
Hintergrund
Wie du aktuell trotzdem reisen kannst
von Pia Seidel
Lenovo bietet mit dem Legion 9i nicht nur ein absurd hochgerüstetes Gaming Notebook, sondern auch eines mit brillenlosem 3D-Display. Das Gamen damit funktioniert manchmal erstaunlich gut. Zeitweise stehen jedoch eher Schwindel und Kopfschmerzen im Vordergrund.
Ich trinke Nuka-Cola, prügle Riesenkakerlaken aus dem Bunker und verliere dabei in «Fallout 4» fast mein Gleichgewicht – alles in brillenlosem 3D. Das Lenovo Legion 9i zeigt mir direkt auf dem Notebook-Display Tiefe, Staffelung und Popout. Keine Shutter-Technik, keine VR-Brille, kein Headset. Nur mein Blick, das Panel mit Lentikularlinsen und ein bisschen Softwaremagie. Klingt nach Durchbruch. Fühlt sich aber nicht immer so an.
Ausserdem ist die 3D-Funktion abseits von Bildern, Filmen und spezifischer 3D-Software nur für ausgewählte Spiele verfügbar. Genau genommen werden bisher 30 Titel unterstützt. Ich habe die Stereoskopie mit «Cyberpunk 2077», «Fallout 4» und «Forza Horizon 5» getestet.
Mein Testgerät hat die Vollausstattung: Intel Core Ultra 9 275HX, Nvidia Geforce RTX 5090 mit 24 Gigabyte (GB) GDDR7 VRAM, 64 GB DDR5-Arbeitsspeicher, 2 Terabyte PCIe 5.0 SSD. Dazu ein 18-Zoll-WQUXGA-Display mit 240 Hertz, HDR400 und brillenlosem 3D. Das Netzteil erinnert an einen Ziegelstein und liefert 400 Watt, die Tastatur ist RGB-beleuchtet, das WLAN funkt mit Wi-Fi 7.
Bevor ich ausführlich auf die 3D-Funktion eingehe, hier kurz, was mir abseits davon auffällt:
Dazu kommt, dass sich die Auflösung von 3840 × 2400 Pixel beim Umstellen auf 3D auf die Hälfte verringert. Ebenso ist die maximale Helligkeit von 500 Nits dann nicht mehr gegeben. Ich schätze, die Helligkeit nimmt um ein Viertel ab.
Damit das überhaupt funktioniert, braucht es eine Grundkalibrierung. Lenovo zeigt dafür ein Testbild mit drei Würfeln – links, rechts und in der Mitte. Ich stelle den PD-Wert (Pupillendistanz) so ein, dass die äusseren Würfel ohne Geisterbilder scharf erscheinen. Der mittlere Würfel bleibt konstant – er dient als Fixpunkt. Sobald die äusseren Würfel klar sind, klicke ich auf «OK» und das System übernimmt den Wert.
Die Kalibrierung ist schnell gemacht, doch nur ein Grundwert. Sie reicht nicht aus, um danach bei jedem Spiel perfekte 3D-Einstellungen zu bieten. Dafür muss ich, wie im nächsten Kapitel zu sehen, noch an zwei weiteren Werten herumschrauben.
Und dann gibt es fürs Betrachten und Bearbeiten von 3D-Modellen noch die Design Engine und den 3D Model Viewer. Beide unterstützen Formate wie OBJ, FBX und STL – und zeigen Modelle direkt auf dem brillenlosen 3D-Display. Die Design Engine erlaubt Rotation, Zoom und einfache Interaktion, wirkt aber eher wie ein Viewer als wie eine vollwertige Modellierungsumgebung.
Die brillenlose 3D-Darstellung funktioniert nicht einfach überall. Lenovo listet aktuell 30 unterstützte Spiele, die mit der Game Engine des 3D Studio kompatibel sind. Das sind keine generischen DirectX-Titel, sondern einzeln angepasste Spiele mit spezifischem Tiefenprofil.
Warum nur so wenige? Weil jedes Spiel separat aufbereitet werden muss. Und vielleicht auch, weil Lenovo nur begrenzt Ressourcen dafür zur Verfügung stellt. Die Game Engine rendert nicht einfach doppelt, sondern erzeugt stereoskopische Tiefe. Dafür braucht es pro Titel ein eigenes Profil: Tiefenparameter, Interface-Logik, Szenenerkennung. Das ist aufwendig.
Die Liste wirkt zuerst beliebig. Ist sie aber nicht. Viele Titel sind Action-Adventures, Soulslikes oder Shooter mit klarer Geometrie und stabiler Kamera. Rennspiele wie «Forza Horizon 5» profitieren von der Cockpitperspektive. Horror und Indie sind vereinzelt dabei. Strategie, Simulation oder UI-lastige Spiele fehlen komplett.
Nach dem Start der Game Engine kann ich vor dem Spielstart wie auch während des Zockens zwei weitere Werte anpassen. Das heisst: ich muss. Tue ich es nicht, sind die Spiele trotz der korrekt gemachten 3D-Grundkalibrierung mehr Folter als Genuss. Es geht um Popout- und Depth-Wert:
Klingt simpel, ist es aber nicht. Ich kann nicht frei wählen, wie stark etwas herausragt oder wie tief die Szene wirkt. In der Regel gibt es nur einen Wert, der passt. Vor allem bei Popout: Wenn der nicht sitzt, wirkt alles verschoben. HUD-Elemente springen, Objekte verdoppeln sich, die Tiefenebene verliert den Bezug zur Spielwelt.
Ein grosser Kritikpunkt ist, dass sich Lenovos Software nicht merkt, welche Werte ich pro Game einstelle. Es setzt den Popout nach Neustart der Software immer auf einen Wert von 10 und die Depth auf 50 zurück. Daher halte ich sie auf einem Notizblock fest – und stelle sie bei jeder Spielsession neu ein.
Falls du dich an 3D-Kino mit Brillen erinnerst: viele Menschen fühlen in der ersten Minute einen komischen Augendruck, der dann verschwindet. Bei VR-Headsets kann der Effekt auch mal fünf Minuten anhalten. Beim Lenovo-3D-Display ist es bei mir irgendwas dazwischen – die ersten zwei bis vier Minuten fühle ich mich, als ob ich gerade geweint hätte und meine Augen etwas aufgequollen wären.
Die Cockpitansicht wirkt plastisch, die Umgebung bleibt stabil. Kein Ghosting, keine visuelle Belastung. Ich spiele zwei Stunden am Stück – ohne Schwindel, ohne Übelkeit. Ich fühle mich richtig frei und gebe begeistert Gas.
«Fallout 4» zwingt mich zu einer Entscheidung: Stelle ich die 3D-Werte optimal für die Spielwelt ein oder für mein Ingame-Tool, den Pip-Boy? Beides fokussieren geht leider nicht. Ich wähle die Spielwelt. Dafür stelle ich den Popout auf 0,8 und die Depth auf 22. Die Tiefe muss ich so weit herunterschrauben, da sie mit höheren Werten völlig übertrieben wirkt. Als ob ein Lenovo-Mitarbeitender hier bei der Erstellung des Profils zu doll aufs Gas gedrückt hätte.
Mit diesen Einstellungen wirkt die Welt normal, die Umgebung bleibt lesbar, aber der Pip-Boy und Unterhaltungen zeigen bei den Texten ein leichtes Ghosting. Die Doppelung ist minimal, aber konstant. Würde ich stattdessen den Pip-Boy scharfstellen, wäre die Spielwelt verschoben.
«Cyberpunk» bringt das System an seine Grenzen. Ich stelle Popout auf 1,4, Depth auf 15 – und trotz den besten Einstellungen, die ich finden kann, bleibt die Darstellung instabil. Feine Details wie Autoantennen oder weit entfernte Objekte erscheinen doppelt. Die Tiefenebene springt, das HUD flimmert. Ich bekomme die 3D-Umgebung nicht sauber hin.
Besonders kritisch: Bei schnellen Drehbewegungen wird mir übel. Spiele ich länger als 30 Minuten, kommen Kopfschmerzen dazu. Der Unterschied zwischen fokussierbarem Inhalt und Geisterbild ist zu stark. Ich kann mich weder auf die Spielwelt noch auf die Menüs richtig einlassen. Die visuelle Belastung steigt, die Immersion sinkt.
Nachdenklich schaue ich in Richtung meines 85 Zoll Mini-LED-TVs. Der hat zwar kein 3D, kann aber bis 2000 Nits leuchten, zeigt deutlich mehr Details bei dunklen Szenen sowie ein perfektes Schwarz. Unter dem Strich bevorzuge ich ihn.
Brillenloses 3D-Gaming funktioniert. Manchmal erstaunlich gut. «Forza Horizon 5» zeigt, wie plastisch, stabil und angenehm das Erlebnis sein kann – wenn Popout und Depth exakt sitzen. «Fallout 4» ist ein Kompromiss, aber spielbar. «Cyberpunk 2077» überfordert das System.
Die Technik verlangt Disziplin: Kalibrierung, Justierung, Fokus. Wer sich darauf einlässt, bekommt Momente echter Tiefe. Wer einfach loszocken will, wird enttäuscht. Die Software merkt sich keine Werte, das Display verliert an Helligkeit, die Auflösung halbiert sich. Und trotzdem: Es ist faszinierend, was hier möglich ist – ganz ohne Brille oder Headset.
Ist das Lenovo Legion 9i mit seinem brillenlosen 3D ein Gamechanger? Nein. Aber es ist ein Schritt, der zeigt, wie viel Tiefe in einem flachen Panel stecken kann.
Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.
Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.
Alle anzeigenDas Display nutzt eine Lentikularstruktur, die je nach Blickwinkel unterschiedliche Bilder liefert. Eine Infrarotkamera trackt die Augenposition und synchronisiert die Tiefenstaffelung in Echtzeit. Die Tiefenwirkung ist auf die Augenposition eines einzelnen Augenpaars abgestimmt. Sie kann durcheinander kommen, sobald mehr als eine Person davor sitzt. Ein weiteres Augenpaar sieht Doppelbilder. Wer den Kopf zu schnell bewegt, bringt die Tiefenebene aus dem Takt. Bei ruhiger Kopfhaltung entsteht ein plastischer Effekt.
Die Software, worüber alles läuft, nennt sich 3D Studio. Neben der Game Engine, die für stereoskopische Darstellung in unterstützten Spielen sorgt, gibt es einen 3D Media Player für lokale Videos im Side-by-Side- oder Top-Bottom-Format. Falls du 2D-Videos in 3D schauen möchtest – von Youtube über Netflix bis hin zu Plex – gibt es den Media Converter. Er wandelt das Material live um, sobald du es im Vollbild betrachtest. Zu meinem Erstaunen sieht das ähnlich gut aus, wie ich 3D-Kino in Erinnerung habe.
Abgesehen davon funktioniert «Forza Horizon 5» sofort – und von den drei getesteten Spielen als einziges perfekt. Allerdings nur mit einem Popout-Wert von exakt 11,6. Alles darunter oder darüber sorgt für Doppelbilder. Die Tiefe wirkt mir mit dem voreingestellten Wert von 50 noch zu wenig stark, weshalb ich sie auf 60 erhöhe. Ich könnte auch weiter hochschrauben. Erst ab 80 wird es für die Augen unangenehm. Allerdings wirkt das Game bei über 60 irgendwie unnatürlich.
Da ich mich an die eher schwachen Text-Doppelungen gewöhnen kann, macht «Fallout 4» in 3D trotzdem Spass. Die anfängliche Euphorie, welche ich bei «Forza» gefühlt habe, weicht dennoch etwas. Es ist geil, aber auch nicht unbedingt geiler als einen grossen 4K-Monitor mit gutem HDR vor sich stehen zu haben. Das HDR des Laptops wirkt besonders bei eingeschaltetem 3D bescheiden. Etwas weniger fehlt mir die hohe Auflösung – vermutlich, weil ich 3D noch nie höher auflösend erlebt habe.
Vital Proteins Collagen Peptides