Meinung

Wüsten-WM schauen oder nicht? Ja, Nein – Jein …

Oliver Fischer
18.11.2022

Knapp einen Monat lang wird jetzt in der Wüste gekickt. Soll man Spiele schauen? Darf man überhaupt? Folgt man den lautesten Stimmen, darf man nicht. Auf. Gar. Keinen. Fall! Ich sehe das ein bisschen anders.

Wie viel die FIFA aus dieser Vergabe (und früheren problematischen) lernen wird, bleibt abzuwarten und man darf berechtigte Zweifel haben. Immerhin: Die nächste WM 2026 findet in Kanada, den USA und Mexiko statt, da ist zumindest die Sporttradition gross – wenn auch nicht unbedingt im Fussball.

Fruchtlose Boykott-Diskussion

Es gibt also ganz viele Gründe, warum diese WM nicht in der Wüste stattfinden sollte und nur ganz wenige Gründe (welche eigentlich?), warum doch. Die öffentliche Diskussion ist gerade daran entbrannt, ob Fussballfans in der Schweiz das Turnier mit Nichtbeachtung strafen sollten. Eine Diskussion, die nur logisch und in grossen Teilen verständlich ist. Hier und heute kurz vor dem Beginn des Turniers wird sie aber rein gar nichts bewirken.

Denn Fakt ist: Die WM findet statt. So wie seit zwölf Jahren vorgesehen. Die Stadien sind gebaut, die Sponsorengelder ebenso geflossen wie die TV-Rechte verkauft. Mutmasslich Tausende Bauarbeiter haben ihr Leben verloren und Zehntausende haben unter Sklaverei nahen Bedingungen gearbeitet. Das sind Katastrophen und die werfen ein schlechtes Licht, nicht nur auf Katar und die FIFA, sondern letztlich auf die ganze Welt.

Denn der Aufschrei, der Widerstand, der Boykott des Turniers hätte 2010 beginnen müssen. Und hätten die Kontinentalverbände, die Landesverbände, die Superstars des Weltfussballs damals gemeinsam mit einer Stimme gegen die Vergabe protestiert, vielleicht wäre die FIFA ja zur Vernunft gekommen. Aber wie irgendein Fussballprofi vermutlich irgendwann in einem Interview einmal gesagt hat: «Wäre, wäre, Fahrradkette.»

Und so stehen wir nun da und hadern mit uns selbst, ob es jetzt auf gar keinen Fall okay ist, doch das eine oder andere Spiel im TV zu schauen. Oder ob man nun doch, vielleicht, ohne allzu schlechtes Gewissen, eventuell, das eine oder andere Spiel einschalten könnte (ohne es jemandem zu sagen, natürlich).

Niemand braucht ein schlechtes Gewissen zu haben

PS. Der Boykott, von dem ich denke, dass er eventuell tatsächlich etwas bewirken könnte, wäre derjenige der grössten Sponsoren, die am meisten Geld investiert haben. Die fürchten schlechte Publicity und ein schlechtes Geschäft vielleicht genug, um künftig tatsächlich nicht mehr ohne weiteres bei allem, was die FIFA sich ausdenkt, mitzumachen.

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Weltenbummler, Wandersportler, Wok-Weltmeister (nicht im Eiskanal), Wortjongleur und Foto-Enthusiast.


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