies könnte ein Nachteil bei Menschen sein, die bewusst nach dem V-Label suchen.
  • Ohne großes Aufheben die Rezepturen verändern, wie das Griesson-de Beukelaer Ende 2024 bei der Prinzenrolle gemacht hat.
Verschiedene pflanzliche Produkte, verschiedene Kennzeichnungen.
Verschiedene pflanzliche Produkte, verschiedene Kennzeichnungen.
Quelle: Debora Pape

Zwar kommen stetig neue vegane Produkte auf den Markt kommen, werden oft aber auch wieder eingestellt, weil sie nicht genügend Abnehmer finden. So strich McDonald’s Österreich vor wenigen Wochen den McPlant-Burgerpatty aus dem Menü, weil die Nachfrage zu gering war. Ein Beispiel dafür, dass es kein Patentrezept für den Markterfolg veganer Lebensmittel gibt.

Welcher Weg für den nachhaltigen Erfolg veganer Lebensmittel richtig ist, bleibt unklar. Die Aussagen der Branchen-Entscheiderinnen liefern Anhaltspunkte, sind aber kaum repräsentativ für die gesamte Branche.

Falls du sehen möchtest, welche veganen Produkte neu erscheinen und welche wieder verschwinden, kannst du auf Instagram dem Kanal vegane Neuheiten folgen.

Titelbild: Debora Pape

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Fühlt sich vor dem Gaming-PC genauso zu Hause wie in der Hängematte im Garten. Mag unter anderem das römische Kaiserreich, Containerschiffe und Science-Fiction-Bücher. Spürt vor allem News aus dem IT-Bereich und Smart Things auf.


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