Hintergrund

Besuch im einzigen Schweizer Kindermuseum

Martin Rupf
16.11.2022
Bilder: Christian Walker

Seit bald 40 Jahren steht das einzige Kindermuseum in der Schweiz in Baden. Wie aus einer privaten Sammlung ein modernes Museum wurde und weshalb es eben um viel mehr als nur Spielzeuge geht. Ein Besuch vor Ort.

Das Schweizer Kindermuseum in einer altehrwürdigen Villa in Baden hat an diesem Vormittag eigentlich noch zu. Doch Museumsleiter Daniel Kaysel macht zwei Ausnahmen. Die erste gilt einer Klasse, die an diesem Morgen durch einen Mitarbeiter in den Genuss einer Führung des Museums kommt. Die zweite gewährt er mir. In den nächsten drei Stunden wird mich der 58-Jährige durch die 20 Räume des Museums am Ländliweg führen.

Wie aus dem Spielzeugmuseum das Schweizer Kindermuseum wurde

Die private Führung mit dem Museumsleiter beginnt im Erd-, und 1. Obergeschoss, wo sich die Dauerausstellung befindet. In zahlreichen Vitrinen und Glasschränken befinden sich Hunderte von Spielsachen wie etwa Modellzüge, Puppen oder Kreisel aus den unterschiedlichsten Epochen. «Wir dokumentieren die Entwicklung der Kindheit über die letzten 300 Jahre mit Spielzeug, schulischen Lehrmitteln, Kinderbüchern und vielem mehr», sagt Kaysel.

Heutiger Museumsleiter putzte als Architekturstudent jeden Sonntag das Museum

Heute beschäftigt das Museum rund 20 Mitarbeitende, die sich auf etwas über fünf Vollzeitstellen aufteilen. Daniel, sein Bruder Marcel und ein Historiker sind die einzigen, die im Monatslohn angestellt sind und viel vor Ort sind. «Oft» meint im Fall von Daniel nicht selten sieben Tage die Woche. Kein Wunder, gibt doch das Museum pro Jahr über 200 Führungen, viele davon werden vom Museumsleiter persönlich geleitet.

Dass es mit dem Ausstellen von Objekten in einem zeitgemässen Museum nicht mehr getan ist, zeigt etwa die Sonderausstellung zur Spanischbrödlibahn. Mit sehr viel Liebe zum Detail ist die Strecke zwischen Baden und Zürich detailgetreu nachgebaut. Doch damit nicht genug. An sieben Stationen wird aus der Perspektive von sieben wahren Protagonisten die Geschichte der Bahn erzählt.

Weltraum-Sonderausstellung ist so erfolgreich, dass sie vorerst zu einem Bestandteil der Dauerausstellung wird

Dass es mit dem Ausstellen von Objekten nicht getan ist, beweist ein Augenschein im 2. Obergeschoss, wo sich die Ausstellung «Rakete, Mond und Sterne» befindet. Eigentlich als Sonderausstellung konzipiert, wird sie jetzt in das reguläre Ausstellungsangebot übernommen. «Die Ausstellung kommt gerade bei Schulklassen, die das Thema Weltraum behandeln, derart gut an, dass wir es schlicht nicht übers Herz bringen, sie jetzt schon aufzulösen.»

Ohne öffentliche Gelder ginge es nicht

Überhaupt seien die Ansprüche der Museumsbesucherinnen und Museumsbesucher an ein modernes Museum heute um einiges grösser als noch vor zehn, 20 oder 30 Jahren, betont Kaysel. «Standen früher die Objekte – also in unserem Fall vor allem die Spielsachen im Vordergrund –, sind diese heute unterstützender Natur.» Vielmehr gehe es darum, den Gästen anhand der Objekte eine Geschichte zu erzählen und ein bleibendes Erlebnis zu bieten.»

Traditionelle Weihnachtsausstellung ist dieses Jahr Norwegen gewidmet

Ein ganz besonderes Highlight steht jeweils Mitte November auf dem Programm, wenn die traditionelle Weihnachtsausstellung eröffnet wird. Jedes Jahr ist diese einem anderen Land gewidmet. Mit Norwegen kommt dieses Jahr bereits das 14. Land an die Reihe. «Das ist für uns immer auch eine Gelegenheit, Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund ins Kindermuseum zu locken.»

Mein persönlicher Rundgang ist beendet. Ich bin schwer beeindruckt, wie sich diese zuerst private Spielzeug-Sammlung in den letzten bald 40 Jahren zu einem Museum mit nationaler Ausstrahlung gemausert hat. Der Arbeitstag von Daniel Kaysel hingegen fängt in zwei Stunden erst richtig an, wenn das Museum seine Tore für Kinder, Eltern und Grosseltern öffnet und sich die schöne Villa für ein paar Stunden mit Leben füllt.

36 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Zweifachpapi, nein drittes Kind in der Familie, Pilzsammler und Fischer, Hardcore-Public-Viewer und Halb-Däne. Was mich interessiert: Das Leben - und zwar das reale, nicht das "Heile-Welt"-Hochglanz-Leben.


Familie
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Hintergrund

Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    7 erfolgreiche Produkte, die von Kindern erfunden wurden

    von Michael Restin

  • Hintergrund

    Ist das der grosse Wurf? Wertvolle Sammlerstücke aus dem Kinderzimmer

    von Michael Restin

  • Hintergrund

    Sie wollte keine Wimmelbücher machen, jetzt gehört ihr das Genre

    von Ann-Kathrin Schäfer