

Meine Katzen kratzen neben dem Brett – ich spachtle zurück

Meine Wände dienen einem anonymen Kratzkünstler. Er ignoriert jedes Kratzbrett und wählt lieber Tapete als Medium. Was tun, wenn Kunst zu weit geht? Ich habe Spachtel und Farbe gegen die Krallen erhoben.
Bei mir zu Hause geht Catsky um – ein geheimnisvoller Künstler mit Krallen so scharf wie sein Verstand. Unbemerkt hinterlässt er immer wieder Kratzkunstwerke an meiner Tapete. Offiziell erlaubte Flächen wie Kratzbretter umgeht er gekonnt. Auch nachdem ich sie mehrmals umgehängt habe. Ist es Kater Jasper? Oder Katze Joy? Keine Ahnung. Auf frischer Tat ertappt habe ich Catsky noch nie – wahre künstlerische Anonymität.

Wobei ... so ästhetisch finde ich seine künstlerischen Ausbrüche gar nicht. Wenn ganze Tapetenfetzen wie Reliefs von den Wänden abstehen, frage ich mich: Ist das Kunst oder kann das weg?
Ich habe entschieden: Es kann weg. Leider habe ich zwei linke Heimwerker-Hände. But hey – there is always hope, wie bei Banksys «Girl with Balloon». Ich hole mir zwei Restauratoren zur Hilfe.
Tric, der Mann fürs Grobe
Der erste ist für die Vorarbeit zuständig: Tric. Er ist der Mann für beschädigte Raufasertapeten. Angeblich soll er so schnell und sauber arbeiten, dass sich seine Spachtelmasse optimal an die Wandstruktur anpasst. Wir werden sehen.
«Reich mir den Spachtel», meint Tric. Mist, keiner da. Also muss eine alte Kundenkarte herhalten. Tric verdreht die Augen, lässt sich aber breitschlagen – mit einer kleinen Massage, damit es danach wie geschmiert läuft. Ein kurzer Druck auf die Tube, und die zähe Spachtelmasse erscheint.

Die Paste mit der Kundenkarte zu verstreichen, klappt gut. Jetzt heisst es: eine Stunde trocknen lassen – und hoffen, dass Catsky währenddessen nicht wieder zuschlägt.

Tric und ich haben Glück. Die Kratzstelle ist nach 60 Minuten vollständig abgedichtet und fühlt sich fest an. Auch mit der Wandfarbe stimmt sie überein.


Molto, der Mann für die Feinarbeit
Nun muss noch ein Fachmann für den Feinschliff her: Molto. Er ist nicht nur der Mann für punktuelle Korrekturen auf Raufasertapeten, sondern auch auf Strukturputz. Ob zugespachtelte Stellen, Risse, Flecken oder Striemen an der Wand: Mit seiner weissen Ausbesserungsfarbe sollen kaschierte Stellen verschwinden. Also los!

Molto nimmt sich die leichteren, oberflächlichen Kratzspuren vor. Mit etwas Druck auf die Tube läuft Farbe auf seine Walze. Damit rollt er mehrmals über die Kratzer. Nun wirken sie etwas schwächer, sind aber immer noch zu sehen. «Kein Problem», meint Molto, «das haben wir gleich.» Er macht ein paar kleine Hüpfer und tupft so vertikal Farbe in die Kratzritzen. Einige Male rutscht die Rolle auf der einen Seite aus der Halterung, was etwas mühsam ist. Nach zwei, drei Durchgängen sind die Kratzer dann aber beinahe verschwunden. Molto bene!
Fazit
Zum Schluss betrachte ich die retuschierten Kunstwerke im Licht. Tatsächlich sind sie fast nicht mehr zu sehen. Die einzigen zwei Schönheitsfehler: Moltos Farbe scheint je nach Blickwinkel minimal weisser als die Tapete und Tric hat an der Wandecke etwas unsauber gearbeitet. Mit etwas Übung und einem richtigen Spachtel geht es nächstes Mal sicher besser. Oder klebe ich doch noch eine Anti-Kratzfolie an die Wand? Wohl kaum. Catsky wird einfach daneben weiterkratzen – und ich beim Ablösen die ganze Tapete mitnehmen.
Apropos: Wie steht es eigentlich um den Kratzkünstler? Nun ja, er hat erneut zugeschlagen. Den Restauratoren werden die Aufträge so bald nicht ausgehen.

Was unternimmst du gegen Kratzkunstwerke? Verrate es in einem Kommentar.


Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.